Gestern Vormittag habe ich den sog. Loop abgewandert, das ist der Bereich, der von der beruehmten Hochbahn von Chicago in einem Kreis befahren wird. Der Zug heisst „El“ oder „L“ fuer Elevated Train und verstoesst hundertprozentig gegen alle deutschen Laermschutzbestimmungen. Zusaetzlich stehen die Hochgleise zum Teil so dicht an den Gebaeuden der Stadt, dass manche Bewohner theoretisch bequem aus ihren Badezimmerfenstern in den Zug einsteigen koennten. Habe einen netten Notenladen und die Chicago Architecture Foundation besucht und bin dann im Buchladen „Barnes & Noble“ haengen geblieben. In der Musikabteilung habe ich einige interessante Neuerscheinungen durchgeblaettert. Gekauft habe ich „How Music works“ von David Byrne und das Selbsterfahrungsbuch „Zero Guitar“ von Gary Marcus. Danach feiner Lunch bei Chipotle. Nachmittags dann kurzer Ausflug nach Windsor Park, aber schnell wieder ins Zentrum. Abends um 18.00 war eine Autorenlesung von Edward McClelland im Nobles angekuendigt. Ich ging hin und er stellte sein neues Buch „Nothin‘ but Blue Skies“ vor. Es beschreibt denn wirtschaftlichen Niedergang des sog. „Rust Belt“ also Chicago, Detroit, Flint, Cleveland usw. Typisch amerikanisch wird unterhaltsam dargestellt und dabei nicht gejammert, irgendwie hat mir als Europaer eine miesepetrige Kapitalismuskritik gefehlt, die ja in dem Fall durchaus anzubringen waere, trotzdem interessant. Es waren aber nur wenige Zuhoerer da, obwohl es um genau diese Gegend geht. Amerikaner schauen nach vorne, nicht nach hinten.
Nach der Lesung bin ich um die Ecke zum Konzertsaal des Chicago Symphony Orchestra gegangen und habe kurz vor knapp eine guenstige Karte zum Konzert um 19.30 bekommen. Fragt bitte nicht was mich geritten hat, irgendwie spuerte ich gestern als legal Alien eine mir bisher unbekannte Sehnsucht nach europaeischer „Hochkultur“. Das Haus unter der Leitung von Riccardo Muti hat sich fuer Mai 2013 das Thema „Rivers. Nature. Power. Culture.“ vorgegeben, gespielt wurde gestern unter Leitung von Gastdirigent Juanjo Mena das Programm: Smetana: Die Moldau, Takemitsu: Riverrun, Villa-Lobos: Amazonas, und nach der Pause: Beethoven’s Sechste (Pastorale). Die drei verschiedenen Kompositionen ueber Flusslaeufe dreier Kontinente (Europa, Suedamerika, Asien) waren eine gelungene Zusammenstellung und tadellos interpretiert. Smetana klassisch, Takemitsu modern, Villa-Lobos lateinamerikanisch farbig (der Dirigent ist Argentinier) und ungewoehnlich (mit dabei: viola d’amore, violinophon & achtfach geteilt Kontrabassstimmen). Auffaellig war fuer mich wie viele junge Menschen im Orchester, aber auch im Publikum waren. Im Publikum zum Teil in Jeans und Sweatshirt, aber sehr aufmerksam und konzentriert. Danach wollte ich noch in Buddy’s Blues Club, war aber vom schoenen Konzertabend komplett bedient und legte mich im Hostel auf’s Ohr. Heute regnet es, mal sehen was der Tag noch bringt.
Wenn du wieder da bist, gehen wir mal in Würzburg ins Sinfoniekonzert, oder?
In Wue sehne ich mich dann wieder nach authentischer US-Mucke, schlimm, schlimm. War aber nur ein kurzer Ausfall, seitdem nur noch Landestypisches.
Feines Essen da aufm Tisch!
Das ist ja so eine Art Powerpacket, was Du Dir auferlegst…richtig gut. Es muß krachen! Soviel wie möglich an Kultur und Landes/stadttypisches.
Habe mal in einem Essay gelesen, daß es sogennante Highwaysurfer gibt. Die halten es zuhause nicht aus und „surfen“ auf den Highways eine geraume Zeit des Abends, um nicht alleine zu sein.
they also have an „el“ in Philly… & prob in a bunch of other cities as well.
eightfold double-bass lines- whoohoooo.