Peter Laudenbach ist freier Journalist und Theaterkritiker u.a. für taz, Tagesspiegel, Tipp und Süddeutsche Zeitung. 2013 erschien bei Tiamat das Büchlein „Die elfte Plage“, eine kritische Bestandsaufnahme zum Thema Berlin-Tourismus. In 16 Kapiteln und einem abschließenden Literaturverzeichnis beschreibt Laudenbach in dem handlichen und kompakten Taschenbuch die gegenwärtige Situation des Hauptstadt-Tourismus. In Anspielung an die zehn biblischen Plagen des alten Testaments wird der Berlin-Besucher bereits im plakativen Titel als elfte Plage bezeichnet. Der Untertitel „Wie Berlin-Touristen die Stadt zum Erlebnispark machen“ präzisiert die Grundhaltung noch etwas.
Laudenbach geht das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln an. Standpunkt und Schreibweise triefen zwar vor beißendem Sarkasmus, allerdings wird das mit ordentlich recherchierten Sachinformationen aus Interviews, Artikeln, Fachbüchern und Selbsterlebtem unterfüttert. Offensichtlich schreibt der Autor als Betroffener, denn er beschreibt immer wieder auch Situationen aus dem eigenen Leben und guerilla-artige Selbstversuche. Dabei ist die Grundaussage freilich immer schon vorgegeben. Beispielsweise wenn er die Aussagen von Burkhard Kieker, dem Geschäftsführer der Vermarktungsagentur „visitBerlin“, einem Close Reading unterzieht und dabei nicht nur hohle Phrasen entlarvt, sondern auf diese Weise auch die abschreckende Grundphilosophie der Gesellschaft offen legt: Professionelle Vermarktung ohne Rücksicht auf die eigentlichen Bewohner der Stadt.
Andererseits verbraucht sich diese einseitige Position bereits nach einigen Kapiteln und am Ende des Buches ist man auch wieder froh, dass es vorbei ist. Wie Laudenbach selbst an einer Stelle kurz bemerkt, darf man sich als Bayer oder Baden-Württemberger schon mal fragen, was da in Berlin eigentlich das Problem ist, wenn Jahr für Jahr irre Summen im Rahmen des Länderfinanzausgleichs rüberfließen und als Konsequenz davon selbstgerecht gemeckert wird, wenn sich Berlin zu einer internationalen Metropole wandelt und das dann eben mit allen bekannten Vor- und Nachteilen. Menschen, die es gewohnt sind mit regelmäßiger, teils auch durchaus zeitraubender und/oder unangenehmer Arbeit das tägliche Brot zu verdienen, werden wohl mit den Augen rollen, wenn sich die angeblich kreative Berliner Boheme maßlos darüber aufregt, wenn Touristen nach dem Weg fragen, touristische Zentren entstehen und einstmals hippe Stadtteile gnadenlos gentrifiziert werden. Nun ja, ist halt mal so, und das nicht nur in Berlin, kann vielleicht anders gestalten werden, aber da sind Grafito-Parolen und andere verbale Übergriffe auf interessierte und zahlungskräftige Touristen und Investoren vermutlich eher nicht besonders zielführend, außer vielleicht als Ventil für angestaute Wut, aber woher kommt die eigentlich wirklich?
Anscheinend haben die Berliner viel zu lange als geographische Enklave und bundespolitische Besonderheit verbracht und sich an gewährte Privilegien ohne jegliche Gegenleistung gewöhnt. Sowohl die Alteneingesessenen, als auch die Neu-Berliner bewegen sich zum Teil anscheinend noch immer in der überkommenen Häuserbesetzermentalität und 1. Mai-Krawallstimmung der 70er und 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Dazu kommen dann noch etliche hausgemachte Probleme (Flughafen!), da könnte man als deutsche Flächenbevölkerung durchaus das gemeine Hauptstädtergroßmaul als biblische Plage empfinden. Vielleicht kann Laudenbach aus dieser Position mal einen Fortsetzungsband mit ähnlich agitatorischem Verve verfassen. Gerettet wird die parteiische Bestandsaufnahme immerhin durch den tadellosen und letztlich auch humorvollen Stil des Autors der durchwegs auf hohem Niveau unterhält.
Seinen eigenen Geburtsort gibt Laudenbach übrigens an keiner Stelle preis (auch nicht im Netz). Ob das Zufall ist? Zwar wohnt und arbeitet er in Berlin, aber vielleicht kam auch er einst als Besucher in die Hauptstadt. Wäre schon interessant gewesen.
Das broschierte Büchlein erscheint bei Tiamat, hat 142 Seiten und kostet 13 Euro.
Ich bin mal von einem Einwohner von Frankfurt darauf hingewiesen worden, daß ich als Tourist, der eigens zu einem der Stadtfeste anreise, sein Stadtteil sozusagen unbewohnbar mache, so hatte ich ihn jedenfalls spätnächtens, in einer der einschlägigen Bars, verstanden.
„Was wollt ihr hier eigentlich???“, so sein Tenor.
Ich bin im übrigen auch Berlin-Tourist, immer wieder mal. Einen runden Geburtstag habe ich mal dort verbracht, ist mir in schöner und bleibender Erinnerung. Die Stadt bietet soviel, daß man sie eben gerne als Ziel wählt.
Selbiges wie von Berlin kann man von manchen Urlaubsorten sagen. So mancher Einheimische sucht das jeweilige Zentrum wohl nicht mehr auf bzw. erst am Abend, wenn das Heer der Tagestouristen abgezogen ist.
„Der größte Feind des Touristen ist der Tourist.“
Beiss nicht die Hand, die dich füttert oder die Berliner gehen mir schon lange auf den Lachs….