Buch: „In Mexiko“ von Andreas Altmann

Nach durchwachsenen Lebensratgebern („Gebrauchsanweisung für die Welt“ (2012), „Gebrauchsanweisung für das Leben“ (2017)) arbeitet der deutsche Reisebuchjournalist und Buchautor Andreas Altmann endlich wieder in seinem ureigentlichen Fachgebiet. In seiner Reisebeschreibung „In Mexiko – Reise durch ein hitziges Land“ erzählt er von seinen persönlichen Erlebnissen und Eindrücken und liefert einen soliden und lebendigen Text, einen klassischen Altmann ab.
In seinen letzten Publikationen hatte er sich mehr und mehr um sich selbst gedreht und seine sattsam bekannten Meinungen und Lebenseinstellungen dermaßen oft und ausladend ausgebreitet, dass man nahezu die Lust verlor weitere Texte von ihm zu lesen. Kirche, Glaube, Monogamie, Familie, Kinder, Bürgerlichkeit, etc. alles nichts für ihn, Verachtung, Selbstgerechtigkeit und moralische Überheblichkeit tropften aus nahezu jeder seiner Zeilen. Nun hat sich Altmann aber dezidiert vorgenommen nicht mehr zu lästern, sich nicht mehr über die Lebensumstände und Schwächen anderer zu erheben. Und das ist erstmal eine sehr gute Nachricht für interessierte Leser, so ist die Lektüre erträglich, immer wieder auch interessant, amüsant und erbaulich.

Natürlich pflegt es nach wie vor seinen eigenen Reise- und Schreibstil. Termine und genauere Angaben über Unterkünfte oder sonstige Reiseumstände bleiben meist unerwähnt. Altmann ist kein Chronist, sucht nicht den gemeinsamen Nenner oder generiert generelle Betrachtungen. Er ist Individualreisender, sucht nach unverfälschter Echtheit, redet mit Einwohnern, lässt sich auf sie ein, hört geduldig zu. Im laufenden Text erklärt er spanischsprachige Wortspiele, übersetzt feinfühlig und es wird klar, dass er die Sprache gut beherrscht und feine Zusammenhänge erkennt. Das ermöglicht eine besonders Tiefe bei den unzähligen Begegnungen. Altmann erfährt dadurch Sachen, die anderen wohlmöglich entgangen wären.

Seine Beschreibungen umfassen auch das Unschöne, das Hässliche, das Widersprüchliche. Er liest örtliche Zeitungen und erfährt von Schießereien und brutalen Morden in seinem direkten Umfeld. Nahezu täglich wird von unzähligen Opfern der allgegenwärtigen Drogenkriege berichtet. Auch der gewöhnliche Alltag der Mexikaner ist von Gewalt bestimmt: Gemetzel in Fernsehserien, Ballerspiele, Korruption, Unfälle und Unglücke sind an der Tagesordnung. Tod und Verderben lauern immer und überall. Doch Altmann findet in dieser beängstigenden Melange auch das Schöne und Lebenswerte: Farbenpracht, Musik & Tanz, gutes Essen, bildhübsche Frauen, freundliche Menschen, soziales Engagement, Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe. Mexiko bietet die gesamte Bandbreite der Menschlichkeit von abgrundtief schrecklich bis wunderschön.

Fazit: Endlich mal wieder ein Altmann der rundherum Spaß macht zu lesen. Wertvoll ist der Reisebericht auch deshalb, weil das eigene Bereisen von Mexiko einigen Menschen evtl. aus nachvollziehbaren Gründen zu risikoreich erscheinen mag (auch der erfahrene Altmann wurde heftigst bestohlen). Da ist es gut, wenn ein mutiger Erzähler vorangeht und uns seine persönlichen Eindrücke interessant verpackt zurückbringt. Sein Schlusssatz über Mexiko: „Bloßes Leben, Tag für Tag.“

Das Buch hat 290 Seiten, erscheint bei Piper und kostet 20€.

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