Buch: „Denksport Deutsch“ von Daniel Scholten

denksportdeutschDaniel Scholten ist Sprachwissenschaftler, Krimiautor und Betreiber des Video-Blogs „Belles Lettres – Deutsch für Dichter und Denker“. Nun hat er seine Ein- und Ansichten zu Geschichte und Gebrauch der deutschen Grammatik in einem unterhaltsamen Buch zusammengefasst. „Denksport Deutsch“ erscheint bei dtv premium und ist ein anspruchvolles Aufklärungsbuch für sprachlich Interessierte, die mal hinter die Kulissen blicken wollen. Scholten widmet sich in vier Kapiteln ausführlich den Themenbereichen grammatikalisches Geschlecht (Genus), dem zweiten Fall (Genetiv), Obliquus und Irrealis (Konjunktiv) und Formen des Zitats. Im letzten Kapitel wagt er Bestandaufnahme und Ausblick und äußert sich (optimistisch!) zur Zukunft der deutschen Sprache.

Von Anfang an hat man als Leser den Eindruck, der Autor bewegt sich in seinem ureigensten Element. Die Themen sind klar formuliert und stark illustriert, Beispiele werden auf den Punkt gebracht und Argumentationsketten werden stringent zu Ende erzählt. Hin und wieder lässt sich der Autor auch fachlich hinreißen und holt sprachwissenschaftlich arg weit aus, z.B. wenn er Genusformen und Genetivkonstruktionen von der urindogermanischen Vorsprache quer durch die Jahrtausende bis in die moderne Jetztzeit entwickelt. Das ist beim ersten Mal noch interessant, bei den folgenden Beispielen dann mitunter ermüdend, weil zu detailreich. Nichtsdestotrotz ist Scholtens Ansatz dadurch lückenlos nachvollziehbar und wissenschaftlich wasserdicht. Sehr unterhaltsam und lehrreich sind seine vielen praktischen Beispiele, hier läuft er teilweise sogar zur absoluten Hochform auf, geht Dingen auf den Grund und zeigt besonders mit besserwisserischern Ratgeberautoren keine Gnade, wenn er sie fachlich sauber und noch dazu stilvoll auseinandernimmt. So bekommt z.B. Bastian Sick, aber auch etliche ungenannte Journalisten von Spiegel Online, Zeit, Faz, Tagesthemen ordentlich ihr Fett weg.

Es geht bei „Denksport Deutsch“ gar nicht so sehr um das Antrainieren eines vermeintlich gehobenen Stils, sondern, wie Scholten immer wieder betont, um gesunden Menschenverstand auf Basis der lebendigen und gesprochenen Muttersprache (nicht der Schriftsprache). Man würde sich wünschen, dass Schullehrer, Journalisten und Autoren dieses aufschlussreiche Buch mal in die Hand nehmen und ihre teils absurden Lehrmeinungen und Ausdrucksformen überdenken und bei Bedarf anpassen. Neben gutem Deutsch kann man auch viel über grundsätzliche Missverständnisse bzgl. deutscher Grammatik erfahren (grammatikalisches Geschlecht, Möglichkeitsform, Scheintod des Dativs, Wesen des Zitieren) Und auf einmal ergibt (nicht macht) vieles einen Sinn.

Fazit: Anspruchsvolle Aufklärungsschrift zu Geschichte und Gebrauch der deutschen Sprache. Pflichtlektüre für Freunde des gepflegten Ausdrucks.

Das Taschenbuch erscheint im dtv Verlag, hat 304 Seiten und kostet 17,90 Euro.

4 Gedanken zu „Buch: „Denksport Deutsch“ von Daniel Scholten

  1. ..hm klingt intressant, aber in einem muss ich Sick dann doch recht geben: der Dativ is wirklich dem Genitiv sein Tod, und der Dativ selbst ist meilenweit weg vom Scheintod – zumindest in Frangn – soviel aus der täglich umgangssprchpraxis des Jugendsprech.

    • @Bernhard: Ist immer auch eine Frage der Definition (wie so vieles). Vermeintliches Dativ entpuppt sich bei näherer Betrachtung als was anderes und Genetiv findet sich auf einmal überall. Sick macht es sich da vielleicht etwas einfach und schreibt reißerisch für die eingebildete, bürgerliche Mittelklasse für die vermeinlich gehobene Sprache ein bevorzugtes Mittel der sozialen Distinktion ist. Scholten geht den Sachen sprachwissenschaftlich auf den Grund und es ergeben sich daraus erstaunliche Zusammenhänge. Als fränkischer Lehrer solltest du da wenigstens mal reinblättern. Weihnachten steht voa da Dür! Denken und Sport sind doch deine zentralen Themen!

  2. Das Buch würde mich auch reizen, doch bin ich a) ein langsamer Leser (mache viel anderes Zeugs) und b) habe ich mindestens 20 jüngst erworbene Bücher aufm Tisch. Das Problem ist einfach das Vorhandensein von zuviel interessanten Themen.

    • Magst Du mehr darüber erzählen? Vielleicht hilft es Dir, das Problem mit anderen zu erörtern. Ich habe auch noch 20kg ungelesene Bücher im Regal und frage mich, ob ich die während der mir verbleibenden Zeit noch alle werde lesen können. Ich wäre aber nie auf die Idee gekommen, das als Kommentar zu einer Buchkritik zu posten.

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