Video: “Jerry Lee Lewis will never be understood” – Kenny Vaughan

“I’ve always said, for many years, that George Jones was the best country singer but Jerry Lee Lewis is my favorite county singer and that’s just the truth of the matter. […] He’s some kind of freaky genius, man, I mean, [when recording] he’s cutting everything live, his vocal and piano are going down live and he’s not going to fix anything, he’s not gonna play it again. […] People don’t understand the magnitude of the talent that guy has. He does things with music that nobody ever did, he owns it. […] There’s nobody alike him, he’s the king and he will never be understood by 99.9 % of all music people on this earth, people, they just don’t get it.” Kenny Vaughan

Rab Noakes: „Under the Rain” (1984)

Mitte der 1980er Jahre lief ich bei einem Besuch bei meiner Großmutter in Berlin alleine in den Schallplattenladen im Europcenter in der Nähe der Gedächtniskirche am Ku’damm. Im Laden lief Musik, die mich sofort elektrisierte. Ich fragte den Verkäufer und er zeigt wortlos auf ein Plattencover auf einem Regal, gerade vom Vertrieb eingetroffen und gleich auf den Plattenteller gelegt. Zum ersten Mal hörte ich (evtl. als einer der ersten in Berlin/Deutschland/Kontinentaleuropa) das Album „Under the Rain“ (1984) des schottischen Singer/Songwriters Rab Noakes, der Verkäufer wollte sich wohl gerade selbst mal ein Bild davon machen. Ich kaufte das Album sofort, machte mir daheim eine Kassette und die hörte ich jahrelang auf meinem Walkman, immer und immer wieder. Mir ist sie geläufiger als viele Hits der 80er, ich kennen sie in- und auswendig. Noakes ist ein großartiger Sänger, tolle Phrasierung, er sang schon Background für u.a. Gerry Rafferty und er macht weiterhin Alben bis zum heutigen Tag.

„Under the Rain“ (11 Tracks, 37 Min) erschien nie auf CD und ist bis heute auch nicht als Download oder Stream erhältlich. Kann mir vorstellen, dass dem lizenzrechtliche Umstände zugrunde liegen, sicherlich liegt es nicht an der Musikqualität, ich halte es für sein bestes Album überhaupt. Damit es wenigstens indirekt erhältlich ist und nicht vollkommen in Vergessenheit gerät, habe ich einige Einzeltitel jetzt als Videos mit Foto des Albumcovers auf Youtube eingestellt. Mal sehen, ob es jemanden außer mich interessiert.

Mein Vinylalbum von damals ist übrigens noch wie neu, habe es nur einmal abgespielt um die Kassette zu ziehen, danach nie wieder aus der Hülle genommen. Hat alle Umzüge überlebt und steht unversehrt in meinem Wohnzimmerschrank.

Spotify Multimillionär

Seit diesem Montag bin ich Spotify Multimillionär. Im Frühjahr 2019 hatte ich darüber berichtet, dass der von mir produzierte Track „Jolene“ mit Sunny Sweeney vom Album „Sideburner“ (2006) stramm auf die 500.000-Marke zusteuert. Seitdem kamen jeden Tag 1-2000 Zugriffe dazu. Ende 2019 wurde bereits die eine Millionengrenze überschritten, die täglichen Zuwächse verlangsamten sich zwar zuletzt etwas, aber zwei Jahre später wurde nun mit 2.000.202 die Zweimillionengrenze geknackt, was mich offiziell zum Spotify Multimillionär macht. Wer hätte das gedacht? Die kuriose Vorgeschichte und die unwahrscheinliche Wendung zum Track hatte ich bereits in einem anderen Artikel beschrieben.

Dabei hatte ich doch von Anfang an alles falsch gemacht, was man nur falsch machen kann. Der Track und das dazugehörige Album hatte ich 2005/06 wider besseres Wissen produziert und finanziert, obwohl es weder eine feststehende Band, noch ein Publikum und schon gar keine Zuhörerschaft oder Konzerttermine gegeben hatte. Von der gepresstes CD habe ich vielleicht gerade mal 100 Stück verkauft, der Rest steht heute noch eingeschweißt und verpackt bei mir im Keller. 2007 hat das Label Fuego aus Bremen alle meine bis dahin entstandenen Alben ins Portfolio übernommen und zuerst zum Download, später als Stream angeboten. Dann passierte lange Zeit gar nichts, ich hätte es auch gar nicht mitbekommen, weil ich selbst immer noch CDs kaufte und nur MP3s hörte, die ich selbst digitalisiert hatte.

Zum Jahreswechsel 2018/19 fiel dem Label auf, dass sich etwas bewegte und gab mir Bescheid. Hatte damit zu tun, dass der Song „Jolene“ (von Dolly Parton) auf einmal in verschiedenen Versionen eine Renaissance erlebte, z.B. von Miley Cyrus, White Stripes, BossHoss etc. Dass die texanische Sängerin Sunny Sweeney in den US-amerikanischen Country-Charts vertreten war und plötzlich einer größeren Zuhörerschaft bekannt wurde, hat sicher auch nicht geschadet. Ganz allgemein haben digitale Streamingplattformen in den Jahren aber auch grundsätzlich sehr viele Abonnenten dazugewonnen und so wurde die Gesamtzahl der Streams beträchtliche nach oben getrieben.

Ca. 14 Jahre nach seiner ursprünglichen Entstehung fand der Track also doch noch sein Publikum. Hatte aber leider keine Auswirkung auf andere Tracks vom Album oder gar andere meiner Alben, die dümpeln im Vergleich so vor sich hin, obwohl es meiner eigenen bescheidenen Meinung nach bessere Tracks von mir gibt als ausgerechnet „Jolene“, aber was den Leuten gefällt kann man sich bekanntlich nicht aussuchen und „the public is always smarter than you.“ (John Mayer), also was weiß ich schon? Ich kann nur leider noch nicht mal musikalisch anschließen. Zu Sweeney selbst hatte ich nie direkt Kontakt, die Bandmusiker waren ein zusammengewürfelter Haufen, an Aufnahme, Mix & Master kann ich mich nicht mal mehr richtig erinnern, irgendwelche mystischen Geheimnisse gab es aber wohl nicht, das hätte ich mir gemerkt.

Gerade weil es so ein Zufallstreffer war, hofft man als produzierender Musiker natürlich, dass das nochmal passiert, man hat ja jetzt den Beweis, dass es klappen kann, dass man auch mit einem obskuren Track aus der fränkischen Provinz viele Menschen erreichen und weltweit Erfolg haben kann. Aber, wenn auch die eigenen Veröffentlichungen qualitativ besser und quantitativ häufiger geworden sind, so konkurriert man inzwischen buchstäblich und wortwörtlich gegen die ganze verdammte Musikwelt da draußen und es ist immer unwahrscheinlicher, dass man gehört wird, weil die anderen natürlich zum großen Teil mit abartigen Tricks und Budgets operieren. Wie soll man da als One-Man-Show was gestemmt kriegen? Und dann auch noch mit eigenen Songs, außerhalb des Mainstreams und ohne die traditionelle Wirkungsplattform Konzerte um seine Musik zu Gehör zu bringen.

Wie auch immer, ich muss jedes Mal grinsen, wenn ich alle paar Wochen die Zugriffe auf meine Musik checke oder in der Labelabrechnung nachlese. Hin und wieder guck ich auch in die Statistik und staune, wo auf der Welt meine Musik überall gehört wird. Gar nicht so sehr in meinem Heimatland, dafür viel in den USA, Kanada und Australien. Zusammen genommen sind es mehrere Millionen Menschen, die meine Musik einmal gehört haben, ist schon irre. Davon werde ich zwar nicht reich, aber es ist schon mehr als okay, könnte durchaus schlimmer sein. Ich bin nur immer wieder beeindruckt bis irritiert von der Diskrepanz zwischen regionalem Misserfolg und globalen Zugriffen, schon auch bissl schizzo.

Freue mich jetzt auf 3M als nächstes Etappenziel. Und wer weiß, vielleicht passiert doch noch ein Wunder und einer meiner anderen Tracks nimmt Fahrt auf, verdient hätten sie es alle! Wirklich.

Highway Butterfly: The Songs of Neal Casal

Irgendwann Mitte der 90er, es könnte ’94 gewesen sein, hörte ich durch einen Zufall ein Solo-Konzert des US-amerikanischen Singer/Songwriters Terry Lee Hale. Es war im Freien auf einer klitzekleinen Bühne vor dem Gebäude der Neuen Welt, einem kleinen, aber traditionsreichen Folkklub in Ingolstadt und ich war ein junger, total abgerannter Student mit ziemlich ungewisser Zukunft. Eigentlich war ich gar nicht wegen ihm gekommen, aber seine knochigen Songs, seine reduzierte Performance und nicht zuletzt sein Outfit (Anzug, dazu Cowboystiefel & Deckhaar nach hinten zum Zopf gebunden) beeindruckten mich zutiefst und ich konnte einfach nicht weitergehen, hörte mir als einer von sehr wenigen Zuschauern das Konzert bis zum Schluss an. Als er sein Set beendet hatte, ging ich zu ihm, unterhielt mich mit ihm und wollte eine CD kaufen, hatte aber nicht genug Geld in der Tasche. Hale erkannte die Situation, nahm, was ich hatte und erließ mir den Rest. Sein Album „Tornado Alley“ wurde dann zu einem entscheidenden Wendpunkt für mein musikalisches Leben. Ich liebte das Album, hörte es wochenlang, Tag und Nacht, rauf und runter, spielte und sang die Songs nach, lernte die Texte, schrieb letztlich meine Diplomarbeit über seinen Spielstil und verfolge seine weitere Karriere bis heute. Was aber mindestens genauso entscheidend war: „Tornado Alley“ (und weitere Alben) erschienen auf einem deutschen (!) Label und wurde durch einen deutschen (!) Albumversand vertrieben. Ich wurde sofort Kunde bei Glitterhouse, bekam monatlich das pergamentdünne Heftchen geschickt und bestellte viele, viele weitere Alben. Anfangs gerne diverse Labelkompilationen „Out of the Blue 1-12“ oder „Luxury Liner 1-4“. Hier kam ich zum ersten Mal in Kontakt mit Musikern und Bands wie Hazeldine, The Walkabouts, Chris & Carla, Richard Buckner, Whiskeytown, Chris Burroughs, Lambchop u.v.a. mehr. Allerdings stach ein Musiker von allen für mich heraus: Auf „Luxury Liner 1“ war der allerletzte Track von einem Neal Casal und allein dieser eine Song haute mich echt um. Ich bestellte mir sein Debutalbum „Fade Away Diamond Time“, das erst bei Zoo, später dann bei Glitterhouse direkt erschien und dieses eine Album wurde zu Vorbild, Maßstab und Blaupause für alles, was ich unter eigenem Namen veröffentlichte, insbesondere für mein Debutalbum „2174“ (2004).

Damals war Casal aufgrund unglücklicher Umstände längst vom ursprünglichen US-Label fallen lassen geworden, musste sich als Independent Artist, zum Teil ohne feste Band durchschlagen. Mit seinem sensationellen Debut hatte er bewiesen, wozu er fähig war, wurde aber trotzdem um eine entsprechende Karriere und Anerkennung betrogen. Trotz dieses ungeheuerlichen Tiefschlags machte er weiter und weiter, schrieb Songs, machte Demos, produzierte Alben mit niedrigsten oder gar keinen Budgets, erspielte sich Publikum und Fans in Mittel und Nordeuropa, fernab seiner Heimat. Neben seinen Solo- und Ensembleprojekten (Hazy Malaze) spielte er in kommenden Jahren bei Lucinda Williams, Ryan Adams, Chris Robinson Brotherhood (CBR) und Circles Around the Sun, war quasi dauerhaft auf Tournee, wirkte mit bei unzähligen Aufnahmen, produzierte Alben anderer Künstler, nicht zuletzt überzeugte er als geschmackvoller Analogfotograf (s/w). Insgesamt veröffentlichte Neal Casal 12 Alben unter eigenem Namen, drei unter Hazy Malaze, vier unter Hard Working Americans, drei unter Circles around the sun u.v.a. mehr. Ich besitze und kenne sie alle.

Während meiner Afrika-Film-Reise im August 2019 erreichte mich die Kunde von einem Freund, dass Neal Casal Suizid begangen hat. Die Nachricht haute mich komplett aus den Latschen. Ich saß alleine mit einem Gecko in einem deprimierenden Resort irgendwo in Tansania in einer Rundhütte, war erschüttert und konnte nicht glauben, dass er einfach gegangen war. Zum Trost hörte ich in der folgenden Nacht mehrmals das komplette Album „Fade Away Diamond Time“ durch und es entschlüsselten sich mir etliche Textpassagen, die für mich zuvor keinen rechten Sinn ergeben wollten. Z.B. aus „Free to go“: „It must have something to do with letting go”, aus: „Maybe California”: “He spent his time like a dollar, lived is fast and lived free”, “Maybe Someday I‘ll see you“, “So may these pages bring your words to life”, aus “One Last Time”: “Let me kiss you one last time”, aus “These Days”: “Long may you run,… may you never go before your time has come”. Es klingt als hätte er diese Zeilen zu sich selbst gesungen. Über die näheren Umstände seines Todes wurde nichts bekannt. Es hatte zu dem Zeitpunkt aber den Anschein, als sei sein Energiereservoir für den unfassbar anstrengenden Lebenswandel verbraucht gewesen, als hätte er alle Hoffnungen aufgegeben. Für mich blieb der Eindruck als sei mit seinem freiwilligen Tod auch seine inspirierende Musik in irgendeinem tiefen Canyon verklungen.

Dann geschahen ein paar wunderschöne Dinge:

Am 12.10.2020 fand unter dem Titel „There’s a Reward: A Celebration of the Life & Music of Neal Casal” im Capitol Theatre, Port Chester, New York ein fast 6-stündiges Tribut- und Gedenkkonzert statt, initiiert und moderiert von Gary Waldman, mit musikalischen Gästen wie Chris Robinson, Steve Earle, Hazeldine und sehr vielen anderen.

Ab Mitte September 2021 erschien in wöchentlichem Abstand jeweils eine Episode des umfangreichen Podcast: „Highway Butterfly: The Stories of Neal Casal“, in den bisher 13 ca. ein-stündigen Episoden kommen musikalische Weggefährten wie der Organist John Ginty, der Musikmanager Gary Waldman, die Bluesgitarrenlegende Warren Haynes und der Studioingenieur Jim Scott zu Wort und erzählen ausführlich, unterhaltend und pointenreich von gemeinsam Erlebnissen um und mit Neal Casal.

Mitte November erschien die 41-Tracks umfassende Tribut-Kompilation „Butterfly Highway: The Songs of Neal Casal“ mit Musikern und Bands wie: Marcus King, Billy Strings, Susan Tedeschi, Kenny Roby, Warren Haynes, Puss N Boots, The Allman Betts Band, und vielen anderen mehr. Sehr, sehr hörenswert.

Zusätzlich wurde die Neal Casal Music Foundation gegründet: “A Foundation created to inspire future musicians und bring mental health support to musicians already on the path.” Man kann das Projekt mit Spenden und Käufen unterstützen. Im Onlineshop ist das Kompilationsalbum „Butterfly Highway“ in hochwertiger Pressung als 5-LP-Edition mit Zusatzmaterialien erhältlich, dazu Mützen, T-Shirts etc.

Trotz der unermesslichen Tragik seines Ablebens ist es durch dieses ungewöhnliche, kollektive Engagement gelungen die Musik und das Leben des großen Songschreibers, Sängers und Gitarristen Neal Casal gemeinsam und für andere zu würdigen, zu feiern und zu zelebrieren. Es kommt spät, aber es findet statt, seine Musik wird gehört, interpretiert, seine Lieder gespielt und gesungen. Seine wunderschönen Songs leben auf diese Weise weiter, in Setlisten, Konzerten, Aufnahmen, Videos, Produktionen, Podcasts, LPs, Texten, Webseiten, Blogs und den Herzen seiner Bewunderer. Ich denke, das hätte ihm gefallen. Danke, Neal Casal.

Krise? Welche Krise? (KW28/2020)

Über zu wenig Arbeit oder Aufgaben kann ich mich in den letzten Monaten wirklich nicht beschweren, ganz im Gegenteil. Instrumentalunterricht habe ich nach den Osterferien auf Videoübertragung umgestellt, war deutlich einfacher als vorab befürchtet und lief gut bis sehr gut, weil fast alle Schüler anstandslos mitgemacht haben. Mittlerweile habe ich größtenteils wieder auf Präsenzunterricht umgestellt, einige Schüler habe ich verloren, dafür sind andere dazu gekommen. Die Absage aller Konzerte bis in den Herbst 2020 war dann auch weniger gravierend als gedacht. Zum großen Teil gab es anteilige Ausfallgagen oder private oder öffentliche Veranstaltungen wurden in beiderseitigem Einverständnis terminlich verlegt. Bis auf wenige Ausnahmen haben sich alle Beteiligten ehrenwert und anständig verhalten und eine faire Lösung gesucht. Weiterlesen

Seltsame Zeiten (KW15/2020)

Das sind schon seltsame Zeiten gerade. Erst wurde das öffentliche Leben zurückgefahren, kurz danach fast auf Null gesetzt. Zum Zeitpunkt des Lockdown wurden mir alle vereinbarten Konzerte bis in den Sommer innerhalb weniger Tage ersatzlos storniert. Auch der Instrumentalunterricht wurde unter Androhung hoher Bußgelder von heute auf morgen offiziell untersagt. Dadurch bin ich de facto mit einem vollumfänglichen Berufsverbot belegt und erziele derzeit keinerlei aktive Einnahmen mehr.

Auf der anderen Seite dürfen auch meine vier schulpflichtigen Kinder nicht mehr zur Schule gehen. Stattdessen wurde die Familie täglich, insbesondere die Eltern von einer vollkommen unkoordinierten Email, SMS- und Whatsapp-Nachrichten-Lawine zugeschüttet. In der ersten Woche mehr als 50 Einzelmails, zum großen Teil mit Anhängen zum Ausdrucken, Links zum Ansehen, Aufgaben zum Ausfüllen wieder einscannen und zurückmailen, der Mebis-Server regelmäßig überlastet, dazu Instrumentallehrer, die wahlweise per Festnetz, Smartphone, Videoschalten etc. unterrichten wollen, bei minutengenauem Beginn der Einheit, aber anrufen tun sie freilich nicht. Tag und Nachtzeiten gelten nicht mehr, Wochenende ist anscheinend gleich mitabgeschafft worden, es trudeln Mails an jedem Wochentag, rund um die Uhr, Tag und Nacht ein. Die Lehrer drohen ganz nebenbei aber erstaunlich offen damit, dass der verordnete Stoff, den sie den Kindern nicht beigebracht haben, nach den Ferien als erarbeitetes und überprüfbares Grundwissen gilt. Während alles um uns herum in Frage steht und zusammenbricht, ist die größte Sorge der bayerischen Lehrer, dass sie nach der Krise vielleicht etwas vom Lernstoff aufgeben müssten, dass ein paar Lateinvokabeln nicht ganz so gut sitzen oder dass ein Arbeitsblatt über das endoplasmatische Retikulum nicht sorgfältig genug ausgefüllt wurde.

Aufnahmen in den eigenen vier Wänden zu machen ist mir bis jetzt immerhin nicht verboten worden und so konnte ich gut an Produktionen anschließen, die noch vor dem Lockdown gestartet worden waren. Hinzu kam die Veröffentlichung von Videos, die bereits in der Pipeline waren, wie der Bondsong „No Time to Die“, sogar in zwei Versionen, die dann aber mächtig versandeten, weil erstens der Bondfilm nicht wie geplant Anfang April in den Kinos anlief, sondern kurzerhand um ein halbes Jahr verschoben wurde und weil zweitens gerade jeder Musiker der ein Mikro bzw. ein Smartphone halten kann, irgendwelche zweit- und drittklassigen Quarantänevideos ins Netz stellt, natürlich alles kostenlos und im Auftrag der Kultur und für die Kulturinteressierten, die gerade ganz andere Probleme haben oder einfach nur in Ruhe netflixen wollen. Man sieht auf einmal wie weltfremd Mittelklassekultur erscheinen kann, wenn mal wirkliche Probleme vor der Tür stehen und Existenzen massiv bedroht sind.

Trotz Krise war es bis jetzt so, dass ein Auftritts- und Unterrichtsverbot natürlich auch Freiräume schafft und die nutze ich so gut es geht. Dazu gehört alles, was man alleine oder auf Distanz tun kann, z.B. die Fertigstellung von Produktionen, Artwork, Vorbereitung der Veröffentlichung etc. Schade nur, dass lokale und regionale Medien wegen der monothematischen Berichterstattung quasi nicht mehr ansprechbar sind. Ich habe derweil Pläne erstellt und Konzepte für zukünftige Projekte erarbeitet. Unterwegs ist bereits das Minialbum „Vom Ursprünglichen“ mit einer fünf-sätzigen interdisziplinären Komposition der jungen Cellistin Nina Clarissa Frenzel, seit dieser Woche in der heißen Phase außerdem das Kompilationsalbum „So klingt Würzburg 2020!“ mit einer Auswahl eigener Produktionen der letzten beiden Jahre. Soundtechnisch fertiggestellt werden gerade dazu noch die zwei Hörspiele „Pico“ (Martina Schütze) und „Living in the Shadows“ (Dennis Schütze) und ein eigenes Minialbum in kleiner, akustischer Besetzung inkl. zwei Videos. Die Arbeit geht mir nicht aus, das Geld vielleicht schon, mal sehen, aber man gibt ja auch deutlich weniger aus, wenn die Läden weitgehend zu sind und der Konsumrausch mal für eine Weile Pause hat.

In dieser Woche werde ich mich auch etwas intensiver meinem Blog widmen, der seit Ende letzten Jahres etwas gelitten hat, weil einfach zu viel los war und ich noch dazu kein so großes Mitteilungsbedürfnis hatte. Jetzt zwar auch nicht so wirklich, aber es haben sich viele Notenausgaben angesammelt, die besprochen werden müssen, sonst machen die Verlage zurecht Ärger.

Und sonst so? Habe nach einem Eigengewichtsmaximum Anfang Januar beschlossen die Ernährung umzustellen und abzunehmen. Seit mittlerweile drei Monaten (fast) kein Alkohol, keine Süßigkeiten und kein Abendbrot, dazu regelmäßige Bewegung und seit einigen Wochen wieder Ausdauersport. 8kg sind bereits runter, weitere 8kg sollen bis zu meinem Geburtstag im Juli folgen. Rocket 88, und das gilt es dann zu halten, was vermutlich schwerer wird als die Abnahme, das geht eigentlich sogar.

Ich hoffe nur, die Schulen machen bald wieder auf. Sonst sterben wir in unserer Wohnung nicht an Corona, sondern bringen uns demnächst gegenseitig um und das wäre doch auch irgendwie schade, oder nicht?

OP: Zwölf Monate später (KW48/2019)

Old man, take a look at your life.
(Neil Young, 1972)

Nahezu auf den Tag genau vor zwölf Monaten wurde im Zuge einer OP mein gerissenes Kreuzband im rechten Knie mit einer körpereigenen Sehne ersetzt. Gemäß meines physiotherapeutischen Nachbehandlungsplans habe ich die ersten Wochen tagsüber eine post-operative 4-Punkt Orthese getragen, nachts eine Mecronschiene, zur Fortbewegung habe ich immer Krücken verwendet und das operierte Bein nur mit 20% belastet. Nach sechs Wochen begann das Aufbautraining, das von physiologischer Betreuung begleitet wurde: Zweimal die Woche Physiotherapie und zweimal die Woche Lymphdrainage. Es war atemberaubend wie sehr sich meine Muskulatur ums Knie in den sechs nahezu bewegungslosen Wochen zurückgebildet hatte. Weiterlesen

Spotify Millionär

Seit diesem Wochenende bin ich Spotify Millionär. Im Frühjahr hatte ich darüber berichtet, dass der von mir produzierte Titel „Jolene“ mit Sunny Sweeney vom Album „Sideburner“ (2006) stramm auf die 500.000-Marke zusteuert. Seitdem kamen jeden Tag 2-3000 Zugriffe dazu. Ein knappes Halbjahr später wurde nun die erste Million geknackt und es sind schon wieder 5K dazu gekommen. Die Reise scheint also weiter zu gehen und ich beobachte das ungläubig. Die kuriose Vorgeschichte und die unwahrscheinliche Wendung hatte ich bereits im erwähnten Artikel beschrieben.

Schade nur, dass der Song nicht von mir stammt und ich nicht gesungen habe. Lediglich Gitarre und Produktion stammen aus meiner Hand. Schade auch, dass sich die hohen Zugriffszahlen nicht erkennbar auf andere meiner Titel auswirken. Nicht einmal die andere Produktion mit Sunny Sweeney („Jackson“, selbes Album), bei der ich als Duettpartner auch singe, kann außergewöhnliche Zugriffe verzeichnen.

Als frisch gebackener Spotify Millionär freue ich mich und bin enttäuscht gleichzeitig. Mehr als eine Million Menschen weltweit haben eine Produktion von mir gehört und doch wirkt die Information nicht wahr und wirklich, sondern wie ein riesiger Fake, denn ich spüre in meinem kleinen Leben überhaupt keine Auswirkungen. Na gut, der Quartalsscheck des Labels ist etwas höher als in den Jahren zuvor, aber gemessen an den Zugriffzahlen immer noch mickrig. Die Kosten der Produktion sind auch gut zehn Jahre später längst nicht gedeckt. Es gibt aufgrund dieses Erfolgs auch nicht mehr Interesse an meiner Arbeit als zuvor. Keinerlei Zuwachs bei Produktions- oder Konzertanfragen. Was soll’s, ich mach einfach weiter und arbeite an der nächsten Million, würde demnächst gerne noch Spotify Multimillionär werden. Das sollte zu schaffen sein, wenn die Zugriffe nicht so plötzlich zurückgehen, wie sie gekommen sind. „I can not compete with you, Jolene!“

PS: Kann mir mal jemand sagen, was ich machen soll, wenn meine Auftrags- und Einkommenssituation sich nur aus irgendwelchen Zufällen zusammensetzt? Irgendwas halt, im Zweifel das, was Freude bereitet und erfüllt, würde ich mal behaupten. Verstehe ich zwar nicht, aber ich fahre bisher ganz gut damit.

Again: All the best to Sunny Sweeney, wherever you may roam.