Nach zweitägiger Anreise und drei arbeitsreichen Tagen war der Sonntag als erster Ruhetag eingeplant. Nach dem Dreh an der Schule (Fr) waren von Samstagmorgen bis zum frühen Nachmittag die Interviews gesichtet und die Audioaufnahmen abgehört worden. Das war aufwändig, aber dringend erforderlich, weil wir Filmemacher die Aussagen der Kinder ja nicht direkt verstehen konnten. Vermutlich waren deswegen während des Drehs Gestik und Körpersprache der Kinder auf mich so eindrücklich gewesen. Christof und Grace gingen stundenlag jedes Interview Stück für Stück durch, danach auch die Lieder, die von den Kindern eingesungen worden waren. Grace übersetzte von Kisuaheli auf Englisch, Christof führte Protokoll, es war eine Heidenarbeit. Ich saß derweil in meinem Zimmer, sichtete Fotos, machte Sicherheitskopien, wählte aus und schrieb am Blogartikel.
Den Samstagabend wurden wir von Grace zu einem Dinner bei Karl eingeladen. Er bewirtet in Shirati durchreisende Ausländer, die mal was anderes essen wollen als R&B (Reis und Bohnen) und das traf auf uns absolut zu. Anscheinend hatte er es und schon von weitem ansehen können, denn er sprach uns auf der Straße an und machte uns ein Angebot, das wir nicht ablehnen konnten. Karl stammt aus dem Libanon, wanderte aus nach Australien und ist als Ruheständler nach Tansania umgesiedelt. Er ist mit einer Einheimischen verheiratet und betreibt nebenberuflich bzw. freischaffend sein spezielles Restaurant bzw. eine Art Catering Betrieb und operiert nur auf Vorbestellung. Karl servierte uns ein orientalisches Festmahl mit Humus, Fladenbrot, Salat, Reis, Erbsen, Rindfleisch etc. Im Vergleich zum ewig gleichen R&B ein kulinarisches Freudenfest für uns verwöhnte Europäer und wieder einmal ein Grund sich zu fragen, warum keiner der ortsansässigen Tansanier auf die Idee kommt schmackhaftes und variantenreiches Essen anzubieten.
Am Sonntag stand ich früh auf wie immer, denn ich wollte mit Grace den Gottesdienst besuchen. Christof entschied sich dazu lieber ausschlafen und blieb im Hotel. Als wir etwas verspätet bei der Kirche ankamen, war schon alles versammelt und der Gottesdienst hatte bereits begonnen. Es waren vor allem Frauen und Kinder in farbenfrohen und prächtigen Sonntagskleidern, ein paar Jugendliche und nur wenige Männer. Grace erklärte später, dass der Gottesdienst einer der wenigen Momente für einfache Frauen ist aus dem mühsamen Alltag auszubrechen und nicht an Haushalt, Kochen und Ehemänner zu denken. Er wurde viel gesungen, getanzt, aber auch gepredigt und gebetet. Mehrmals gab es auch den Aufruf zu diversen Kollekten. Ich wurde irgendwann vorgebeten und der Gemeinde vorgestellt, Grace übersetzt mein improvisiertes Grußwort. Immer wieder stand ein kleiner Chor und sang herzzerreißend schön zum Playback, davor eine kleine Gruppe, die in einer Art Linedance dazu tanzte. Die Veranstaltung war so emotional und intensiv, dass ich mich nicht traute ein Foto zu machen, es wäre nicht angebracht gewesen diese Andacht zu stören.
Nach der Kirche versammelte sich die Gemeinde in einer Art Halbkreis, man ging aneinander vorbei, reicht sich die Hand, begrüßte sich, stelle sich gegenseitig vor, es war sehr, sehr schön. Danach waren Grace und ich noch kurz bei der Frau des Direktors des Hospitals zu einem Kaffee eingeladen und lernten die Kinder kennen. Der Vater war zu diesem Zeitpunkt (So-Mittag) schon längst wieder beim medizinischen Dienst in seiner Wirkungsstätte.
Den Nachmittag nutzen wir, nun wieder mit Christof, zu einem Ausflug zum nahegelegenen Viktoriasee (ca. 6km). Leider ist das gesamte Ufer des riesigen Sees von einem Parasiten befallen, einem Wurm der bei Kontakt die Haut durchbohrt und sich im menschlichen Körper einnistet. Obwohl das Wetter zum Baden einlud, besichtigten wir daher eine alte, von deutschen errichtet Anlegestelle (Old German Harbour), am Horizont segelten ein paar einheimische Fischer vorbei. Das war’s aber auch schon. Dann ging’s nach hause, kleiner Snack am Markt und der Sonntag war vorbei. Heute Abend ohne Tatort.
Schade natürlich, das du keine Fotos vom Gottesdienst machen konntest. Bei uns, ich war katholisch, wurden allerdings auch keine Fotos während des Gottesdienstes geschossen. Interessant, dass wohl fast überall, auch bis in entlegenste Ecken, Spiritualität anderer respektiert wird. Ich meine, sonst fotografiert man ja mittlerweile alles, was einem so vor die Linse kommt.