Von 2010-2012 war Heike Praschel bereits mit ihrer Familie (Ehemann, zwei Töchter) mit einem umgebauten Mercedeslaster quer durch Europa, halb Asien und in Nordamerika auf Reisen und hat darüber ausführlich in der Reisechronik „Weltenbummler“ (2014) berichtet. Von Juni 2016 bis Juni 2017 gab es nun eine Fortsetzung entlang der Westküste Amerikas zuerst Richtung Norden durch Kanada bis Alaska und von dort aus zurück Richtung Süden bis Mexiko. Die Erlebnisse wurden abermals in tagebuchartigen Einträgen festgehalten und erscheinen unter dem Titel „Mit dem Schulbus in die Wildnis“ (2018).
Schon beim erstem Mal war nicht ganz ersichtlich, was Heike Praschel eigentlich genau antreibt ihre Sippe unter beschwerlichen Umständen tausende Kilometer durch die Landschaften zu jagen. Ist es Fernweh? Neugier? Sehnsucht nach unberührter Landschaft? Oder gar die Freude am Ausnahmezustand? Auch diesmal wird man nicht recht klug bei der Lektüre. Die Erlebnisse (Umbau des Fahrzeugs, Suche nach Unterkunft, Pannen, unverbindliche Begegnungen) wiederholen sich bereits nach kurzer Zeit. Es vergeht viel Zeit, in der die Familie unter beengten Verhältnissen und schlechten Witterungsbedingungen Probleme lösen oder auf irgendetwas warten muss. Wilde und gezähmte Tiere sind ein großes, immer wiederkehrendes Thema, das beim Lesen aber bald ermüdet. Man erfährt wenig bis gar nichts von den Beziehungen innerhalb der Familie, alle sind nur mal kurz betrübt, aber meistens zufrieden und alle Probleme lösen sich am Ende in Wohlgefallen auf. So stellt es zumindest die Autorin da. Der Ehemann Tom wird als williger Chauffeur, Mechaniker und sonstiger Problemlöser dargestellt, hat quasi immer den Overall an, blättert in der Reparaturanleitung und hat den verstellbaren Schlüssel in der Hand. Die Kinder sind glücklich in der Natur, spielen mit Tieren, es wird der Anschein einer heilen Welt erweckt.
Praschels Schreibstil hat sich seit der ersten Veröffentlichung nicht entwickelt, wirkt immer noch unbeholfen und wenig eloquent, nicht mal im Ansatz literarisch (und das ist selbstverständlich auch bei Reiseliteratur möglich). Vermutlich hat der Schulbus als Gefährt die Reiseleiterin auf die Idee gebracht die Auszeit der Kinder von der Schule als Bildungsprojekt zu verstehen. Allen Ernstes versteigt sie sich dazu die langwierige Individualreise als „German School Project“ zu betiteln. Anscheinend hatte man bayerische Schulbücher im Gepäck und hat an Regentagen fleißig gelernt damit es nach der Rückkehr keine größeren Probleme gibt. Im Text wird darüber an keiner Stelle ein Wort verloren, dabei hätte es wirklich interessant sein können, wie homeschooling on the road so funktioniert und wie anstrengend es vermutlich für die Eltern ist dem ohne festen Tagesplan, in einem fahrenden Schulbus und in einem Gemeinschaftsraum von nur wenigen Quadratmetern nachzukommen. Darüber aber leider keine Angaben. Auch was ein Jahr im Familientourbus so innerhalb einer Paarbeziehung verändert, wird nicht thematisiert. Als letztes dann noch die Frage danach wie die so naturverliebte Autorin eigentlich die ökologische Bilanz dieser Irrsinnstour gegenüber sich und anderen rechtfertigt. Wie viele tausend Liter Diesel wurden für die Selbsterfahrung verfeuert? Wie man es auch betrachtet, es ist vermutlich kein nachahmenswertes Projekt, denn was daran so besonders sein soll, erschließt sich auch nach dem zweiten Buch nicht wirklich. Vielleicht geht es auch einfach darum, es geschafft zu haben und es der Welt mitzuteilen. Denn wenn alles so großartig und einzigartig gewesen ist, fragt man sich warum die Familie überhaupt wieder nach Deutschland zurückkehrt. Auch dafür werden keine Gründe geliefert.
Fazit: Die einjährige Tour war keine Rundreise, sondern ein Hin und Zurück von Süd nach Nord und Nord nach Süd auf ein und derselben Einbahnstraße. Genauso fühlt sich auch die Lektüre an: Lange Strecke, viel Gummi abgefahren und viel Diesel verbrannt, aber rein inhaltlich wenig vorangekommen. Darüber braucht man keine Bücher zu schreiben, da reicht ein Tagebuch und ein Fotoalbum für die Familie.
Das Buch hat in der Mitte farbige Fotos und ist im vorderen und hinterem Buchdeckel mit kleinen Karten von Nordamerika ausgestattet, die einen die kerzengeraden Routen auch kartographisch mitverfolgen lassen. Einen Blog oder eine weiterführende Information im Internet gibt es offensichtlich nicht.
„Mit dem Schulbus in die Wildnis“ erscheint bei Malik, hat 358 Seiten und kostet 20 Euro.
zuviel diesel & dust von midnight oil gehört 🙂
1. Gibt es in Bayern eine Schulpflicht? Mich würde die Begründung zur Befreiung für die 2 schulpflichtigen Kinder interessieren. Klar finden es Kinder klasse, wenn sie immer „jubelnd“ in der Wildnis toben können. Für solche Kinder richtet dann der Staat Sonderfördermaßnahmen ein.
2. Das Ehepaar Praschel gibt vor, besonders auf die Umwelt zu achten. Sie fahren aber seit Jahren mit uralten Fahrzeugen mit sehr hohem Kraftstoffverbrauch durch die Welt. Solche „Ökoaktivisten“ demonstrieren dann gegen Dieselfahrzeuge.
3. Wenn es in der Welt so toll ist, warum kommen sie nach Deutschland zurück? Sicher, um die Annehmlichkeiten zu genießen, die andere mit ihren Steuern ermöglichen.
@Marika Bourquain: Danke für den Kommentar und willkommen auf diesem Blog. Sie kommen ja gleich mächtig in Fahrt, schon das Buch gelesen? In Bayern gibt es selbstverständlich eine Schulpflicht, die gilt aber nur innerhalb der Landesgrenzen, ob die Praschels Ökoaktivisten sind, wissen wir nicht, aber ich erkenne ebenfalls eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Meines Wissens haben die Praschels für ihre Reisen (und im Leben danach) keine öffentlichen Gelder verwendet, ist also ihre Sache und geht uns nichts an. In einer freien Gesellschaft müssen wir aushalten, dass andere Menschen anders leben als wir es tun. Gut finden müssen wir es natürlich nicht.