Das Buch erschien im März 2014 bei Malik (ISBN 978-3-89029-445-2, 22,99 €). Der Text ist ein Briefwechsel zwischen den beiden Autoren Matthias Egersdörfer und Jürgen Roth. Egersdörfer ist Kabarettist und Komiker, Roth ist Schriftsteller und promovierter Sprachwissenschaftler.
Der Briefwechsel beginnt an einem 18. Juni und beschreibt wechselseitig eine gemeinsame Reise durch die drei fränkischen Regierungsbezirke Ober-, Mittel- und Unterfranken. Die Reise erfolgt mit Unterbrechungen in mehreren Etappen, der Briefwechsel endet knapp sieben Wochen später an einem 8. August. Vordergründig testen und erforschen die beiden Autoren fränkisches Bier, fränkische Wurst und fränkisches Brot. In Wirklichkeit erkunden sie Franken, seine Geschichte und Bewohner. Sie fahren von Ort zu Ort, essen und trinken in Gasthäusern, Metzgereien und Brauereien und unterhalten sich ausgiebig mit fränkischen Freunden und Bekannten. Sie wandeln auf historischen Spuren, erzählen von Hexenverfolgung, sozialistischer Arbeiterbewegung und der dunklen Nazizeit (inkl. den architektonischen Hinterlassenschaften). Egersdörfer und Roth erforschen Dialekte und Redewendungen, sie überschreiten diverse Bier/Wein-, Wurst- und andere kulinarische Grenzen. Es wird dabei nicht mit Einsichten, Meinungen und Kritik gespart, ganz im Gegenteil der sprichwörtliche fränkische (und teilweise durchaus nachvollziehbare) Selbsthass wird nicht nur thematisiert, sondern passagenweise in all seinen reichen Facetten und bis an den äußersten Rand der Cholerik ausgelebt. Des weiteren werden auch die typisch fränkischen Themen Desinteresse, Maulfaulheit, Unfreundlichkeit, Fremdenhass, Service-, Dienstleistungs- und Arbeitsverweigerung, sowie Konservativismus, Katholizismus, Protestantismus und blinde Obrigkeitshörigkeit verhandelt. Nebenbei wird auch das wahre fränkische Staatsgebiet abgesteckt, es erfolgen ethnische, charakterliche und geographische Abgrenzungen gegenüber den verhassten Nieder- und Oberbayern, gegen Hessen, Badenser, Schwaben und Thüringer. Natürlich spielt auch der abstiegserfahrene Club aus Nürnberg eine kleine Rolle, ebenso das ehemalige Zonenrandgebiet mit seiner Strukturschwäche, der schwindenden Bevölkerung und der kargen Natur u.v.a.m.
Der Sprachstil ist durchgehend etwas gekünstelt und manieriert und wirkt wie aus einem Roman des 19. Jahrhunderts. Je weiter man beim Lesen voranschreitet, desto mehr gewöhnt man sich daran und desto besser passt der Stil irgendwann dann auch zum verhandelten Thema. Die Dialektpassagen sind in allen Details liebevoll und präzise transkribiert und werden dadurch für den Leser fast unmittelbar hörbar gemacht.
Alles in allem ist das Buch eine zwar kritische, aber unterhaltsame, anregende, kenntnis- und detailreiche, individuelle und persönliche Liebeserklärung an das Frankenland und seine Bewohner. Es sei jedem Geburts- oder Wahlfranken dringend zur Lektüre empfohlen.
Kann das oben geschriebene nur bestätigen, anfangs kommt gerade der gesteltzte Duktus doch etwas sehr sperrig daher bis sich die beiden eingegrooved haben; mein Lieblingszitat bisher – bin etwa bei der Hälfte angelangt – „…die Franken wissen wie’s läuft, aber müssen’s ned so nach außen transportieren … Die Franken haben einfach zu Ende meditiert.“
Sehe mich genötigt noch einige der genannten Spezialitäten zu verkosten…gerne in Gesellschaft
@Bernhard: Meine Lieblingsstelle ist da, wo Egersdörfer erklärt warum er so gerne ein Mittagsschläfchen hält: Um dem Tag noch eine zweite Chance zu geben. Hammerhart, aber durchaus nachvollziehbar sind allerdings alle Passagen, die in und um Würzburg spielen. Da bleibt einem beim Lesen teilweise die Luft weg und man fragt sich, ob man selbst weiterhin in einer solchen Stadt leben will. Die zwei durchreisenden Autoren untermauern ihre gnadenlosen Beobachtungen mit Zitaten aus Schriften von Peter Roos, den ich einmal in meiner Musiktalkshow „My Favourite Tracks“ interviewt habe.
Schreib bitte nochmal, wenn du weiter oder durch bist mit dem Buch. Dein Fazit würde mich interessieren.
…das wird schwer, da es so viele gute zitierenswerte Stellen gibt auch die og fällt darunter;
Der gesamte Briefwechsel lebt natürlich auch von der Dialektik zB zu Würzburg erst sehr viel positives dann kommt’s im Nachgang ….
Ich finds jetzt schon süper, weil es eine sehr wertschätzende Weltanschauung transportiert, die vieles kritisiert was mir auch auf den sagg geht und das ist schön zu merken. Tradition ohne bierdümpfelei, obwohl das Bier ja auch ein zentraler Aspekt ist. Und Bier wird ja gerne als dumpfbackengetränk verleumdet.
Als Tipp zur Sorge um verlorengehendes sei hier mein lieblingsbewahrer Wieland empfohlen, seine Topographien im br sind pole der ruhigen betrachtung (baywa Türen und Glasbausteine, Koniferen, riesenfenster usw) http://www.fernsehserien.de/topographie
Hm den Würzburgerteil fand ich jetzt nicht so hammerhart eher sogar konstruktiv (standardgespräch, Wirtschaft) evtl liegt‘ s dran, dass ich auch schon dem fränkischen selbsthass verfallen bin.
Das Ende des Buches finde ich etwas diffus, nun ja da geht’s dann auch um das Fichtelgebirge und ein wahlmünchner lässt – nach meinem Geschmack – etwas zu undifferenziert seinem frankenhass freien Lauf….
@Bernhard: Habe das Buch nicht zur Hand drum muss ich sinngemäß aus dem Gedächtnis zitieren. Roth schreibt an einer Stelle über Würzburg als erzkonservative, regressive Stadt in der man einen Strafzettel kassiert noch während man im Auto sitzt. Geschichtlich sei Würzburg ein Ort der vollkommenen Stumpfheit (Bücherei Anekdote), Ort der letzten Hexenverbrennung, Hort schlagender Verbindungen, frühe Agitationsstädte der Nazis (Judenhass, Braunhemden, Synagogenverbrennungen), nach dem Krieg hat sich Würzburg architektonisch quasi nochmal selbst zerstört (Abriss von Ruinen statt Wiederaufbau, schreckliche Neubauten z.B. Stadttheater), katholische Kirche als Grossgrundbesitzer, später Bossle Skandal an der Uni, Würzburger Doktorfabrik, organisierter kultureller Stillstand, komplette Absenz jedweder städteplanerischen Idee (Hotelturm, Arkaden, Mozartareal, Fahrradwege etc.). Da kommt schon einiges zusammen. Und das schlimmste: Das Bier hier soll im Direktvergleich auch noch ungenießbar sein, meint Roth. Tatsächlich trinken die Würzburger lieber Bier aus dem Taubertal oder gar aus Altbayern (!) als das Bier aus der eigenen Stadt. Schlimm, oder?
..damit hast du natürlich recht, aber ich war von der positiven bierschwangeren Lobhudelei Egersdörfers aus dem Standardgespräch so eingelullt, dass ich als Franke nichts anderes mehr erinnere als den Lobgesang auf das Mahl in der alteingesessenen Gaststätte und anderes mehr; sie spielen eben dass good guy bad guy spiel sehr famos in diesem Buch, so dass wir als Nachkantianer je nach unserer persönlichen Wahrnehmung selektieren können was denn unserer Wahrheit entspricht….dies oder das (also Roth oder Egersdörfer oder von beiden etwas, du als Münchner bist da natürlicherweise als Oberbayer eher nicht ernst zu nehmen höchstens als Wahlfranke naja ok evtl vlt is auf jeden Fall besser als auf keinen Fall wie schon good ole Berti sprach)
Prost das Fässla Bier is btw eine Offenbarung und natürlich nicht aus Würzburg, sondern aus good ole Bamberg! Immerhin durfte ich Würzburg noch zu Zeiten erleben als es noch etliche Brauereien gab, die auch Bier brauen konnten; wobei man sagen muss dass die Hofbrüh als Fassbier durchaus akzeptabel ist, als Flaschenbier aber eher zum Blumendüngen taugt. Das Weizen ist mehr als akzeptabel muss man auch zugestehen, aber noch weit von anderen entfernt, deshalb greift der Würzburger und seine Besucher (ohne In total ungegendert) lieber zum Schoppen und das zu recht.
@Dennis ach ja kennst du die Topografien Wielands aus dem BR denn? Falls ja wie findest du sie? Meines Erachtens sind sie ein Must!
@Bernhard: Nein, kenne ich leider nicht, dem muss ich mal nachgehen. Bin aber jahrelang großer Gernstl-Fan gewesen, ich nehme an, das geht in eine vergleichbare Richtung?
Wann liefen Wielands Beiträge denn? Gibt es in seinem reichen Sortiment auch eine Betrachtung zu unserer Heimatstadt Würzburg?
@Dennis
die Topografien, die ich sah waren meist zu architektonischen Themen aus den späten 80er und 90er Jahren, wie du aber der Übersicht entnehmen kannst http://www.fernsehserien.de/topographie/episodenguide
gab es wohl auch welche zu bestimmten Orten ich vermute aber das auch diese ehr geografisch gehalten waren; der Stil ist auch ganz anders als beim Gernstl, der mehr die Menschen im Blick hat, bei Wieland sind es Landstriche, architektonische oder geografische Themen. Meist geht es auch ähnlich wie bei der Reise durch Franken über Dinge, die leider im Begriff sind zu verschwinden.
So auch ich habe jetzt das Buch gelesen. Anfänglich bin etwas schwer mit dem Erzählstil zu Recht gekommen. Aber ich wurde später dann belohnt: amüsant, sehr informativ und kurzweilig. Am besten hatten mir die Erzählungen und Erfahrungsberichte gefallen, wo ich Parallelen erkannt hatte. Ich erwischte mich selbst dabei wie beim Lesen ein leichtes Schmunzeln in meinem Gesicht erschien. Auffällig auch die umfangreiche und fundierte Recherche der Autoren.
Herrlich die geführten Interviews.
@dennis: „vergelts Gott“ und „sei so gut“ weiter mit solchen Buchtipps.
@Artur: Freut mich, dass die das Buch gefallen hat. Anscheinend hatten wir anfangs alle Schwierigkeiten mit dem Stil, aber ich finde auch, dass man danach doppelt und dreifach belohnt wird. Die Interviews waren für mich auch die Highlights. Muss es irgendwann mal wieder lesen.
Habe noch weitere Bücher des Reiseverlages Malik auf dem Nachtkästchen gestapelt. Weitere Kritiken sind schon fertig (Helge Timmerberg) bzw. in der Pipeline. Langsam wird das Schreiben über Bücher anderer zu einem festen Bestandteil meines wöchentlichen Arbeitspensums. Im Moment macht’s noch Spass!
@Artur: Von Würzburger zu Würzburger muss jetzt natürlich fragen: Was haben die Passagen über unsere Wahlheimat in dir ausgelöst?
@dennis: eines vorab: ich lebe gerne in Würzburg.
Die Charaktere sind schon sehr trefflich beschrieben. Mit gefällt das aber auch schließlich bin ich ja auch einer von denen, vielleicht etwas leicht abgewandelt.
Würzburg muß aber aufpassen, daß es nicht durch dieses „schmuckkästchengefühl“ den Anschluss verliert. Da erschließt man sich neue Märkte, hier sei der boomende Flußkreuzfahrschifftourismus erwähnt, andererseits befinden sich auf diesen Schiffen nur die sogenannten „Silverager“ (60+). Die bringen sicherlich Geld. Aber ist das die Zielgruppe?
Die Kapazitäten sind schon da, aber wer bremst hier?
@Artur: Ich habe schon lange den Eindruck, dass Würzburg zur perfekten Stadt für Rentner und Greise umgebaut wird. Insbesondere im kulturellen Bereich tritt das immer offener zu Tage. Gehegt, gepflegt und unterstützt werden Institutionen, Ideale und Inhalte vergangener Jahrhunderte (Bachtage, Mozartfest, Stadttheater, Museen), junge, lebendige Kultur wird allenfalls als Umsonstkultur geduldet.
Nach der Lektüre des Buches ist mir aber inzwischen klar: Das ist die eigentliche Kernkompetenz dieser Stadt. Erzkonservativer, reaktionärer Geist und provinzielle Denke ohne jede Phantasie (Stadt- und Verkehrsplanung, Schulen, Kultur, Kirche, Wirtschaft, etc.). Und das gefällt natürlich den Rentnern und Greisen. Im Verlauf der kommenden Jahre wird sich das sicher noch verschärfen.
@dennis: glücklicherweise gibt es noch die Studenten. Die geben der Stadt den gewissen Pep.
Ich will nicht Bad Füssing in Würzburg.