Michael Punke ist amerikanischer Autor, hauptberuflich arbeitet er als Jurist und Politikberater. Der breiten Öffentlichkeit bekannt wurde er als Autor des historischen Romans „The Revenant: A Novel of Revenge“, die dramatische Überlebensgeschichte des amerikanischen Pelzjägers Hugh Glass. Das Buch erschien bereits 2002, verbuchte jedoch zunächst keinen kommerziellen Erfolg. Der mexikanische Filmemacher Alejandro G. Iñárritu verfilmte den Stoff Jahre später mit Leonardo di Caprio und erregte mit dem Film Ende 2015 große Aufmerksamkeit. Punke hatte sich in der Zwischenzeit bereits anderen Themen der US-Historie zugewandt: 2006 erschien unter dem Titel „Fire and Brimstone“ ein Sachbuch über ein Mienenunglück im Jahr 1917 in North Butte, Montana. 2007 folgte unter dem Titel „Last Stand“ die Geschichte von George Bird Grinnell und seinen Beitrag zur Erhaltung des US-amerikanischen Bisons und Gründung der ersten amerikanischen Nationalparks. Zehn Jahre nach der englischsprachigen Erstveröffentlichung erschien das Buch erstmals in deutscher Übersetzung unter dem Titel „Die letzten Bisons“.
Das Buch ist gleichzeitig Biographie und Epochenportrait. Beschrieben wird darin Leben und Engagement des Aktivisten George Bird Grinnell einerseits und die zerstörerische Eroberung des amerikanischen Westens andererseits. Grinnell ist Sohn aus bildungsbürgerlichem Hause, erhält Privatunterricht und besucht eine renommierte Universität. Dort lernt er den Naturforscher Prof. Othniel Charles Marsh kennen, der ihn auf seine ersten Expeditionen in den damals noch weitenteils unerschlossenen amerikanischen Westen mitnimmt. Grinnell macht dort erste Erfahrungen als Forscher, Jäger und Sammler, studiert nach seiner Rückkehr aber brav weiter und soll das Geschäft der Familie übernehmen. Bei weiteren Expeditionen wird er Zeuge der massenhaften Erschießung von Wildtieren, die Anzahl der Bisons wird innerhalb weniger Jahre von vermutlich bis zu 100 Millionen Tieren auf wenige Tausend dezimiert, zum Teil von professionellen Pelzjägern, zum Teil aber auch zum fraglichen Vergnügen von Großwild- und Hobbyjägern. Einige Zeit kommt zu einem regelrechten Blutrausch, Herden werden aus fahrenden Zügen beschossen, es gibt organisierte Veranstaltungen, bei denen hunderte von Tieren sinnlos getötet werden und deren Kadaver liegen gelassen werden. Schon bald liegt die Ausrottung des amerikanischen Bisons in greifbarer Nähe.
Grinnel erkennt die Situation und wird in seiner Funktion als Herausgeber und Autor der verbreiteten Zeitschrift Forest and Stream zum Pionier der sich formierenden Umwelt und Naturschutzbewegung. In einem jahrzehntelangen, politischen Kampf gelingt es ihm Mitstreiter für seine Sache zu gewinnen (u.a. den jungen Theodore Roosevelt), gründet mit Boone and Crockett Club eine Lobbyorganisation und es gelingt ihm den Yellowstone Nationalpark vor Eingriffen von Wilderern und anderen Ausbeutern effektiv zu schützen. Als sein Schutzprojekt endlich auch in der Praxis greift sind von den Abermillionen Tieren gerade noch 23 Exemplare übrig geblieben. Diese wurde im Verlauf vieler weiterer Jahre gehegt und gepflegt, heute gibt es in verschiedenen Landesteilen wieder etliche Zehntausend Tiere.
Ähnlich wie bei seinen weiteren Publikationen schreibt Punke sachlich, präzise und korrekt. Seine Texte sind sauber strukturiert und gut lesbar, zum Teil aber auch sehr ausführlich und weitschweifend, die Quellen sind im Anhang minutiös belegt. Er muss für die Recherche einen enormen Aufwand betrieben haben, das spürt man als Leser an jeder Stelle, und leistet damit eine unermesslichen Beitrag für die US-amerikanische Geschichtsschreibung. Erstaunlich, dass so eine Mammuttaufgabe nebenberuflich von einem Juristen geleistet wird, statt von hauptamtlichen Historikern. Punke streift dabei komplexe Themen wie Wilderei, Pelzhandel, Indianerkriege, Reservate, Vertreibung, Besiedlung, Eisenbahnbau, Goldrausch, Tier- und Landschaftsschutz, Handel, nationale Politik und beschreibt auch immer wieder gesellschaftliche Stimmungen und Tendenzen. Das gelingt ihm auf unterhaltsame und erhellende Art und Weise. Viele der angesprochenen Themen sind heutzutage aktueller als man auf den ersten Blick vermuten mag. Es ist aller Ehren wert, dass einem engagierten Mann wie Grinnell mit diesem Buch ein würdiges Denkmal gesetzt wird und sich damit hoffentlich eine bleibende Erinnerung manifestiert. Seine Geschichte ist nicht nur bemerkenswert, weil er verschiedene Tierarten vor der Ausrottung bewahrt hat und Nationalparks mitgegründet hat, sondern auch weil man daraus ablesen kann, dass auch ein einzelner Mensch manchmal den entscheidenden Unterschied machen und eine Wende zum Guten bewirken kann. Somit ist es bei aller Tragik auch eine uramerikanische Geschichte mit halbwegs positivem Ausgang, zumindestens für das amerikanische Bison.
Die Übersetzung aus dem Amerikanischen von Jürgen Neubauer ist hervorragend gelungen. Das gebundene Buch erscheint bei Malik, hat 334 Seiten und kostet gebunden 22 €.