Wow, es sind knapp vier Monate vergangen seit meinem letzten Bericht über meine Aktivitäten und meinen aktuellen Status Quo. Die Arbeits- und Lebensumstände haben sich verändert, aber irgendwie nicht so, wie vielleicht erwartet.
Große Erleichterung natürlich darüber, dass die Kinder wieder in die Schule dürfen und das elende Homeschooling erstmal offiziell beendet wurde. Trotzdem gab’s zuerst nur Wechselunterricht mit Maske und Testterror (2x pro Woche, in vier Monaten kein einziger Fall an der kompletten Schule), weiterhin sind unendlich viele Unterrichtsstunden und sämtliche schulischen Sonderveranstaltungen wie Chor, Big Band, Rock Band, Ausflüge, Fahrten, Reisen, Austauschprogramme, Praktika etc. ersatzlos gestrichen worden. Man braucht auch nicht zu glauben, dass es irgendwelche Bemühungen seitens der Lehrerschaft gegeben hätte dem entgegenzuwirken. Jeder abgesagte Unterricht war aus deren Sicht anscheinend positiv zu bewerten. Auch das traditionelle Unterrichts-Aus ab Anfang Juli (Sommerferien beginnen erst im August) wurde in Bayern im Bildungskrisenjahr 2021 penibel eingehalten. Keine Noten, keine Korrekturen, kein Unterrichtsstoff, kein Nachmittagsunterricht, viele ausgefallene Stunden und verkürzte Tagesabläufe. All das auf Kosten der Kinder und Eltern. Wie die Familien das über diese lange Zeit bewältigt haben und welche Schäden dadurch entstanden sind, das alles ist für mich immer noch unbegreiflich.
Immerhin war die Wohnung hin und wieder mal für ein paar Stunden frei und ich konnte aufnehmen und weiter an Produktionen schrauben. So wurden einige Singles und die LoFi-Jazz-EP „LiLa“ der Sängerin Sandra Buchner fertig gestellt, die im September erscheinen wird. Von LoFiLu wurde die kompositorische Transaktion „Minor Bolero“ nach Vorlage von Maurive Ravel in die Gegenwart geschraubt. Zusätzlich erschien mit „Get High / Iko Iko“ eine groovige Doppel-Single unter eigener Flagge. Trotz dieser positiven Arbeitsergebnisse stellte sich hier sowas wie ein düsterer Post-Corona-Blues ein.
Ab dem Frühjahr wurden nacheinander alle anstehenden Engagements für den Sommer abgesagt. Ich habe bis jetzt mit keiner meiner Formationen auf einer Bühne gestanden und musiziert. Mein letztes Konzert liegt mittlerweile mehr als 18 Monate zurück (Feb 2020). Immerhin stehen ein paar Termine unmittelbar bevor, das ist schön und gut, aber irgendwie auch mehr Arbeit als man sich wünscht oder im Verhältnis steht. Man fängt mit jeder Formation ja buchstäblich bei Null an, muss ein komplett neues Programm, teilweise mit neuem Personal aus dem Boden stampfen. Gleichzeitig weiß man bis kurz vorher eigentlich nicht, ob der Termin wirklich stattfinden wird oder doch wegen irgendwas kurzfristig abgesagt wird. Diese Unsicherheit erhöht nicht gerade die Motivation.
Gar nicht klagen kann ich über die Genehmigung und Bereitstellung staatlicher Unterstützung. War einfach und kam schnell an. Wäre aber auch noch besser, wenn Leute wie ich, denen seit 16 Monaten die Ausübung ihres Hauptberufes staatlicherseits verboten wird, leer ausgingen. Freude hält sich deswegen in Grenzen, weil ich trotz Neustarthilfe selbstverständlich mit ordentlichen finanziellen und persönlichen Verlusten aus der Krise gehen werde.
Am besten klappte da noch der Unterricht per Videostream. Da muss ich allen Beteiligten, insbesondere den oftmals tatkräftigen Familienmüttern danken, dafür dass sie einen meist reibungslosen Ablauf ermöglicht haben. Ein Hoch auf die Mütter! Und auch ein paar Väter!
Bin gerade selbst etwas unsicher und unentschlossen wie es wohl beruflich weitergehen wird. Die aktive Lockdownphase ist zwar vorerst überwunden, aber arg viele rosige Perspektiven sehe ich gerade nicht. Ein paar Wochen noch und der Sommer ist vorbei, schon jetzt wird wieder mit vierter Welle und drohendem nächsten Lockdown Panik unter die Leute gebracht. Es scheint unklar, ob die Impfstrategie aufgeht. Und viel Wahlkampfgetöse der großen Schreihälse, allen voran MP Söder, ist natürlich auch noch mit dabei. Ich bin froh, dass meine Familie und Freunde einigermaßen unbeschadet durchgekommen sind, aber wohin die Reise geht ist mir vollkommen unklar. Der mentale Lockdown in meinem Kopf ist bei mir noch nicht überwunden, hat sich geradezu manifestiert und zeigt mit etwas Verspätung seine volle Wirkung. Mein Werkwille, die Beförderung der eigenen Fachkompetenzen und die Erweiterung meines Portfolios sind nach der langen Zeit irgendwie auch ausgereizt. Bräuchte mal dringend ein paar Impulse von außen, aber es scheint als wenn sich viele Freunde und Kollegen weit zurückgezogen hätten, vermutlich weil auch sie nicht wissen wie’s weitergehen könnte. Alles in der Schwebe, Arbeitsauftrag ungewiss, Perspektiven nicht greifbar, Aussicht vernebelt, keine schöne Situation, man wartet, aber weiß nicht auf was.
Um ein bisschen aus meinem eigenen Quark zu kommen, Tapetenwechsel kann da ja sehr hilfreich sein, habe ich im August eine lange Radtour geplant, die erst nach Osten entlang der Eger nach Tschechien, dann nach Norden entlang der Neisse und Oder bis nach Berlin führen wird. Ca. 1000km in 10 Tagen. Ich habe Respekt vor der eigenen Courage, aber freue mich auch drauf. Körperliche Erschöpfung wirkt sich erfahrungsgemäß lindernd auf meine zirkulären Denkspiralen aus. Es wird eine Reise ins Ungewisse, zwischendurch gibt’s allerdings auch die Möglichkeit alte Bekannte wie z.B. Ralf Schuster in Cottbus, Nina C. Frenzel im Oderbruch und einige liebe Verwandte in Berlin zu sehen. Werde allerdings nur Fotos bloggen, keine Geschichten, will mir alles etwas offenhalten und mir selbst nicht gleich die nächste Aufgabe auferlegen.
Wünsche allen einen schönen Sommer und aufregende Perspektiven!