Buch: „Warum wir laufen“ von Ronald Reng

Der deutsche Autor Ronald Reng war als Jugendlicher begeisterter Mittelstreckenläufer. Nach dem frühen Ende seiner Läuferkarriere steigt er als Mitvierziger wieder ein in die Lauferei, macht sich auf die Suche nach seinem eigenen, verlorenen Laufgefühl. Dabei nähert er sich dem Thema einerseits praktisch und baut sein persönliches Training kontinuierlich auf. Andererseits recherchiert er Geschichte und ungewöhnliche Facetten des Volkssports. Im Zuge dieses Prozesses geht es immer wieder um die Frage: Wie und warum laufen wir? Eine interessante Entdeckungsreise in die Welt der Lauferei.

Reng berichtet von seiner eigenen Bewegungsgeschichte und beschreibt wie er nach etlichen Jahren Pause wieder vorsichtig mit regelmäßigem Laufen beginnt. Er erstellt, kippt und erneuert seine Trainigspläne, besucht Lauftreffs, informiert sich bei Spezialisten über den idealen Laufstil, es geht um Flow, Ernährung, Atmung, Verletzungen, Psyche, Freiheit, Talent, Wissenschaft, Trainingsmethoden und Gesundheit. In einigen interessanten Exkursionen beschreibt er die historische Entwicklung des Laufsports für Mädchen und Frauen in Deutschland, die letztlich auch viel über die gesellschaftliche Grundstimmung der Bonner Republik verrät.

Der Autor pflegt einen unterhaltsamen, zugänglichen und informativen Stil. Er beschreibt allgemeine Erfahrungen aus persönlicher Sicht und eröffnet die ein oder andere ungewöhnliche Perspektive. Am Ende ist es ein nettes, vielseitiges Lesevergnügen, insbesondere für frostige Wintertage, eine praktische Anleitung oder Motivationshilfe ist die Schrift nicht. Ganz im Gegenteil hat man den Eindruck, dass das Laufen immer weniger Spaß macht, je mehr man sich an Trainingspläne, Ernährungsempfehlungen und technische Messwerte hält. Am besten fahren wohl diejenigen, die einfach 2-3 Mal in der Woche mit Genuss und ohne Druck eine kurze Strecke laufen oder spazierengehen. Wie und wohin auch immer, ganz ohne Vorgaben.

Idee für Band 2: Als Folgeband könnte Reng ein Buch mit dem Titel „Warum wir nicht laufen“ ins Auge fassen, eine Art Kulturgeschichte des körperlichen Stilstands. Denn mal abgesehen von passionierten und/oder obsessiven Läufern, ist das Problem der modernen Gesellschaft offensichtlich, dass der Mensch zu wenig läuft, nicht zu viel.

Das gebundene Buch erscheint bei Piper, hat 304 Seiten und kostet 20 Euro.

3 Gedanken zu „Buch: „Warum wir laufen“ von Ronald Reng

  1. der „Stilstand“: Schöne Wortschöpfung 🙂

    Noch ein typisches „habe ich mal irgendwo gelesen“: Ansccheinend gibt es auch Forscher, die der Ansicht sind, dass unser Bild der Steinzeit mit ca. 17 Stunden am Tag marschierenden Menschen so wohl eher nicht stimmt. Die gehen davon aus, dass auch damals der Mensch eher kurze Perioden am Tag gejagt oder gearbeitet hat und die restliche Zeit faulenzte. Ob wir also heute wirklich weniger Bewegung haben als damals, ist fraglich. Vielleicht ist es doch nur das Überangebot an Nahrung.
    Fußnote: Es gilt allerdings als mehr oder wneiger sicher, dass es in der Steinzeit nie eine Geschlechtertrennung gab, sondern Männer und Frauen gemeinsam zur Treibjagd aufbrachen. Deshalb sind aus der vermeintlichen Trennung „Mann arbeitet und jagt“ – „Frau kümmert sich um Höhle und Kinder“ abgeleitete Theorien mit Vorsicht zu genießen.

    • @Sven: Dank für den Hinweis zum stillen Stilstillstand. Den Bezug zum Erbe unserer steinzeitlichen Vorfahren habe ich gar nicht erwähnt, aber er wird im Buch tatsächlich kurz gestreift. Aber auch Reng erwähnt, dass sich der menschliche Körper schon wieder verändert hat. Als einschneidende Veränderung gilt dabei der Übergang von „Jagen und Sammeln“ zum Ackerbau vor zig Tausend Jahren. Seitdem wird wohl deutlich weniger gelaufen und mehr darauf gewartet, dass die Saat aufgeht, erblüht und Früchte trägt. Bis das was wird, kann man sich getrost auf’s Sofa legen, ’ne Tüte Chips aufmachen und ’ne Serie anschauen. Wird schon werden!

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