„Vom Kochen und Töten“ ist das Debutwerk des jungen deutschen Philosophen Leon Joskowitz. Der Untertitel fasst den Inhalt gut zusammen: „Kulinarische Meditationen über den Anfang der Menschheit“. Seine Einsichten und Erkenntnisse hat der Autor nach dem Universitätsstudium bei jahrelangen, kulinarischen Feldforschungen gesammelt, sie führten ihn in verschiedene Länder zu Praktika in Landwirtschaft, Jagd, Weinberge, Küchen und Gastronomie.
Die These: Das Kochen hat uns zu Menschen gemacht. Nahrungszubereitung und das Leben am Feuer sind sowohl Voraussetzung als auch grundlegende Elemente der menschlichen Kultur. Die Geschichte dazu erzählt er unterhaltsam, aufklärend und plausibel in neun Kapiteln (dazu in vollendeter Form die Einleitung „Von Tieren und Menschen“ und der Epilog „Von Menschen und Tieren“). Die Kapitelüberschriften umfassend archaische Tätigkeiten der Nahrungsbeschaffung und Zubereitung: Sammeln, Schlagen, Schneiden, Jagen, Töten, Kochen, Sprechen, Wir und die anderen, Lachen. Schon der Aufbau des Textes lässt eine sinnvolle Struktur, wohl sortierte Form und ein fast schon barockes Gleichmaß erkennen. Die Menschheitsgeschichte beginnt hier schon früher als bei anderen Erzählungen mit den ersten Faustkeilen und natürlichen Klingen. Zentraler Punkt ist die bis heute aus wissenschaftlicher Sicht unerklärliche Bewusstwerdung der ersten Hominiden, das Heraustreten aus der Natur und der lange und schrittweise Übergang zur menschlichen Kultur. Handwerkliche Fertigkeiten, weitergegebenes Wissen, Umgangsformen, Strategien, Rituale, Gemeinschaft, Sprache, sehr viele Aspekte menschlichen Lebens und Überlebens werden hier angeschnitten und aus ungewöhnlicher Perspektive beleuchtet. Die eigenen Ideen und Thesen des Autors sind originell, ausgereift und überzeugend. Sie lassen sich nicht zweifelsfrei belegen, aber es handelt sich bei dem Buch auch nicht um einen wissenschaftlichen Text, sondern um eine Sammlung philosophischer Gedanken zu einem zentralen Thema der Menschwerdung und hier bringt Joskowitz seine ganze argumentatorische Stärke auf angenehme Art und Weise ein. Eingebunden ist die Erzählung in eine anekdotische Rahmenhandlung, die einige exemplarische Stationen seiner persönlichen Recherche szenisch und dialogisch nachzeichnet, gut lesbar und sehr gelungen.
Fazit: Ein lohnendes Buch, das die Entwicklung des Menschen in seiner frühesten Phase philosophisch nachzuvollziehen versucht. Dass die Kulinarik dabei eine große, wenn nicht die entscheidende Rolle gespielt haben könnte, ist eine erstaunlich überzeugende These, die reichhaltig unterfüttert wird ohne sich dabei in überflüssigen Details zu verlieren. Das Buch eröffnet einen ungeahnten, frischen Blick auf selbstverständliche Aspekte unserer archaischen Menschheitsgeschichte. Dicke Empfehlung!
Das gebundene Buch erscheint im Westend Verlag, hat 188 Seiten und kostet 22 Euro.