On the road: Chicago – Ann Arbor (part1)

Gestern war ein Tag, den ich nicht so schnell vergessen werde. Bin frueh aufgestanden (7.00) und habe nach dem Fruehstueck noch Mails gecheckt  und den letzten Beitrag geschrieben. Musste aber schnell gehen, weil ich fuer den Leihwagen keinen optimalen Parkplatz uebernacht gefunden hatte. Mit Rucksack und Gitarrenkoffer stand ich dann im Aufzug und da fragte mich die junge, asiatische  Frau neben mir: “What’s in that case?”. Ich war ganz ueberrascht, weil sich der Inhalt von der Form des Koffers ja recht plausibel ableiten laesst und antwortete: “My guitar” und sie darauf: “So, who’s your favourite rock star?”. Ich war so ueberwaeltigt von der Einfachheit der Frage, dass mir nichts einfiel und ziemlich belaemmert da stand. Ich lachte verlegen und stammelte: “I don’t know, if I had to tell you right now, I really wouldn’t know.” Sie lachte (wir waren im Erdgeschoss angekommen), verliess den Aufzug und war dann weg und ich stand alleine in der Lobby des Hostels mit dieser fast schon philosophischen Frage.
Check out, ab zum Auto und los ueber den Lake Shore Drive Richtung Sueden. Eine Weile ging die Strasse entlang des Sees, auf der anderen Spur (stadteinwaerts) wurde an diesem Sa-Morgen gerade ein Stadtlauf (Richtung stadtauswaerts) abgehalten von dem ich nichts wusste. Anscheinend lag der Start schon ein Weile zurueck, denn ich sah auf meiner Hoehe in vor allem uebergewichtige Frauen und Maenner in meist viel zu eng anliegenden Sportklamotten mit zum Teil riesigen Guerteln daran Plastikwasserflaschen und Verpflegung als ob sie aufgebrochen waren den kompletten Lake Michigan zu umrunden, dabei war sogar mir klar, dass es sich um einen kleinen Stadtlauf handelte. Je weiter ich entlang der joggenden Menschenmasse fuhr und je weiter ich ran kam an die Spitze des Feldes, desto schlanker wurden die Laeufer. Hatten sie die Kilos auf dem zurueckliegenden Weg verloren? Oder waren die Schlanken einfach schneller? Waren sie schneller, weil sie sich der schweren Wasserflaschen an ihren Guerteln entledigt hatten? Wo waren die Flaschen geblieben? Waren die Dicken nur die Wassertraeger der Schlanken? Aber was nuetzt ein Wassertraeger, wenn er beim Rennen meilenweit hinter einem laeuft? Ich konnte die Antworten auf diese Fragen nicht auf die Schnelle finden und fuhr einfach weiter.
Mein Weg wurde dann ziemlich bald unschoen, fuehrte durch verlassene (Stahl?) Industriekomplexe und der See war nah, aber nicht mehr in Sicht. Ueber die nahe Staatsgrenze fuhr ich nach Indiana, vorbei an Gary und weiter um den See. Ca. eine gute Stunde nach meiner Abfahrt erreichte ich wie geplant den Nationalpark Indiana Dunes, bekam im Visitors Center eine Karte und paar Tipps und fuhr in den Park. Ich parkte am Remil Road Access Point und lief mit Camcorder und Fotoapparat ueber die Duenen zum Strand. Obwohl es kuehl war lief ich barfuss, so frueh war fast noch niemand unterwegs und ich nahm mir Zeit und machte ca. 1h lang einige Fotos und viele Video/Impressionen. Entlang des Strandes konnte man die Fabriken und rauchenden Schlotte von Gary sehen, die von hier aus – anders als bei meiner Durchfahrt – einen eigenen aesthetischen Charme hatten. Auf der anderen Seite des Sees zeichnete sich diffus die Skyline von Chicago ab. Teile der Filme werden evtl. in Videos zu Songs vom kommenden Album “Unsung Songs” verwendet.
Nach dieser besinnlichen Stunde am Strand fuhr ich weiter im Nationalpark entlang des Lakefront Drive, als ploetzlich eine Auto hinter mir die Sirene anliess, weil weit und breit niemand ausser mir zu sehen war, fuhr ich rechts ran und wartete vorschriftsgemaess mit den Haenden am Lenkrad. Es war tatsaechlich ein Polizist und er wollte meine Papiere sehen, kein Problem bitte schoen, alles griffbereit. Dann teilte er mir mit, dass ich zwei Stoppschilder ueberfahren haette ohne komplett gestoppt zu haben, ob mir das klar waere. Ich muss an dieser Stelle einfuegen, dass wir zu dem Zeitpunkt an einem einsamen Sa-Morgen “in the middle of nowhere” auf einer Strasse ohne weitere Verkehrsteilnehmer standen, evtl. habe ich an der Kreuzung tatsaechlich nicht auf 0 M/h runtergebremst und ich sagte das tut mir leid. Dann fragte mich der Polizist, ob wir in Deutschland kein Stopp-Schilder haetten und ich sagte ganz ernst: ” We have no speedlimit on the autobahn and no stopsigns on the roads, Sir.” Da lachte er und meinte: “Well, I heard about the autobahn.” Dann nahm der rechtschaffende Mann meine Personalien auf (“How do you spell this? How do you spell that?”) und stellte mir ein Warning Ticket (kein Strafzettel) aus.
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Der naechste Stopp an der Superduene Mount Baldy war nicht so interessant, deswegen weiter Richtung Michigan City. Ich glaube, ich habe noch nicht erzaehlt, dass mir am zweiten Tag meines Aufenthalts in Chicago buchstaeblich der Schuh geplatzt ist. Nein, ich habe ihn nicht aufgeblasen, haha, meine guten, alten, geliebten Adidas Samba sind an der Innenseite (links) einfach ca. 4 cm aufgegangen (“Walk a mile in my shoes”). In der Not bin ich runter in die Lobby und habe nach Klebeband gefragt und ein freundlicher Herr hat mir Athletic Tape (duennes Gewebeband) gegeben und ich habe den Sneaker provisorisch geflickt (“Schuster bleib deinen Leisten, haha”). Zurueck zur Story: Als ich in Michigan City reinfuhr sah ich ein Schild von einem Adidas Outlet und bin gleich abgebogen. Total viel los, gaaanz schlechter Parkplatz (zweite Reihe) ich gleich in den Laden und deutete auf meine geflickten Schuhe und eine freundliche, junge Frau sagte steno-maessig: “Samba, Samba!” und fuehrte mich zum entsprechenden Regal. Ich checkte am Label die richtige Groesse (11.5), “Danke” und ab zur Kasse. Schnellster Schuhkauf meines Lebens in ca. 1 Min, Anprobe nicht erforderlich. An der Kasse habe ich dann noch nach dem Weg zu einer Sportbar gefragt, denn: Heute war Champions Legue Finale (Dortmund-Bayern) im Wembley Stadion in London. Nach meiner Zeitrechnung muesste das um 13.45 angepfiffen werden und es war gerade 13.25. Der Adidas Mitarbeiter an der Kasse erklaerte mir den Weg und 15 Min. spaeter war ich im Buffalo Wings von Michigan City. Als ich da war, fragte ich nach der Soccer-Uebertragung, kurzer Blick ins Programmheft und um 13.40 sah ich auf dem Riesenbildschirm an der Bar zusammen mit zwei angetrunkenen, alten, desinteressierten Saecken die deutschen Mannschaften einlaufen. Feines Spiel, ich haette Dortmund zumindest die Verlaengerung gegoennt, aber ich denke es koennen alle zufrieden sein.
Nach dem Spiel fragte ich noch wie lange man nach Ann Arbor braucht. Die Bedienung hatte keine Ahnung wovon ich sprach, kannte die Stadt nicht (Hauptsitz der Universitaet von Michigan), aber ein Handwerker meinte “Ann Arbor, that’s a 3-hour drive, son, you wanna be there by tonight you better get goin’, boy.” Ich also los, head out on the highway.

8 Gedanken zu „On the road: Chicago – Ann Arbor (part1)

  1. “So, who’s your favourite rock star?” – Die einfachsten Fragen sind oft die schwersten. Und, wer ist es denn nun – Hank Williams?

    “Waren die Dicken nur die Wassertraeger der Schlanken?” – *Genau* so ist’s (im wörtlichen wie im übertragenen Sinn (sage ich als Dicker).

    • Ich war komplett ueberrumpelt von der Frage. Ich denke, sie war auch gar nicht so ernst gemeint, just a little small talk. Und: Hank Williams finde ich schon ziemlich gut, nur ist der natuerlich 1. ein astreiner Countrymusiker und lebte 2. ein einer Zeit vor Stardom. Aber ich rede mich schon wieder raus, warum nur will ich mich nicht festlegen? Vielleicht weil man damit in unserer zynischen Welt so verdammt viel preisgibt. Also okay, am liesten hoere ich gerade “Jack White” (Star) und “Anders Osborne” (leider kein Star).

  2. Warningticket? Was ist denn bei den Amis los? Das war mit Sicherheit ein Tätigkeitsnachweis für den Cop.
    Glück gehabt Herr Schutze! Mit der Gitarre scheint geklappt zu haben. Freut mich.

    • Naja, war aber auch wirklich kein schlimmes Vergehen, selbst bei strengster “law & order” Betrachtung.
      Und “Warning” verstehe ich so: Beim ersten Mal wird noch gewarnt, beim naechsten Mal scharf geschossen, habe deswegen gleich den Bundesstaat verlassen.
      Mit der Guild ist alles klar, hat gut geklappt, Gott sei Dank. Liegt sicher im Auto.

    • David Rodgers hat in einer Email gemeint, ich haette antworten sollen: “Me.” Das waer’s natuerlich gewesen, aber so einfallsreich war ich in dem Augenblick leider nicht.

  3. ur favorite rock star – wow!
    a highly philosophical question really.
    after some serious soul-searching…
    you basically have no choice but to go: E L V I S !

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