von Gerald Langer
(music-on-net) – „Cover das Cover“ – die Musikstudenten sind regelrecht respektlos, möchte man meinen. Sie scheuen sich noch nicht einmal, für ihre aktuelle Retroproduktion „Take Five“ auf die legendäre Pappummantelung von Cannonball Adderley’s – Somethin‘ Else, erschienen bereits 1958, zurückzugreifen, ohne auch nur einen Song dieses Jazzklassikers neu zu interpretieren. Der visuelle Rückgriff auf diese Blaupause von Reid Miles, der das Maßstab setzende Corporate Design des amerikanischen Plattenlabels Blue Note, welches im letzten Jahr seinen 75. Geburtstag feiern konnte, über viele Jahr prägte, ist dabei hörbarer Anspruch zugleich. Bringt sich doch das Quartett unweigerlich mit großen Namen wie Miles Davis, Art Blakey, Hank und Sam Jones in Verbindung.
Im vokalen Intro zu „Mercy, Mercy Mercy“ gibt Dennis Schütze gleich einmal eine Hand-lungsanweisung, wie man sich verhalten möge, wenn ein Missgeschick passiert. John „Cannonball““ Adderley hatte dieses Komposition von Joe Zawinful einst bekannt gemacht. Die Musikstudenten päsentieren ihre Version im klaren Stereomix unter Akzentuierung des Saxophons.
„What A Difference a Day Made“ hatten die einst Dorsey Brothers in den 1930er Jahren, später von Dinah Washington popularisiert. Dr. Hook & The Medicine Show haben bei „When You ‚re In Love With A Beautiful Woman“ Jahrzehnte später davon genascht, ohne allerdings die Klasse dieses Evergreens annähernd zu erreichen. Hier in einer schmachtvollen Chill-Out-Version der Musikstudenten. What a difference!
„Take Five“, weltbekannt in der Version des Dave-Brubeck-Quartetts, komponiert allerdings von Paul Desmond, ist eine weitere Glanznummer, die mir hier mit gerade einmal drei Minuten Spiellänge etwas zu kurz geraten ist.
„It’s Only A Paper Moon“ ist eine Hommage an das blecherne Blasinstrument, dass sich als Alt-, Sopra- und Tenorsaxophon immer wieder den Platz in der ersten Reihe erobert. Dieser Jazzstandard klingt hier im besten Sinne altmodisch. Die Interpretation der Musikstudenten würde problemlos jedem schwarzweiß gedrehten Woody Allen Film aus den 1970er Jahren bestens zu untermalen wissen.
Der Schlusspunkt wird mit „Tico, Tico“, bekannt gemacht von Carmen Miranda im Musical Copacabana, als relaxte Rumba gesetzt.
Eigentlich müsste dieses kleine Werk stilecht auf 12-Zoll-Vinyl mit 45 Umdrehungen/Min erscheinen, leises Knistern inklusive. Musik nicht nur zum Hören, sondern auch zum Anfassen. Ein Exemplar dann auch für Rudy van Gelder, den legendären, noch lebenden Tonmeister des Blue-Note-Labels.
Sind die Musikstudenten ihrem Credo treu geblieben? „Easy Listening für Easy Listeners“? Schon auch, aber eben nicht nur. Und schon gar nicht ist Take Five ein – im negativen Sinne – kreatives Abfallprodukt auf dem Weg zur „Geschlossenen Gesellschaft“, jüngst ebenfalls beim Online-Label Fuego erschienen. Es ist den Musikstudenten also ganz und gar kein Missgeschick passiert, sondern sie hatten „ihren Lauf“ und haben im Vorübergehen mit zwei unterschiedlichen EP’s zum Doppelschlag ausgeholt. Beide Short-Player reihen sich zudem nahtlos in das sonstige Repertoire – Tango, Mambo, Cha-Cha, Bossa, Rumba, Samba, Jazzballade und Blues – der ewigen (Musik-) Studenten ein. Auch Musiker lernen eben nie aus. Beruhigend!
Gerald hat es schon drauf! Seine Reviews sind immer besonders und auch diesmal gespickt mit viel Wissenswertem aus Musikgeschichte und Gegenwart.
@Gerhard: Die Band und der Mixer haben sich auch sehr über den stilvollen und wohl informierten Review gefreut. Endlich jemand, der den semiotischen Bezugsrahmen der Albumproduktion erkennt, einzuordnen versteht und zu interpretieren weiß. Yippie!