An meinem letzten Tag in Riga hat es wieder geregnet. Frühstück, Blogartikel, Checkout, meinen Rucksack durfte ich noch bis zum Nachmittag unterstellen. Ganz in der Nähe des Hostels, gegenüber der Gleise, befindet sich der große Zentralmarkt von Riga, zum Teil im Freien, zum Teil unterbracht in alten Hangars für Zeppeline. Ich lief zwischen den Pfützen entlang der Gassen von einem Stand zum nächsten. Wenig Südfrüchte, dafür viele Beeren und Kirschen in allen möglichen Variationen. Die regensicheren Hallen sind thematisch aufgeteilt nach Fleisch, Fisch, Käse, Eingelegtes (Gurken, Gurken, Gurken).
Dazwischen Backwaren, Gemüsesaatgut, Alkoholika, Textilien, kleinere Haushaltsgerätschaften, Miniapotheken, Spielsachen. Bei Fleisch und Fisch kann man noch deutlich erkennen, dass die Ware einmal körperlicher Bestandteil von Lebewesen waren. An riesigen Haken hängen Schweine- und Rinderhälften, Rotwild und Geflügel. Stämmige Metzger entbeinen und zerlegen die Tierteile mit schweren Beilen und scharfen Messern. Vorne werden sie von beschürzten Frauen unter der Glasvitrine drapiert, portionsweise abgewogen und verkauft.In der Fischabteilung Meeresfrüchte in allen Formen, Farben und Verarbeitungsstadien. So viel, dass man kaum glauben kann, dass die Fischer noch was übrig gelassen haben in der Ostsee. Ich arbeite mich durch Stände und Gassen, schlage irgendwie einen Bogen und komme endlich wieder da an, wo ich begonnen habe.
Von da aus durch den Regen in ein nahegelegenes Café, dort genehmige ich mir nach dem Anblick der vielen toten Tierkörper ein vegetarisches Sandwich mit einer Flasche Rhabarberschorle aus Berlin. Ich checke Mails und Nachrichtenseiten, dann gehe ich zum Hostel hole mein Gepäck, ziehe mich um, weil das Wetter in Deutschland deutlich wärmer sein soll und fahre mit einem Expressbus zum Flughafen. Beim Warten auf das Boarding höre ich zum ersten mal seit Tagen wieder einer längeren, deutschsprachigen Konversation zu. Boarding, ich sitze in der Mitte einer Dreierreihe, die Plätze rechts und links von mir sind unbesetzt, ich kann mich breit machen. Ich schnalle mich an, das Flugzeug setzt sich in Bewegung und noch bevor es ordentlich Fahrt aufnimmt und abhebt, sinke ich in einen langen, tiefen Schlaf. Ich träume von einem Konzert mit elektrischer Backingband, ich singe und spiele Gitarre, mein Begleitgitarrist ist Jack White, wir kennen uns, sind uns vertraut, machen Späße und reißen Witze, es fühlt sich gut an. Wir reisen zusammen von Stadt zu Stadt, schreiben Songs zusammen, proben, spielen auf verschiedenen Festivals, könnte von mir aus ewig so weitergehen, obwohl ich im Traum merke, dass es ein Traum ist.
Als das Flugzeug zum Sinkflug ansetzt, wache ich auf, weil der Druck auf meine Ohren zunimmt. Erst dachte ich noch, es ist die Lautstärkepegel eines der erträumten Konzerte. Draussen scheint die Sonne, gerade durchbrechen wir ein paar einzelne Wolken und ich sehe ich geordneten, agrarischen Formen der Landschaft, die so typisch sind für mein Heimatland. Landung, weil ich nur Handgepäck dabei hatte, bin ich Minuten später in der Arrivalzone des Terminal 2. Mein Zug nach Würzburg hat sage und schreibe 80 Min. Verspätung, am Gleis gegenüber fährt aber zum Glück ein anderer in meine Richtung, mit gerade mal 28 Min. Verspätung komme ich in Würzburg an, laufe vom Bahnhof nach Hause, die Sonne geht gerade unter. Sonnenuntergang auf finnisch heißt Helsinki, sagt ein alter Kalauer, der fällt mir jetzt ein.
Meine Reise durchs wilde Baltikum, von Helsinki nach Riga ist zu Ende, ich bin wieder heil nach Hause zurückgekehrt. Es war eine besondere Reise durch mir unbekanntes Terrain. Und ich fühlte mich dabei etwas einsamer und verlassener als bei meinen bisherigen Solotripps. Vielleicht werde ich langsam zu alt für Individualreisen und Backpackinghostels. Aber das Alleinsein in der Fremde hat ja immer auch seine gute Seiten, man betrachtet die heimischen Verhältnisse mit einem neuen, externen Blick. Ich habe ein paar wichtige Erkenntnisse gewonnen, die ich hier nicht ausbreiten will, ich werde aber ein paar Dinge verändern, ganz sicher, habe auch schon konkrete Ideen dazu. Als ich durch die Wohnungstür trete schließe ich meine halbe Familie in die Arme. Die Kleinen schlafen bereits, ich setze mich an ihr Bett, gebe ihnen einen Kuss auf die Stirn und sage: „Ich bin wieder da.“
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In den kommenden Tagen liefere ich fotografische Impressionen der Reise in einem eigenen Post nach.
…da machst n song draus…
ne, nich…
Taten 🙂
both!
@Both: Songschreiben ist eine Tat und was für eine. Und: Als Moderator dieses Blogs bestehe ich auf mehr inhaltliche Substanz in den Kommentaren. Come on, da ist mehr drin. Schreibt ’nen Songtext für mich! 😉
gebongt, …ich mach das wie Bob und google dir was
@Dennis such dir was aus http://www.business-punk.com/wp-content/uploads/2017/03/anatomy-of-songs.jpg