Buchkritik: „Selbstmanagement im Musikbetrieb“ von Petra Schneidewind und Martin Tröndle (Hg.)

9783837616606_216x1000

Die 1. Auflage des Buches „Selbstmanagement im Musikbetrieb“ von Petra Schneidewind und Martin Tröndle (Hg.) erschien 2003 bei transcript und wurde 2012 in einer 2. Auflage komplett überarbeitet, aktualisiert und erweitert (384 S.) Das Buch trägt den Untertitel „Ein Handbuch für Kulturschaffende“ (ISBN 978-3-8376-7660-6, 27,80 €). Die Herausgeberin Petra Schneidewind ist studierte Betriebswirtschaftlerin, leitet seit 2011 das Kontaktstudium an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg und hat diverse Lehraufträge; der Herausgeber Martin Tröndle studierte Musik und Kulturmanagement und lehrt seit 2009 Kulturbetriebslehre und Kunstforschung an der Universität Friedrichshafen.

Die Kapitelüberschriften der 1. Auflage wurden in der überarbeiteten Neuauflage alle ersetzt und lauten nun: 1. Konzert und Publikum, 2. Musikmanagement, 3. Agenturen und Labels, 4. Zur Ausbildungssituation in den Musikhochschulen, 5. Recht. Unter diesen Überschriften sind jeweils 2-6 Aufsätze zu speziellen Themen von insgesamt zehn Autoren (inkl. Hg.) abgedruckt. Im Vergleich zur 1. Auflage sind auf den ersten Blick keine neuen Autoren dazugekommen, die Aufsätze wurden jedoch deutlich aktualisiert und zum Teil auch im Umfang ausgeweitet. Im Schlusskapitel „Recht“ kam es dagegen zu erheblichen Kürzungen, weil die rechtliche Situation in der Schweiz nicht mehr gesondert berücksichtigt wird.

Man sollte meinen, dass knapp 400 Seiten den Herausgebern genügend Raum bieten um verschiedenen Sparten des Musikbetriebs zu betrachten. Leider wird bereits in den einleitenden Worten und Aufsatzüberschriften klar, dass sich die Autoren ausschließlich an klassisch ausgebildete Instrumentalisten und Absolventen deutscher Musikhochschulen wenden. Das Kapitel „Musikmanagement“ gibt einige interessante, wenn auch ziemlich trocken formulierte, Ausführungen zum Thema Öffentlichkeitsarbeit, Soziale Medien, Drittmitteleinwerbung. Das Ziel aller Bemühungen ist die klassische Konzertsituation: Der virtuose Solist/das Ensemble spielt im Konzertsaal vor dem bildungsbürgerlich geschultem (Festival-) Publikum. Als Beispiel dient an verschiedenen Stellen ein fiktives, junges und aufstrebendes klassisches Streichquartett. Musikkultur wird hier als Konzertkultur verstanden, Zuhörer sind Konzertbesucher, Musiker sind akademisch ausgebildete Instrumentalisten, Interpreten klassischer Musik sind Kulturschaffende usw. die Liste der eingeschränkten Auslegungen ließe sich weiter fortsetzen. Wie es bei der thematischen Vorgabe (Stichwort: „Musikbetrieb“, „Kulturschaffende“) zu einer dermaßen drastischen Verengung des Betrachtungswinkels kommen konnte, bleibt das Geheimnis der Herausgeber. In einem eigenen Kapitel wird hier allen Ernstes die Ausbildungssituation an deutschen Musikhochschulen beschrieben und – vermutlich zu Recht – auch einige Missstände beklagt. An wen sich insbesondere dieses Kapitel richtet, bleibt unbeantwortet (Kultusministerien, Musikhochschulen, Professoren?).

Nach wie vor aufschlussreich, wichtig und richtig ist das letzte Kapitel „Recht“. Die oben erwähnten Kürzungen dürfen als Gewinn hinsichtlich der Übersichtlichkeit verbucht werden. Allerdings sind die behandelten Themen (Urheberrecht, GEMA, KSK, Steuern, Vertragsrecht) auch vergleichsweise konkret und unterliegen nicht einem so großen Wandel wie andere Bereiche des Selbstmanagements.

Fazit: Das umfangreiche Buch bietet einige interessante Einblicke. Insbesondere für ambitionierte Absolventen eines klassischen Instrumentalstudiengangs einer deutschen Hochschule könnte es eine aufschlussreiche Lektüre zur Einschätzung der eigenen Situation nach Abschluss des Studiums darstellen. Dem eigenen Titel wird das Buch leider nicht gerecht. In den diversen Betrachtungen werden Musiker, Songwriter, Komponisten, Produzenten und andere Akteure aus den musikstilistischen Bereichen Pop, Jazz, Folk, Indie, Elektronik etc. und nicht akademisch ausgebildete Musikschaffende außerhalb des etablierten akademischen Kulturbetriebs (Hochschulen, Begabtenförderung, Wettbewerbe, etc.) nicht einmal ansatzweise berücksichtigt, sie werden im Umkehrschluss sogar indirekt aus dem Musikbetrieb ausgegrenzt.

Das Buch läuft weiterhin Gefahr in bereits nur wenigen Jahren nicht mehr aktuell zu sein, teilweise ist das schon jetzt, nur ein Jahr nach Publikation, der Fall (z.B. MySpace, Facebook). Diesem Problem hätten die Herausgeber ohne großen Aufwand mit entsprechenden Updates/Ergänzungen/Vertiefungen auf einer Homepage/Blog begegnen können. Obwohl die Möglichkeiten der Neuen Medien z.T. in den Aufsätzen thematisiert werden, finden sie von Seiten der Herausgeber ganz offensichtlich keine Anwendung. Es gibt keine Hompage, keinen Blog, keine Facebookseite, kein Video zum Buch.

Und an diesem Punkt setzt auch der letzte Kritikpunkt an: Die Informationen und Ausführungen in den verschiedenen Texten des Buches sind alle korrekt, aber wirken seltsam unerprobt. Der Schreibstil ist extrem steif und akademisch, alles ist wissenschaftlich gesehen sicherlich richtig (Fußnoten, Literaturhinweise, Diagramme), wirkt aber oft leblos und theoretisch (Kreativitätstechniken, Innovationsinkubator etc.) oder doch zumindest ziemlich arriviert und über den Dingen schwebend (Arbeit an der Basis, musikpädagogische Tätigkeit etc. spielen keine Rolle). Wenn man die Biographien der Autoren am Ende des Buches überfliegt, bekommt man eine Ahnung, warum das evtl. so ist: Es sind zum größten Teil promovierte und/oder habilitierte Wissenschaftler aus dem institutionalisierten Kultur- und Bildungsbetrieb. Weshalb gerade die sich bemüßigt fühlen ein Buch über „Selbstmanagement im Musikbetrieb“, also einen vermeintlichen Ratgeber über betriebswirtschaftliche Praxis für selbstständige Künstler in einem sehr speziellen Markt zu verfassen, bleibt unklar. Betroffene Künstler kommen auf den fast 400 Seiten nur einmal zu Wort (klassisches Blockflöten Ensemble „Spark“: erfolgreich, keine Probleme).

Tipp: Aufgrund vieler individueller Fallbeispiele sehr viel aufschlussreicher und anregender für Künstler aller Sparten ist das Buch „Künstler. Ein Report“ (ebenfalls transcript, Wolfgang Schneider, Hg., 24,80€)

4 Gedanken zu „Buchkritik: „Selbstmanagement im Musikbetrieb“ von Petra Schneidewind und Martin Tröndle (Hg.)

  1. Das scheint noch kein richtig beackertes Feld zu sein, diese Ratgeber für Kulturschaffende. Der Kulturschaffende scheint sich selbst überlassen, dafür zu sorgen, daß sich seine Arbeit lohnt.
    Als junger Mensch wurde ich von meinem Zeichenlehrer davor gewarnt, Kunst zu studieren. Also ging ich in eine „entgegengesetzte“ Richtung.

    • Das Buch ist schon ganz brauchbar, nur eben gemessen am Titel eine inakzeptable Verengung der Betrachtung. Wenn man nicht zufälligerweise ein klassisch/akademisch Instrumentalist ist, ist es zwangsläufig eine Enttäuschung. Warum die Herausgeber das so anlegen und es ihnen nicht selbst auffällt ist erstaunlich, wird auch an keiner Stelle begründet.

      Halte es auch für schwer diesbezüglich verbindliche Ratgeber zu verfassen, weil Künstlerkarrieren ja gerade auf hoher Individualität und Originalität basieren und daher äußert schlecht zu verallgemeinern sind. Noch dazu ändern sich die Dinge heutzutage so schnell, dass man mit einer theoretisch/wissenschaftlichen Herangehensweise – wie im vorliegenden Buch – immer nur eine fundierte Retrospektive liefern kann.

      Am meisten haben mir persönlich nicht Ratgeber genützt, sondern das ständige Reflektieren der eigenen Arbeit und das Interesse an der Arbeits- und Denkweise anderer Künstler (Gespräche mit Kollegen, Interviews, (Auto-) Biographien, Lageberichte, auch z.B. meine Talkshow „My Favourite Tracks“). Nicht zuletzt lernt man natürlich auch von dem Verlauf eigener Projekte und aus den Fehlern, die einem dabei unterlaufen.

      @Gerhard: Was ist die „entgegengesetzte“ Richtung von Kunst?

    • In Mathe war ich auch immer gut (LK), ist mir nie schwer gefallen. Bin trotzdem froh, mich für Musik entschieden zu haben. Ich glaube, man erfährt in den Künsten mehr über sich selbst, insbesondere als Selbständiger und der Gestaltungsfreiraum ist viel wert. Das wiegt meiner Ansicht nach auch die unbestrittenen Nachteile dran auf. Trotzdem: Rechnen zu können ist gerade als Selbständiger ein klarer Vorteil!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert