Das Buch erschien im Januar 2014 bei transcript und trägt den Untertitel „Was kann Pop? Was will Popkulturwirtschaft? Konstellationen in Berlin und anderswo“ (ISBN 978-3-8376-2451-9, 34,99 €). Der Herausgeber Uwe Breitenborn ist Medienwissenschaftler an der Hochschule Magdeburg und der Universität Halle-Wittenberg; der Herausgeber Thomas Düllo ist Professor im Bereich Verbale Kommunikation an der UdK Berlin; der Herausgeber Sören Birke ist Geschäftsführer des Kesselhaus/Maschinenhaus der KulturBrauerei in Berlin sowie Aufsichtsratvorsitzender der Berlin Music Commission.
Nach einer Einleitung der Herausgeber Breitenborn und Düllo folgen 24 Aufsätze und Interviews verschiedener Autoren. Sie sind unterteilt in die Themenkapitel: Produzenten, Reflektoren, Nutzer. Breitenborn steuert im Buch keinen weiteren Text mehr bei, Düllo führt ein Interview (mit Martin Kiel), die Hauptarbeit verrichtete offensichtlich Birke, er führte insgesamt sechs Interviews und verfasste zusätzlich einen Aufsatz über das Musicboard in Berlin.
Das mit 432 Seiten und einem beigelegtem Poster sehr umfangreich angelegte Buch geht der etwas unkonkreten Fragestellung nach was Pop kann, was Popkulturwirtschaft will. Es geht dabei hauptsächlich um die momentane Situation und die Fortschritte popkultureller Lobbyarbeit in Berlin, aber auch irgendwie und irgendwo um viele andere Themen, die irgendwas mit Pop oder so zu tun haben.
Mit Abstand am spannendsten sind die Interviews des praktisch veranlagten und lokal bestens vernetzten Pop-Aktivisten Birke. Es stellte interessante Fragen, seine Interviewpartner sind klug ausgewählt und ihre Aussagen gewähren dem Leser immer wieder einen Einblick in die organisierte Popkulturwirtschaft im Raum Berlin. Teilweise wirken seine Fragestellungen etwas lang, suggestiv und vom eigenen lobbyistischen Interesse geleitet. Die Befragten sind aber stets souverän genug diesen Tendenzen nicht nachzugehen, sondern eigene Erfahrungen und Standpunkte in einer ungewohnt offenen Weise darzulegen. Davon gerne mehr. Schade nur, dass die Interviewten nicht kurz am Anfang des Interviews vorgestellt werden, so muss man erst in den Anhang blättern um zu verstehen, wer da denn spricht.
Schwächen zeigt das Buch bei den Texten bei denen man sich fragt, warum die eigentlich in die Sammlung aufgenommen wurden. Anfangen muss man da leider schon bei der Einleitung, die sehr schwafelig daherkommt. Ein ständiges name- und locationdropping, kombiniert mit eigenen unbelegten Meinungskundgebungen, es mäandert ohne konkrete Aussage von Roland Barthes durch den „Maschinenraum des Pop“ (Lieblingsphrase der Autoren) bis zu den gegenwärtigen Szeneclubs Berlins. Anstrengend. Ebenso die Texte von Jochen Bonz, Christoph Jacke („kultürlich“), Philip Wagemann, Gerd Hallenberger, N. & E. Kühnert, Elisabeth Heil und Lothar Mikos. Sie behandeln allesamt extrem spezielle Themen, teilweise bedienen sie sich einer pseudo-akademischen, selbstgebastelten Hipster-Pop-Lingo, die Zitate (gerne von Popsongtexten), Anspielungen und Zusammenhänge vortäuscht, die dann doch nicht bestehen bzw. sich als irrelevant herausstellen, etc., da hätte man einige davon auch ohne bemerkenswerten Verlust rauslassen können, hätte das Buch weniger langwierig und insgesamt stärker gemacht.
Ein Wort noch zum beigelegten Poster: Damit haben sich die Herausgeber anscheinend einen persönlichen Traum erfüllt, der kurioserweise nichts mit dem selbstgesetzten Thema zu tun hat. Über einen Zeitstrahl werden exemplarisch musikhistorische Chronologien in den willkürlich gewählten Genres Jazz/Avantgarde, Black Music, Techno/Electronica (Vorderseite) und HipHop, Independent, Metal (Rückseite) illustriert. Keine Ahnung wozu das gut sein soll. Da hat Peter Frame (Rockfamily Trees) natürlich schon viel, viel besser und schöner vorgemacht wie’s geht. Statt der redundanten Auflistung der ausgelutschten Genres wären für das Poster zum Buch freilich deutscher Hip Hop, deutscher Schlager, Deutschrock, deutscher Jazz, deutsche Liedermacher, deutsche Musik nach der Wende, Berliner Bands/Musiker etc. interessanter gewesen.
Fazit: Sören Birke hätte das Buch alleine herausgeben sollen. Er hätte einige Texte komplett streichen und einige weitere Interviews führen können. Das Buch wäre dann kompakter, spannender zu lesen und mehr auf den Punkt gewesen. So muss man sich passagenweise etwas quälen, trotzdem lesenswert.