Buch: „Abifeier“ von Eric Nil

Niemand weiß wer Eric Nil, der Autor des Büchleins „Abifeier“, ist. Im Klappentext heißt es, es handele sich bei dem Namen um das Pseudonym eines bekannten Romanautors. Ist das ein plumper Marketingtrick oder ist die Geschichte um die komplizierten Verwicklungen einer modernen Patchworkfamilie rund um die Abifeier der großen Tochter für den Autor zu persönlich um unter eigenem Namen darüber zu schreiben zu können? Wie auch immer.

Im Vorfeld der Feier wird die Familiengeschichte seit der Trennung Stück für Stück aufgearbeitet. Familie mit Tochter und Sohn in Basel, Trennung, der Ich-Erzähler zieht nach Hamburg, die Tochter zieht bald nach, Vater in neuer Beziehung, auch hier sind bereits Kinder vorhanden, der Sohn der Freundin ist im selben Jahrgang an der gleichen Schule wie die Tochter. Zur Feier des Schulabschlusses der beiden kommen die jeweiligen (Ur-)Familien erstmals zusammen und bereits die Sitzordnung an den Tafeln führt zu komplexen Mutmaßungen und Gedankenspielereien. Wer kommt und wer soll neben wem sitzen? Vater und Mutter nebeneinander, obwohl schon seit Jahren getrennt? Oder doch lieber jeweils beim neuen Partner? Und wo sitzen die Kinder? Dazwischen, daneben, ganz woanders? Hinzu kommt, dass die alten Partner die neuen Partner noch gar nicht kennen. Wo soll die erste Begegnung stattfinden? Soll überhaupt eine Begegnung stattfinden? Wie gehen andere Familien mit derlei Sachlagen um? Es wird im Verlauf immer komplizierter und eigentlich sollen ja an diesem einzigartigen Abend die Absolventen, also die Kinder im Vordergrund stehen. Irgendwie wird schließlich eine diplomatische Lösung gefunden, aber auch die muss noch ein paar Mal angepasst werden und schließlich läuft doch einiges anders als gedacht. Etliche, alte Gewissheiten der beteiligten Personen stehen auf dem Prüfstand und müssen korrigiert oder revidiert werden.

Der unbekannte Autor nutzt die organisatorische Rahmenhandlung rund um die lang geplante Feierlichkeit dazu ein Familienpsychogramm zu erstellen. Weil er dabei detailliert die Motivationen der einzelnen herausarbeitet ist der Kurzroman interessant und lesenswert. Allerdings ist die Handlung durch durchwegs vernünftige und emotional kontrollierte Gangart auch etwas eindimensional und langatmig. Trotz der Kürze, hätte das Buch daher nicht wesentlich länger ausfallen dürfen. Am Ende ist die Geschichte komplett auserzählt und jede etwaige Frage beantwortet. Wie es mit den Protagonisten weitergeht, will man da als Leser eigentlich schon nicht mehr wissen. Die wahre Identität des Autors ist an diesem Punkt dann auch schon egal.

Fazit: Einigermaßen unterhaltsame Sommerferienlektüre für Patchworkgeschädigte, bei 160 Seite aber eher was für einen Kurzurlaub.

„Abifeier“ erscheint bei Galiani Berlin, hat 160 Seiten und kostet gebunden 17 €.

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