Eröffnung: Zentrum für Populäre Kultur und Musik in Freiburg

Kürzlich wurde an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg im Breisgau das Zentrum für Populäre Kultur und Musik gegründet. Es ging hervor aus dem traditionsreichen und verdienstvollen Deutschen Volksliedarchiv, das genau hundert Jahre zuvor im Jahr 1914 gegründet worden war. Zusammen mit der Popakademie in Mannheim und dem Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe hat das Bundesland Baden-Württemberg damit drei im deutschsprachigen Raum führende Institutionen, die sich aus wissenschaftlicher, praktischer und musealer Sicht dem Phänomen Popmusik bzw. Popkultur widmen. Es wird dort archiviert, geforscht und gelehrt, es wird ausgebildet, produziert und vermarktet, es wird zusammengefasst, kuratiert und verständlich dargestellt.
Man mag zur Institutionalisierung des Pop stehen wie man will, als in Bayern beheimateter Musikpädagoge und Populärmusikforscher schaue ich mit freundlicher Sympathie und auch ein klein wenig neidisch auf das benachbarte Bundesland und bin tief beeindruckt.

2 Gedanken zu „Eröffnung: Zentrum für Populäre Kultur und Musik in Freiburg

  1. Hi Dennis,
    das „tief beeindruckt.“ korrespondiert irgendwie nicht mit “ mit freundlicher Sympathie“ und „ein klein wenig neidisch“, so auf den ersten Blick. 🙂
    Das Zentrum scheint ja noch im Aufbau: Bei der Enzyklopädie der Songs und Künstler ist noch ein sehr enger Rahmen gesteckt.
    Mich schwindelt bei dem Gedanken, daß man alles und jedes zu jedem Popphänomen zusammentragen will – was schier unmöglich ist. In solchen Zentren kann man schnell „verlorengehen“.
    Ich würde mich wahrscheinlich spontan auf die frühe populäre Musik des 20.Jahrhunderts stürzen. Da weiß ich noch wenig.

    • @Gerhard: Ich versuche mal meine Perspektive zu erklären.
      „Mit freundlicher Sympathie, (…) klein wenig neidisch (…), tief beeindruckt“: Ich habe nach Abitur, Zivildienst und Berufsfachschule für Musik ein bayerisches Konservatorium, eine bayerische Musikhochschule und eine bayerische Universität durchlaufen, habe seit 1998 drei verschiedene wissenschaftliche, zum Teil sehr aufwändige Abschlussarbeiten verfasst und die entsprechenden Abschlüsse bestanden. Nirgends hat in meiner Ausbildung Popmusik auch nur ansatzweise eine Rolle gespielt. Ich musste mich mit meinen bekannten Interessen immer irgendwie durchmogeln, nebenher lernen, lange nach Betreuern suchen, mich rechtfertigen, abschätzige Blicke erdulden („Fragen Sie Herrn Schütze, der ist unser Wirtshausmusiker!“), ich habe selbstorganisierte Bildungsreisen unternommen, freie Interviews geführt, als Privatmann Konferenzen besucht. Deswegen freue ich mich, dass es heute für dieses berechtigte Forschungsinteresse endlich in unmittelbarer Nachbarschaft etablierte Anlaufstellen gibt. Das gilt aber leider (noch?) nicht für Bayern. Man kann hier selbstverständlich Klassik und seit einigen Jahren auch Jazz studieren, einen popmusikalische Studiengang oder Fakultäten, die auch nur ansatzweise popmusikwissenschaftliche Studien betreiben, gibt es in Bayern nicht. Während ich meine eigenen Studien betrieb, war das aufgrund meines Standortes deswegen ein sehr einsamer Weg. In anderen Bundesländern ist das anders, aufgeschlossener, fortschrittlicher. Und dann sehe ich im Verlauf der letzten Jahre wie sich Baden-Württemberg in diesem Fachgebiet nach und nach an die Spitze arbeitet. (Zum Vergleich: In Würzburg wurde zeitgleich ein Forschungszentrum mit ordentlich Manpower eingerichtet, das sich mit dem Werk des ausgewiesenen Antisemiten Richard Wagner beschäftigt.)
      Natürlich gibt es für die oben erwähnten Institutionen viel zu tun und sicherlich kann man die Popmusik des 20. Jahrhunderts nicht in absehbarer Zeit annähernd erfassen, aber betrachtet man die Situation in Deutschland, sind jetzt immerhin die ersten Schritte getan, es existiert eine erste, kleine, akademische Infrastruktur. In Bayern wird allerdings weiterhin so getan, als ob Popmusik nur ein kurzzeitiges und kommerzielles Medienphänomen gewesen ist. Pop ist da in erster Linie Beatles und ABBA oder neuerdings Helene Fischer und Conchita Wurst. Die kreative Kraft des Pop wurde an musikwissenschaftlichen und musikpädagogischen Fakultäten der bayerischen Hochschulen und Universitäten überhaupt noch nicht wahrgenommen. Du kannst mir das glauben, ich bin dort mehr als 15 Jahre als Student und Lehrbeauftragter ein und aus gegangen, hatte mit diversen Verantwortlichen zu tun, viel mehr war da nicht, es war ziemlich frustrierend.

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