Buch: „Weltenbummler“ von Heike Praschel

Heike-Praschel-Weltenbummler-Eine-Familie-bereist-dreissig-Monate-die-WeltHeike Praschel erzählt in dem Buch „Weltenbummler“ von einer lang angelegten Reise, die sie zusammen mit ihrem Ehemann, zwei gemeinsamen Kindern und einem Hund von März 2010 bis Februar 2012 unternommen hat. Die Reise war in zwei Abschnitte unterteilt: Ein etwas mehr als einjähriger Trip durch Südosteuropa und Vorderasien bis in die Mongolei und zurück und ein ca. einjähriger Trip von der Ostküste Kanadas zur Westküste der USA, von da aus südlich nach Mexiko (Baja) und zurück zur Ostküste der USA. Als Gefährt diente ein eigens umgebauter, fast fünfzig Jahre alter Mercedes 710 Laster. Die Familie stammt aus der Oberpfalz und zu Beginn der Fahrt verfügte nach eigener Aussage über keine erwähnenswerte Reiseerfahrung außerhalb Europas. Anscheinend baute sich insbesondere bei der Autorin über mehrere Jahre hinweg ein diffuses Fernweh auf, die Eltern wollten den Kindern (und sich) die Welt zeigen, einen Blick über den Tellerrand bieten, neue Erfahrungen sammeln, vielleicht auch sich selbst und ihrem Umfeld beweisen, dass ihr langjähriger Traum Wirklichkeit werden kann.

Die ungewöhnlichen Umstände (Familie mit Kleinkindern, uralter Laster, zeitlicher Umfang, Reiseziel Mongolei) machen die Unternehmung auch für den Leser interessant. Die Erlebnisse sind in zwölf „Etappen“ unterteilt, anfangs wird noch Monat für Monat berichtet, zum Ende hin werden die Abstände immer größer und es erscheint als hätte die Autorin zum Ende hin die Schreiblust etwas verlassen. Die Reise von Mexiko zurück zur Westküste wird gar komplett ausgelassen und das Buch endet mit einem kurzen Epilog.
In dem ausführlichen ersten Teil des Buches wird in anekdotischer Form von vielen Erlebnissen berichtet, die subjektive Eindrücke und individuelle Gegebenheiten verarbeiten. Man erfährt von zahlreichen freundlichen Begegnungen mit Menschen fremder Kulturen, logistischen Schwierigkeiten auf der Strecke (ohne technische Details), Problemen mit zeitlich begrenzten Visa an den Grenzen, es gibt unvorhergesehene Ereignisse in der Wildnis, ein paar Krankheiten (geht alles gut aus), etc. Der Text ist unterhaltsam geschrieben und sehr gut lesbar, geht allerdings nicht in die Tiefe. Es werden so gut wie keine geo-kulturelle oder gar aktuelle politische Verhältnisse und deren Auswirkungen auf die Reiseregionen thematisiert. Zusätzlich wird ausschließlich aus dem Blickwinkel der Autorin erzählt, der Ehemann Tom kommt an keiner Stelle dezidiert zu Wort. Die zu Beginn der Reise erhoffte Eindrücklichkeit, ein neuer Blickwinkel oder gar eine persönliche Veränderung und Weiterentwicklung wird im Verlauf leider nicht weiter ausgeführt. Ab dem Reiseabschnitt in den USA hat man als Leser dann unweigerlich den Eindruck, dass auch eine spürbare Reisemüdigkeit einsetzt, kurz danach reißt der Reisebericht folgerichtig auch relativ unvermutet ab. Das ist bei einer solch langen Reise sicherlich verständlich, aber gerade hier hätte man sich als Leser eine Erklärung der familiären und individuellen Gefühlslage gewünscht.
Das Buch hat in der Mitte viele, farbige und zum Teil sehr stimmungsvolle Fotos und ist mit dem Anlass angemessenen Karten von Asien und Nordamerika ausgestattet, die einen die Routen auch kartographisch mitverfolgen lassen. Einen Blog oder eine weiterführende Information im Internet gibt es offensichtlich nicht.

Insgesamt ist das Buch, wenn man generell an dem Thema interessiert ist oder evtl. sogar selbst eine weitere Reise mit Familie plant, eine lohnenswerte Lektüre, allerdings, das muss deutlich gesagt werden, ohne jegliche praktische Tipps oder Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Anscheinend bereitet die Autorin gerade eine weitere, längere Reise mit ihrer Familie vor. Man darf gespannt sein wo es diesmal hingeht. Südamerika?

3 Gedanken zu „Buch: „Weltenbummler“ von Heike Praschel

  1. „die Eltern wollten den Kindern (und sich) die Welt zeigen, einen Blick über den Tellerrand bieten“
    Naja, ob den Kindern damit gedient ist? Ist es wirklich deren originärer Wunsch?
    Als Kind wäre ich doch lieber zuhause, mit meinen Spielkameraden.
    Ich kenne unter Reiseliteratur meist solche Fälle, in denen der Mann alleine nterwegs ist (und Material für diverse Verwertungen schiesst, also auch seinem Beruf nachgeht) und Frau nebst Kind stossen mal für 2 Wochen dazu.

    • @Gerhard: Ja, ich teile deine Bedenken. Das Motiv der Unternehmung wird nur am Anfang ganz kurz gestreift und im weiteren Verlauf gar nicht mehr thematisiert. Auch im Epilog fehlt dazu jede Angabe, was sehr bedauerlich ist, weil es doch das Buch extrem aufgewertet hätte. So hat man den Verdacht, dass dieser so essentielle Teil der Reise nicht wahrgenommen oder reflektiert wird.

      Was insbesondere für die Kinder dabei rausspringen sollte, bleibt von vornherein unklar. Man kann sich vor seinem geistigen Auge vage vorstellen wie toll für die Bälger eine 6-8 stündige Fahrt in einem 50 Jahre alten Laster über eine Sandpiste bei 40°C sein muss. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass so etwas nicht nur für die Kindern, sondern auch für die Eltern garantiert schwer zu ertragen ist und sie ins Zweifeln gebracht haben sollte, ob das alles eine so tolle Idee war. Im Buch kein Wort davon.

      Ich habe mich beim Lesen auch gefragt wie alternativ eine solche Form des Reisens wirklich ist. Anscheinend fahren ja immer mehr Leute mit Campern, Lastern und SUVs (und zum großen Teil deutlich luxuriöser ausgestattet) durchs Hinterland der Weltgeschichte. Da kommt man schon ins Grübeln, ob die Kasernierung des Massentourismus für die Bewohner der bereisten Länder nicht verträglicher ist als gut situierte Individualreisende aus dem Westen, die mit Kind und Kegel zehntausende Kilometer zurücklegen (bei Fa. Praschel: 60.000 km), wild in der Gegend rumcampen und dabei wie blöde teuren Sprit verfeuern. Geht’s auch eine Nummer kleiner?

  2. „Ich habe mich beim Lesen auch gefragt wie alternativ eine solche Form des Reisens wirklich ist.

    „Das Alternative“ scheint ja – in unserer Zeit – solchen „Ausflügen“ nicht mehr so anzuhaften, es sei denn, man würde das ohne jeden Luxus machen.
    Früher waren es die Indienreisenden zwecks Neuorientierung. Fast jeder kennt jemanden, der eine solche Reise machte, auf der Suche nach innerem Frieden.
    Dann begann daneben auch die Zeit der Abenteurer, die auf fremden Kontinenten unterwegs waren. Diese Haltung griff auch immer mehr auf gewöhnliche junge Leute über, die wer weiß wo auch immer mal für ein paar Wochen unterwegs waren. Die Welt ist dein! – sollte das heissen.
    Ist das wirklich so?

    Mein eigenes Verhalten in Sachen Bereisung der Welt hat sich mittlerweile deutlich geändert. Jetzt geht es mir nicht mehr um Orte (und der Sammlung dieser), sondern um Inhalt der Reise…und dieser Inhalt ist nicht mehr vornehmlich Excitement, sondern Erholung, was so quasi jeden Ort als Reiseziel möglich macht.

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