Nadia Durrani und Brian Fagan sind englische Archäologen. Die englischsprachige Originalausgabe „What We Did in Bed. A Horizontal History“ erschien bereits 2019, hatte sich aus einer Auftragsarbeit eines Matratzenherstellers entwickelt und wurde schließlich zu einem Buch erweitert. Im Frühjahr 2022 erschien nun die deutsche Übersetzung „Was im Bett geschah. Eine horizontale Geschichte der Menschheit“.
Nach der Einleitung folgen zehn Kapitel über den Ursprung der Menschheit, Schlaf, Sex, Geburt, Tod, Reisen, Wohnsituationen, Rückzugsorte und die Zukunft. So ziemlich jeder Aspekt menschlicher Existenz wird in Bezug auf seine Schlafstätte betrachtet und erklärt, es werden Quellen dargelegt, Zusammenhänge hergestellt, Theorien entwickelt und hin und wieder wild spekuliert. Die thematische Aufteilung in die Kapitel bringt etwas Ordnung in die umfangreiche, fast ausufernde Betrachtung, trotzdem werden ständig Beispiele aus allen Zeitaltern, aller Herren Länder und verschiedensten Kulturen eng aneinander gereiht, so dass man als Leser immer wieder den Überblick verlieht, weil man gar nicht so schnell trennen und differenzieren, so schnell wie hier die Bezüge durcheinandergewechselt werden. Man fragt sich während der Lektüre wiederholt, „Was habe ich gerade gelesen?“ und vergisst es auch gleich wieder oder die Einzelinformationen und Geschichten vermengen sich und man behält nur noch irgendwelche speziellen Mikroinformation im Kopf, verliert komplett den Blick für das große Ganze.
Das ist zugleich Merkmal und Problem dieser Art themenspezifischer Geschichtsschreibung: Man versucht akkurate Wissenschaftlichkeit mit unterhaltsamer Erzählung zu verbinden und das funktioniert leider nur in den allerseltensten Fällen. Dies ist ein schönes Beispiel dafür, dass es sicherlich gut gemeint, aber trotz aller Mühe letztlich nicht gelungen ist. Viele Passagen erscheinen detailliert, aber sprunghaft, andere unterhaltsam aber nicht immer vertrauenswürdig, ausgewählt wurden naturgemäß spektakuläre und exzentrische Beispiele oder Begebenheiten, die die langweilige Normalität gerne verkleinern oder verkürzen. So wird seitenweise über wissenschaftlich kaum belegte Schlafstätten von Urmenschen über den Zeitraum von 10.000en Jahren spekuliert und über prachtvolle Himmelbetten von französischen Königen palavert, die heutige Situation von Menschen insbesondere in ärmeren Ländern, die ja im Vergleich relativ leicht zu erforschen wäre, wird leider überhaupt nicht betrachtet.
Fazit: Irgendwie ganz interessant, aber trotz des weit gespannten, anregenden Titels letztlich zu wenig interessantes Thema für ein ganzes Buch. Da hätte auch ein längerer Artikel ausgereicht. Wissenschaft und Unterhaltung passen einfach zu selten gut zusammen. Hier liegt das Problem auch darin, dass die Zielgruppe nicht klar definiert ist. Wissenschaftler werden den unklaren Fokus und fehlende Ernsthaftigkeit kritisieren, normalen Leser dürfte das Buch zu wenig unterhaltsam und viel zu ausführlich erscheinen.
Das gebundene Buch hat 269 Seiten, wenige, kleinformatige s/w-Abbildungen, erscheint bei Reclam und kostet 24€.