William Saroyan (1908-1981) war ein US-amerikanischer Schriftsteller und Drehbuchautor armenischer Herkunft. Seine Geschichten beschreiben oft das Leben einfacher Einwanderer im Kalifornien der 1930er und 1940er Jahre. 1940 gewann er den Pulitzer Preis, dessen Empfang er jedoch aus persönlichen Gründen ablehnte. Der britische Autor Stephen Fry bezeichnet Saroyan als „one of the most underrated writers of the [20th] century“ und stellt ihn auf eine Stufe mit Hemingway, Steinbeck und Faulkner.
Der Autor William Saroyan dürfte den meisten deutschen Literaturinteressierten, vermutlich sogar vielen Amerikanisten nicht geläufig sein. Die wenigen seiner Romane und Kurzgeschichten, die überhaupt einmal ins Deutsche übersetzt wurden, sind seit Jahren vergriffen und nur antiquarisch erhältlich. Auch im amerikanischen Original ist die Auswahl übersichtlich. Meist handelt es sich um eine Wiederveröffentlichung seines Romans „The Human Comedy“, der die Vorlage für eine einst prominente Verfilmung diente, die heute kein Mensch mehr kennt. Gesammelte Werke, gar eine kommentierte Gesamtausgabe sind bedauerlicherweise nicht erhältlich.
Nun hat immerhin der deutsche dtv-Verlag eine Auswahl von Short Stories erstmals übersetzen lassen. Die 16 Geschichten stammen hauptsächlich aus den späten 1930er Jahren und wurden bei verschiedenen amerikanischen Verlagen in Storykompilationen erstveröffentlicht. Als Übersetzer konnte der erfahrene und renommierte Fachmann Nikolaus Stingl gewonnen werden, der bereits andere amerikanische Autoren wie John Irving, Thomas Pynchon und William Faulkner übersetzt hat. Und um es gleich vorwegzunehmen: Seine Übersetzung ist ganz herausragend gut gelungen, obwohl es sicherlich eine fachliche Herausforderung gewesen ist, die Atmosphäre der Beschreibungen und Dialoge der depressionsgebeutelten US-amerikanischen Westküste in die sprachliche Gegenwart des Deutschen zu transkribieren. Die Übersetzung wirkt unangestrengt, geschmeidig und adäquat, drängt sich niemals in den Vordergrund, dient dem ursprünglichen Text, ja, lässt ihn förmlich in neuem Glanz erstrahlen.
Saroyan selbst war Trinker, Spieler, Liebhaber, aber er muss auch ein guter Zuhörer gewesen sein, denn die Begebenheiten von denen er erzählt, kann er sich unmöglich alle selbst ausgedacht haben. Da waren sicherlich viele Abende an Kneipentheken, in Spielsalons und Rendezvous nötig um die alle zusammenzusammeln und die besten daraus in konzentrierter Form zu fiktionalisieren. In seinen äußerst lebendigen und anregenden Geschichten schreibt er von Spielern mit todsicheren Pferdewettentipps, von jungen Sängern im presbyterianischen Chor, von stolzen, mexikanischen Wanderarbeitern, von einem Mann, der eine Zwergin liebt, von einem menschenfreundlichen Versicherungsvertreter, einem desillusionierten Bestatter, einem fetten, sturen, philippinischen Ringer und einem naiven Birnendieb, dem unerhörte Ungerechtigkeit widerfährt. Es geht dabei um Herkunft, Vielfalt der Ethnien, Anpassungsfähigkeit, Selbsteinschätzung, Freundschaft, Loyalität, Ehrlichkeit, Gerechtigkeit, Schicksal, Liebe und Leben, kurz um das gesamte, breite Spektrum universeller Menschlichkeit. Oft sind die Geschichten aus der Ich-Perspektive erzählt, immer wirken sie sehr authentisch, weil sie so nebenbei, ohne jede Herablassung oder Besserwisserei niedergeschrieben sind. Saroyan ist sich seiner Klasse durchaus bewusst, vergleicht einmal seine eigenen Texte mit anderen zeitgenössischen Autoren, Hemingway oder Faulkner, erklärt den Unterschied. Trotzdem wirkt er an keiner Stelle arrogant, sondern offen und empfänglich für alles. Zusammengenommen sind das amerikanische Shorty Stories allererster Güte und man kann Stephen Fry in seiner Einschätzung nur Recht geben. Sehr lobenswert, dass dtv diesem wertvollen Autor diese Neuausgab in deutscher Übersetzung gewidmet hat. Man kann nur hoffen, dass vielleicht noch ein weitere Band oder gar einer seiner Romane folgen wird. Was für ein Gewinn, herzlichen Dank dafür!
Das gebundene Buch erscheint im dtv Verlag, hat 204 Seiten und kostet glatte 20 Euro.