von Marlene Hübler geb. Schumacher (Tochter von Max Schumacher)
Sie haben meine Nichte nach dem Erfinder der Schröder-Lampe gefragt. Ich nehme dies gern zum Anlass aufzuschreiben, was mir als Tochter noch in Erinnerung ist. Doch zuerst mal die Daten meines Vaters: Max Schumacher, geboren am 11.11.1885 in Lotha, Chile. Er studierte in Deutschland Bildhauerei, betätigte sich aber auch als Architekt, beschäftigte sich sehr viel mit Formgebung (die Firma Wehag fabrizierte die von ihm entworfenen Türklinken) und er war Er-finder vieler Patente. Seine umfangreichste Erfindung ist die heute bekannte Stromschiene. Er war deren Urheber, leider nicht ihr Nutznießer. Er hat an dieser Erfindung viele Jahre gearbeitet. Doch zurück zur Lampe: Sie kam so zustande:
In der Vorkriegszeit war mein Vater in Geschäften unterwegs und sah in der Innenstadt Berlins einen Lampenladen, der ihn interessierte. Dem Inhaber, einem Herrn Schröder, sagte er unverblümt etwa Folgendes: „Ihr Laden sieht so aus, als wollten Sie gern, könnten aber nicht so recht.“ Dieser Helmut Schröder nahm die Äußerung humorvoll hin und erklärte, dass er den Laden erst kürzlich eröffnet habe. Die beiden kamen so ins Gespräch und dabei stellte sich heraus, dass Helmut Schröder noch zwei Brüder hatte. Beide saßen in Lobenstein, Thüringen. Einer von ihnen, Werner Schröder, besaß dort eine Metallwarenfabrik. Dies nahm mein Vater zum Anlass dem Ladenbesitzer einen Vorschlag zu machen, der etwa so aussah: Ich werde Ihnen eine Lampe entwerfen, die ganz und gar aus Metall herstellbar ist, sodass sie in der Firma ihres Bruders fabriziert werden kann. Sie wird außerdem so konstruiert sein, dass sie sich auseinandernehmen und, stapelbar, in großen Kartons verpackt leicht verschicken lässt. Etwa 20 Stück pro Karton. Und so, von sich selbst angespornt machte mein Vater sich an die Arbeit und entwarf jene Schreibtischleuchte, die unter dem Namen Schröder-Lampe damals den Markt erobert hat. Außerdem bestimmte mein Vater die Farben. So erschien die Lampe in weiß, grün, dunkelrot, beige, gold und silbern.
Mein Vater schloss mit den Brüdern einen Lizenzvertrag ab, d.h. er war am Umsatz beteiligt und bekam eine gewisse Summe pro verkauftes Stück. Obwohl man die Lampe bald in jedem besseren Büro sehen konnte, erhielt mein Vater kaum je eine Abrechnung, nur ab und zu eine geringe Summe Geld. Deshalb begab er sich eines Tages nach Lobenstein wo er einerseits gegen den Fabrikanten prozessierte andererseits von ihm mit dem Entwurf zum Bau seines Wohnhauses neben seiner Fabrik beauftragt wurde. Und obwohl sie viel Ärger miteinander hatten, entwickelte sich zwischen dem Ladenbesitzer Helmut Schröder und meinem Vater ein fast freundschaftliches Verhältnis. Zu meiner Schwester sagte Helmut Schröder in dieser Zeit einmal: Obwohl wir dauernd gegeneinander Prozesse führen, dein Vater ist mein bester Freund, ich hab ihn richtig gern. Ich erinnere mich noch, dass, als mein Vater einen Herzinfarkt hatte, sich Helmut Schröder sehr um ihn kümmerte und ihm alle möglichen Geschenke brachte u.a. ein ganz kleines neuartiges Radio. Vermutlich versuchte er sein schlechtes Gewissen meinem Vater gegenüber zu mildern.
Auch während des Krieges wurde die Lampe in Lobenstein weiter fabriziert, wenn auch zu der Zeit in minderer Qualität. Die Firma schuldete meinem Vater inzwischen ziemliche Summen, die Verhandlungen zogen sich hin, später zahlte man zum Teil meinen Vater in Naturalien aus, d.h. man überließ ihm eine große Anzahl Lampen.
Nachdem Atelier und Werkstatt meines Vaters und danach auch noch die Wohnung meiner Eltern in Berlin ausgebombt waren, reiste mein Vater in die Elmau, wo er vermutlich Aufträge hatte und dirigierte meine Mutter und mich nach Lobenstein, wo er dann mit dem Fabrikanten endgültig abrechnen wollte. Wir wohnten dann Ende des Krieges dort in zwei gemieteten Dach-zimmern und mein Vater war mit neuen Erfindungen beschäftigt. Aus dieser Zeit habe ich vor allem zwei Episoden in lebhafter Erinnerung: In unserer Küche, die zugleich Wohn- und Arbeitszimmer war begann mein Vater während ich ein halbes Jahr Latein nachzubüffeln hatte und meine Mutter am Herd wirkte, sich einen neuen Angestellten zuzulegen, einen Heimkehrer, von Beruf technischer Zeichner, den er auf der Strasse aufgelesen hatte. Nun saßen wir also zu viert mit grundverschiedenen Interessen in der Wohnküche und es kam zu erheblichen Szenen zwischen meinen Eltern. Die beiden Herren unterhielten sich begeistert und lautstark über die Ent-würfe meines Vaters während ich mich vergeblich bemühte mich auf das Latein zu konzentrie-ren. Dabei geriet meine Mutter zwecks meiner Verteidigung derart aus den Fugen, dass sie mei-nem Vater einen Latschen an den Kopf warf, mich an die Hand nahm und das Haus verließ. Ich weiß noch, dass ich staunend zur Kenntnis nahm, wie wenig tragische Nachwirkung dieser Vor-fall bei meiner sanften Mutter hinterließ, während ich dachte, dass nachdem meine Mutter so handgreiflich geworden war, meine Eltern sich trennen werden, mein Vater niemals verzeihen wird und ich eine Halbwaise werde. Und mein Vater von sich selbst immer vorwurfsvoll als Er-nährer der Familie bezeichnet, würde gewiss nicht für uns beide sorgen. Aber zu meinem Erstau-nen nahm das beschwerliche Leben seinen gewohnten Fortgang.
Eines Abends, als mein Vater mal wieder in Geschäften unterwegs war, gingen meine Mutter und ich ins Kino. Plötzlich wurde die Vorstellung unterbrochen, um der Mitteilung Platz zu machen, dass wir nach Hause gehen sollten, um alle Fenster zu schließen, es sei ein Orkan mit Windstärke 12 im Anmarsch, der Bäume entwurzelt und Dächer abdecken kann. Meine Mutter und ich eilten in unsere Dachzimmer und brachten unsere bescheidene Habe in Sicherheit, d.h. wir stellten unseren Hausrat auf den Fußboden. Nichts geschah. Wir aber wurden derartig müde, dass wir beschlossen, alles stehen und liegen zu lassen und ins Bett zu gehen. Am nächsten Morgen klopfte es energisch an der Tür und herein kam ein grämlich aussehender Mann in dunkelgrünem Lodencape. Er kam vom Finanzamt und wollte, da mein Vater wieder einmal keinerlei Steuer be-zahlt hatte, pfänden. Meine Mutter wies gelassen auf den gesamten auf dem Boden stehenden Hausrat hin und sagte geistesgegenwärtig: „Na, dann fangen Sie mal an, ich habe schon alles zurechtgestellt“. Der Mann war darauf hin so schockiert, dass er ganz schnell das Weite suchte. Unser Lampenlager hatten wir verschwiegen.
Mein Vater zahlte grundsätzlich keine Steuern, nicht weil er ein Betrüger war, sondern weil er der festen Ansicht war, dass das Leben eines Künstlers, zumal mit Familie, ohnehin ganz unzumutbar schwer ist und der Staat froh sein müsse, dass er immerhin verhindere, dass seine Familie der „Wohlfahrt“ anheimfalle.
Kurz vor Kriegsende beauftragten dann die Brüder Schröder erneut meinen Vater mit dem Bau eines Zweifamilienhauses, das zu der Zeit als zunächst die Amerikaner Lobenstein besetzten, in halbfertigen Zustand war. Zu der Zeit wurde mein Vater den Schröders gegenüber noch einmal massiv, was nicht ausschloss, dass er mit Helmut Schröder, der inzwischen auch nach Lobenstein gezogen war und dort ein hübsches Haus bewohnte, sich befreundet fühlte, so dass wir oft bei ihnen zu Gast waren und köstlich bewirtet wurden. Dieser Schröder, inzwischen wie alle Schröders von meinem Vater nur als Gangster bezeichnet, hatte während des Krieges wohl ziemliche Schiebereien gemacht. Jedenfalls gab es bei ihnen allen Luxus, den man sich wünschen konnte. So spielte ich mit der Schrödertochter u.a. Schuhladen. Es gab dort eine solche Unmenge Damenschuhe, dass dies Spiel nahezu vollkommen war.
In eben dieser Zeit portraitierte mein Vater deren Tochter im Auftrag der Eltern. Die Tochter, die nicht gerade eine Schönheit zu nennen war, brachte sehr selbstbewusst meinem Vater einigen Ärger indem sie verlangte viel schöner in Ton zu erscheinen, als sie in Wirklichkeit war. Ich erin-nere mich wie sich mein Vater sehr heftig deshalb mit diesem Gör stritt, am Ende aber doch zu einem Kompromiss bereit war, sodass dieses Portrait dadurch künstlich nicht gerade gewonnen hat.
Und wie immer, wenn die Schröders sich unter Druck gesetzt fühlten zahlten sie etwas. Zwar nicht in bar, sondern in Ware wie das ihre Art war. Doch diesmal war die Ware immerhin das halbfertige Haus. So wurde mein Vater zum ersten Mal in seinem Leben Hausbesitzer und wir besaßen ein „Eigenheim in Lobenstein“, es entstammte also der Erfindung der Lampe. Wir wohnten aber noch zu dritt in den beiden Dachzimmern, da meine Mutter sich weigerte in das Eigenheim einzuziehen, solange die Fenster nicht verglast waren. Mein Vater schimpfte uns „prätentiöse Luxusweiber“ und sagte vorwurfsvoll: andere Leute wären froh, wenn sie überhaupt ein Dach über dem Kopf hätten. Deshalb gab es wieder furchtbare Kräche zwischen meinen Eltern bis mein Vater über den Tausch von Lampen, mit denen wir ja reichlich gesegnet waren, Glas-scheiben organisierte und das Haus soweit bezugsfertig wurde. Diese Bezugsfertigkeit war aber nicht sehr vollkommen, denn es gab z.B. Türen, ja sogar Schlösser in diesen Türen, jedoch keine Klinken. Türklinken waren nirgends aufzutreiben. Meine Mutter und ich bekamen zusammen eine dicke Holztürklinke, die wir in jedes Schloss stecken mussten, um eine Tür zu öffnen, während sich mein Vater eine kleine zusammenklappbare Türklinke konstruierte, die er in der Hosentasche trug. Was sich nun in unserem Eigenheim abspielte sah folgendermaßen aus: Mein Vater wieder viel unterwegs auf der Suche nach Maschinen und Werkzeug für eine neue Werk-statt, meine Mutter und ich zuhause. Wir ließen das Badewasser einlaufen und im unteren Stockwerk des Eigenheims angekommen, hörten wir die Badezimmertür ins Schloss fallen, wä-rend dort das Wasser lief und lief… Die Türklinke natürlich im Bad. In solchen Fällen musste ich schnell meine ererbte Erfinderfähigkeit nutzen und in der Werkstatt meines Vaters nach einem geeigneten Gegenstand suchen mit dem ich im letzten Moment dann doch die Tür öffnen konnte.
Das Landleben in Lobenstein war bewegt, sehr spannungs- und abwechslungsreich dank der von meinem Vater entworfenen “Schröder-Lampe”.
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archiviert und aufbearbeitet von Nanette Schumacher (Enkelin von Max Schumacher), 2021
Ich freue mich, dass diese bizarre Geschichte nun in der „Welt“ ist und
hoffentlich gut unterhält….danke Dennis…
Nannette Schumacher
Ich habe solch eine Lampe in Gold von meinem Onkel geerbt. Sie ist bis auf die Lackierung, die Lampenfassung und das Kabel in Ordnung, weshalb ich mich dazu entschlossen habe, sie wieder aufzuarbeiten. Es gibt einige Stellen am Fuss sowie auf dem Schirm, wo der Rost durchkommt, das Stoffkabel ist dermaßen spröde, das es regelrecht bricht und die Lampenfassung aus Kunststoff (wahrscheinlich Bakelit) zerbröselt bereits.
Aus sicherheitstechnichen Gründen werde ich das ganze nun zwar wieder mit einem Stoffkabel, jedoch 3-adrig bzw. mit Schutzleiter versehen.
Eine Frage habe ich zu dem unterm Fuss eingestanztem Emblem. Hier steht “Original Schröder / Bretten”, also nicht Lobenstein. Was hat es damit auf sich. Können Sie mir das erklären?
Für eine Antwort wäre ich Ihnen dankbar
sehr geehrter herr maurer,
original schröder/bretten habe ich noch nie gehört, gesehen….
auf meiner lampe ist das emblem W wie werner und S wie schumacher
und lobenstein…geprägt…
keine ahnung wie das zustande kommt…
vielleicht hatte einer der brüder im bretten eine metallfabrik und hat die lampe
kopiert…keine ahnung….
Mit freundlichen Grüßen
nannette schumacher
Grossartige Geschichte und toll wiedergegeben, vielen Dank!
Mit freundlichen Grüßen
Stefani, ein Lampenliebhaber aus Berlin