Also ich weiß ja auch nicht (KW42/2020)

Also ich weiß ja auch nicht, was in diesem Jahr eigentlich abgeht. Seit dem Lockdown im März habe ich das Gefühl pausenlos und ohne Unterbrechung durchzuarbeiten. Und zwar von früh um 8.00 bis manchmal abends um 20.00. Die Art der Arbeit wurde dabei auch neu gewichtet: Sie besteht neben etwas Unterricht vor allem in Konzipieren, Instrumentieren, Arrangieren, Aufnehmen, Aufnehmen, Editieren, Editieren, Editieren, Mixen, Mastern, Fotografieren, Covergestaltung, Videodrehen, Videoschnitt usw. also viele Stunden alleine am Rechner. In meinem ganzen Leben habe ich noch nicht so oft den Recording- und/oder Auslöserknopf gedrückt, geschnitten, getunt und gerückt wie im letzten halben Jahr. Meine Frisur hat schon eine Dauerdelle vom Bügel, weil ich den Kopfhörer fast nicht mehr abnehme!

Anderer Zeitvertreib wie z.B. Bandproben, Booking oder eigentliche Konzerte sind dafür sozusagen komplett weggebrochen. Letzte Woche die erste und einzige Hochzeit, das war echt mal eine Abwechslung und fast schon eine halb vergessene Tätigkeit, immerhin saßen die in den Jahren davor tausendfach gespielten Songs noch wie immer, die Nummern werde ich wohl nie wieder vergessen. Nur meine Kabeltasche habe ich vor dem Gig 1h verzweifelt gesucht, weil ich sie seit Januar nicht mehr gebraucht hatte (hatte meine Frau verräumt!).

Seit meiner Afrikareise im Sommer 2019 habe ich de facto auch keinen Urlaub gemacht. Weder mit der Familie, geschweige denn alleine. Nicht dass ich das ganz dringend bräuchte, Skiurlaub, Strandurlaub oder was in der Richtung mache ich sowieso nicht, aber etwas Tapetenwechsel hätte mir zwischendurch ganz gut getan. Lediglich ein paar Ausritte mit dem Fahrrad habe ich mir im Spätsommer gegönnt und das war auch bitternötig.

Ansonsten war das bisherige Kalenderjahr auch bestimmt durch Fürsorge und Pflege meines Vaters, der Anfang des Jahres gerade noch so alleine leben konnte, dann schwer erkrankte, vom Krankenhaus ins Pflegeheim, kurz danach wieder ins Krankenhaus kam und dort Anfang September verstarb. Ich hatte ihn den ganzen Sommer über im Pflegeheim täglich und in den letzten Wochen im Krankenhaus mehrmals täglich besucht, war an seiner Seite, habe ihn gefüttert und zu trinken gegeben, hielt ihm die Hand bis zu seinem letzten Atemzug. Das war eine sehr intensive, aber auch befriedende Erfahrung für die ich sehr dankbar bin.

Alles in allem also ein absolutes Ausnahmejahr. Wenn‘s nach mir ginge, darf’s sich gerne auch mal wieder auf normal einpegeln, aber sieht ja gerade nicht so aus. Ich habe den Eindruck, mich haben die Erlebnisse und Aufgaben der letzten Monate demütiger, dankbarer und friedlicher gemacht. Ich bin näher bei mir und bereit für das, was da kommen oder auch nicht kommen mag. Schau ma‘ mal, dann seh’n ma‘ schon. Ich weiß es ja auch nicht.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert