Buch: „Der junge Doktorand“ von Jan Peter Bremer

Für seinen letzten Roman „Der amerikanische Investor“ (2011) erhielt Jan Peter Bremer diverse Literaturpreise. Sein aktueller Kurzroman „Der junge Doktorand“ (2019) gelangte im Vorfeld der Frankfurter Buchmesse auf die Longlist des Deutschen Buchpreises. Es handelt sich dabei im Grunde um ein bescheidenes Kammerspiel in Prosaform. Ein alter Künstler und seine Ehefrau empfangen den lang angekündigten Besuch eines jungen Mannes, der vermeintlich über das Leben und Werks des Künstlers forschen und später schreiben will. Schnell stellt sich heraus, dass das in Wirklichkeit gar nicht der Fall ist, sondern es sich nur um einen Besuch aus Freundlichkeit handelt. Eigentliches Thema ist das Verhältnis der Figuren zueinander, insbesondere die Beziehung zwischen Herrn und Frau Greilach. Hier tun sich zum Teil Abgründe von Gehässigkeit und Peinlichkeit auf, dazwischen steht der junge Mann, der die gesamte Geschichte über wortkarg und blass bleibt und lediglich als Auslöser der Geschehnisse fungiert.

Allerdings ist die Bezeichnung ‚Geschehnisse‘ fast schon übertrieben, denn es passiert eigentlich fast nichts. Die ganze Geschichte spielt sich innerhalb von einem Abend und dem darauffolgenden Morgen statt und besteht zum größten Teil aus giftigen Dialogen und selbstverliebten Monologen. Alles passiert im Wohnzimmer, eine eigentliche Handlung findet nicht statt.

Der „Roman“ wäre womöglich besser als sarkastisches Bühnenstück für drei (noch besser zwei) Personen geraten. Dann stünde er in der Tradition von Beziehungsgrotesken wie „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“ (1962) oder „Der Gott des Gemetzels“ (2006). Leider kann Bremers Büchlein nicht eine vergleichbare literarische Qualität entwickeln. Seine Beobachtungen sind interessant, seine Formulierungen vollendet, aber die Geschichte zündet irgendwie nicht. Die ersten hundert Seiten hält man das wohl oder übel aus, weil man erwartet, dass irgendwann die große, überraschende Wende folgt und das ganze Fahrt aufnimmt, aber es passiert nichts. Weder, wenn die Ehefrau erfährt, dass der junge Mann gar kein Doktorand ist, noch wenn der Künstler erfährt, dass der junge Mann gar keine ernsthafte Recherche betreibt, sondern einfach nur gehen will.

Einige Äußerungen des Ehepaares sind klug und unterhaltsam, aber das reicht nicht um die Spannung zu halten oder die Aufmerksamkeit des Lesers zu binden. Für die knapp 180 Seiten hat der Rezensent drei Wochen und mehrere Anläufe gebraucht, weil die Geschichte einfach zu langweilig ist und nicht in die Gänge kommt. Einzige Überraschung am Ende ist, dass die Geschichte unvermutet aufhört, so als hätte der Autor selbst irgendwann das Interesse daran verloren.

Die Aufnahme dieses Verlegenheitswerks in die Longlist des Deutschen Buchpreises muss auf einem Fehler oder einem großen Missverständnis beruhen. Ganz sicher gibt es andere Kandidaten, die die damit einhergehende Aufmerksamkeit mehr verdient hätten.

Fazit: Der Kurzroman ist nach den Vorschusslorbeeren eine herbe Enttäuschung. Zwar stilsicher formuliert, aber langweilig und ziemlich humorlos. Als Psychogramm einer Ehe viel zu gestelzt, als Groteske viel zu harmlos. Als Leser bleibt man ratlos zurück.

„Der junge Doktorand“ erscheint im Berlin Verlag, hat 178 Seiten und kostet 20€.

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