Etappe 3 „Spessart Mitte“: Wiesthal bis Bischbrunn

Als ich am Sonntagmorgen um kurz vor 8:00 in den Gastraum meiner Unterkunft trat, hatte ich den Eindruck auf einer Theaterbühne zu stehen, auf der über Nacht sämtliche Kulissen verschoben worden waren. Wirt Kuni und seine wortkarge Thekenstammbesetzung waren nicht mehr da, alles ganz hell, still und friedlich, einige Tische waren bereits mit Liebe zum Detail mit Brötchenkörben, Käse- und Schinkenplatten gedeckt. Eine freudliche Frau wünschte mir einen guten Morgen und fragte nach Kaffee oder Tee, Rühr- oder Spiegelei, wow. Was für ein angenehmer Start in den Tag. Nach dem ausgedehnten Frühstück ging ich wie immer in Klausur, widmete mich der Auswahl der Fotos vom Vortag und schrieb den Blogartikel. Lief gut und das war auch gut so, denn um 12.00 war ich vor dem Wiesthaler Hof mit Landrat Thomas Schiebel zur gemeinsamen Abfahrt verabredet. Um viertel vor Zwölf hatte ich zusammen gepackt und schaute kurz in die Gaststube um mich zu verabschieden. Da war schon wieder Full House, viele Tische besetzt, allerdings ausschließlich Männer, sie spielten Karten, tranken Bier, einige hatte schon ein dampfendes Mittagessen vor sich stehen. Kuni war inzwischen auch aufgestanden und mittenmang, seine kratzige Stimme war einfach nicht zu überhören. Ich bedankte mich brav bei den sympathischen Damen, die Küche und Gäste betreuten, und verabschiedete mich von Kuni. Mach’s gut, alter Junge!

High noon. Pünktlich um 12.00 kam ein kleiner Transporter um die Ecke und der Landrat stieg aus, Mountain Bike im Kofferraum, der Chauffeur fuhr gleich wieder ab. Wir begrüßten uns kurz und dann ging es auch schon los. Von Wiesthal entlang des Aubach nach Krommenthal, von da nach Neuhütten vorbei am Fussballplatz.

Ich sagte noch, jetzt wäre eine kleine Erfrischung recht, da hörten wir Blasmusik in kleiner Besetzung aus dem Sportheim. Weil’s auf dem Weg lag, schauten wir mal vorbei. Es wurde ein Geburtstag gefeiert, die Gäste hatten gute Laune und Jubiliarin Regina lud uns freundlicherweise auf ein Radler ein. Das kam genau zur richtigen Zeit. Es war schön, wir blieben aber nur kurz, wollten ja noch weiter.

Jetzt ging’s erstmal bergauf, rein in den Wald, rauf auf den Rauhberg. Zum wiederholten Male hatte ich den Eindruck beraufwärts zu rollen und bergabwärts schwer treten zu müssen. Spessart der Zauberwald. Vorbei am verwaisten Bischborner Hof (nicht bewirtschaftet), dann lange bergab am Schwarzen Rück zum Gasthof Lichtenau. Hier legten wir eine späte Mittagspause ein und bestellten etwas zu essen. Der sportliche Landrat einen Salat, ich Kartoffelknödel mit Pfifferlingen.

Waren die gut. Mir fiel auf, dass das meine erste warme Mahlzeit seit meiner Abfahrt am Freitag gewesen ist. Die Wirtin hatte den Landrat natürlich gleich erkannt und begrüsst und gab uns noch ein paar Streckentipps mit auf den Weg. Wir entschieden uns für die lange, angenehme Abfahrt durchs Hafenlohrtal, wunderschön. Es war die erste Etappe, die ich in Gesellschaft fuhr und das tat gut. Wir fuhren im Wald und den wenig befahrenen Straßen nebeneinander und unterhielten uns über Gott und die Welt. Vorab hatte ich noch Bedenken gehabt, weil Herr Schiebel ja für seine sportlichen Ambitionen bekannt ist, aber lief alles wunderbar, entweder ließ er sich auf mein Tempo ein oder wir fanden ein gemeinsames, ich bin mir nicht sicher. Es war jedenfalls sehr angenehm und ganz nebenbei haben wir ordentlich Strecke auf den Tacho gebracht. Gemeinsam fuhren wir bis zum Zeltplatz des Landkreises kurz vor Windheim. Dort lagerte gerade eine katholische Jugendgruppe aus Hessen. Hier trennten sich unsere Wege, der Landrat ließ sich abholen, ich bog auf einen Schotterweg Richtung Steinmark.

Da ging’s steil bergauf, fast unmöglich das zu fahren, also schob ich und kam oben an auf einer ausgedehnten Lichtung mit weitläufigen Getreidefeldern, fast hat man den Eindruck der Spessart hört hier auf.

Die pralle Hitze auf den freien Feldern und die leichten Anstiege waren dann doch etwas beschwerlich. Die Dörfer alle wie verlassen, kein Mensch unterwegs oder in den Gärten. Wo sind die nur alle?  Es ist doch Sonntag. Über Straßlücke ging’s nach Bischbrunn von ganz oben bis nach unten, kurioserweise heißt der tiefere gelegene Teil der Gemeinde Oberndorf.

Hier war es vorab schwer gewesen eine Übernachtung für mich zu buchen, dann bot sich die Bürgermeisterin an mich privat in einer Einliegerwohnung einzuquartieren. Sie selbst war zwar als ich ankam unterwegs, aber der freundlicher Schwiegervater ließ mich ein, schnelle Dusche und gleich wieder rauf auf’s Rad und runter zum Fussballplatz. Da lief gerade die 39. Sportwoche, die im Wesentlichen aus einem über mehrere Tage gestreckten Fussballtournier der benachbarten Dörfer und Gemeinden besteht. Die letzten Spiele liefen gerade, als ich ankam. Alles war so wie man sich ein Fussballspiel auf dem Dorf vorstellt. Natürlich gab es leckeres Essen vom Grill und kalte Getränke, dazu selbstgemachten Kuchen in allen Geschmacksrichtungen. Die Bürgermeisterin Agnes Engelhardt erkannte mich schon weitem und kam mit einem Lächeln auf mich zu. Wahrscheinlich war ich der einzige auf dem gesamten Platz, den sie bis dahin nicht persönlich kannte. Wir holten uns etwas zu trinken, setzten uns auf eine Bierbank, neben uns kickten und plagten sich die jungen Leute im warmen Abendlicht auf dem Platz. Frau Engelhardt ist eine sympathische und sehr engagierte Frau. Vor ca. einem Jahr hat sie ein schwerer Schicksalschlag getroffen. Ihr Ehemann, der selbst Bürgermeister gewesen war, verstarb plötzlich und unerwartet. Agnes Engelhardt stellte sich in der Wahl und wurde ohne Gegenkandidat mit überwältigender Mehrheit zur Nachfolgerin gewählt. Auf dem Fussballplatz erzählte sie mir von der Ortsgeschichte und den gegenwärtigen Herausforderungen in Bischbrunn. Den zweiten und dritten Bürgermeister lernte ich Verlauf des Abends auch noch kennen. Zwischendurch wurden mit einzelnen Bürgern schnell Termine vereinbart und Hinweise gegeben, am Schluss Siegerehrung mit Pokalübergabe. Ist schon beeindruckend wie sehr sie und ihre netten, jungen Kollegen sich ehrenamtlich einbringen.

Als der Pokal übergeben war, machten wir uns auf den Nachhause weg, sie auf dem Motorroller, ich auf dem Rad, sie nahm noch etwas übriggebliebenen Kuchen mit, gute Idee. Daheim wartete schon der Schwiegervater im Garten und wir drei aßen zusammen noch etwas von dem Kuchen. Der Schwiegervater ist Gründungsmitglied diverser Vereinen und veröffentlichte als Mitglied des heimatverbundenen Spessartbund eine Wanderkarte für die er u.a. auch selbst die Markierungen setzte. Die Engelhardts scheinen generationenübergreifend engagiert zu sein.

Der Abend wurde noch lang und ging bis spät in die Nacht. Schwiegervater, die Bürgermeisterin und ich unterhielten uns ganz vorzüglich, es war ein sehr anregender Austausch. Es war schon etwas nach Mitternacht, als wir uns gute Nacht sagten, ich legte mich ins Bett und während ich einschlief hörte ich noch, dass hintereinander mehrere heftige Gewitter losbrachen.

Morgen geht’s entlang des Mühlenweges zum Eisenhammer Richtung Hasloch.

7 Gedanken zu „Etappe 3 „Spessart Mitte“: Wiesthal bis Bischbrunn

  1. Auch die 3. Etappe offensichtlich ein voller Erfolg wegen all der netten Leutchen und der schönen Strecke. Vermutlich wieder ordentlich kräftezehrend . Immerhin klingt auch diesmal die Beschreibung in keinster Weise hirnverbrannt trotz der Hitze 🙂 sondern liebevoll detailliert. Freu mich schon auf Teil 4.

  2. Jetzt weißt du auch, wo ich behütet aufgewachsen bin, bevor ich in die „Großstadt“ kam.
    Deine Berichte machen wirklich sehr viel Spaß zu lesen und ich freu mich schon immer auf den Nächsten.

  3. Sehr interessant was man bei einer Radltour alles erleben kann. Wie immer spannend geschrieben Dennis! Das „Heuballenfoto“ würde ich mir gerne mal von dir „ausleihen“, wenn du nix dagegen hast. Weiterhin gute Fahrt. Jetzt wird es ja ein bißchen kühler.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert