In meinem Kingsize Bett im Excellent Inn habe ich gut geschlafen, bin aber trotzdem relativ frueh aufgewacht. Es ist 8:00 am Morgen des Ostersonntag, alles ist ruhig und friedlich. In der Lobby habe ich erstmal mein Fruehstueck eingenommen, alles in Styropor und Plastik.
Danach habe ich den Blogeintrag geschrieben und mit der netten Frau an der Rezeption geredet. Ich wollte zu eienm Gottesdienst am liebsten auf der anderen Flussseite in Ferriday, Heimatstaedtchen von Jerry Lee Lewis. Sie empfahl mir die First Baptist Church an der Hauptstrasse, ich zog mir ein ordentliches Hemd an, packte zusammen, checkte aus, fuhr los und kam auf die Minute puenktlich zum Beginn des Gottesdienstes um 10:30. Ich wurde am Eingang per Handschlag begruesst, als ich eintratt hatten die allermeisten schon ihre Plaetze eingenommen und der Chor stellte sich gerade auf. In einer Lade an der Rueckseite der Sitzbank vor mir steckte die Holy Bible und das Hymn Book.
Wir wurden vom Chorleiter begruesst, es wurde viel gesungen und dazwischen gab es immer wieder besinnliche Ansprachen von einem Prediger in Anzug und Krawatte. Natuerlich ging es in erster Linie um Jesus und seine Auferstehung. Der Chor sang die meiste Zeit zu sehr modernen und aeusserst opulenten Playbacks, die Texte wurde gleichzeitig auf eine Leinwand projiziert, wirkte dadurch etwas artifiziell und nicht ganz so wie man es sich vielleicht vorstellt, aber die moderne Technik wird eben auch hier eingesetzt. Alle Redner hatten klitzekleine Mikros und Ohrstoepsel und waren sehr gut und deutlich zu hoeren. Im weiteren Verlauf kam dann noch eine Predigt, die auf einem Abschnitt aus dem Mattheus Evangelium (16) beruhte, darin auch die Stelle an der Jesus zu seinem Juenger Peter sagt: „Get behind me, Satan!“ Irgendwie eindrucksvoll, habe ich schon mal gehoert, muss zuhause mal nachsehen was es damit auf sich hat.
Um kurz vor 12:00 war die Kirche rum, draussen begann es gerade heftig zu regnen, bin noch bisschen in Ferriday rumgecruist, war aber alles etwas trostlos, ich will gar nicht wissen wie hinterwaeldlerisch das hier gewesen sein muss, als Jerry Lee Lewis hier in den 1940ern aufgewachsen ist. Habe dann noch den Weg zu seinem Elternhaus gefunden. Dort wohnt seine Schwester Frankie Jean und betreibt ein sehr improvisiertes ‚Museum‘. Sie sammelt alle moeglich Sachen, alte Fotos, Platten, Poster, Eintrittskarten und Klamotten, irgendein Konzept konnte ich nicht erkennen. Aber sie fragte mich, woher ich den kaeme und ich sagte aus Deutschland und dass mein Vater Thomas Schuetze Mitte der 1980er Jahre auch schon mal hiergewesen waere und da sagte Frankie Jean, ja, doch, an den koenne sie sich erinnern. Und ich so: Ja, genau, glaubt jeder. Dann fing sie an zu suchen, sie bittet Besucher ihr eine Karte oder ein Foto zukommen zu lassen und archiviert die dann in Ordnern, ueber die Jahre war da einiges zusammengekommen und es war in der ganzen Bude verteilt. Sie forderte mich auf mir alles anzusehen, sie haette ein Foto von meinen Vater, sie koenne sich genau daran erinnern und ich so: Ja, genau.
Irgendwann hatte ich mir alles angesehen und wollte langsam mal gehen, da fischte sie auf einmal einen etwas mitgenommenen Ordner aus irgendeinem Regal, blaetterte zielsicher durch die Seiten und zeigte mir ein Bild von meinem Vater. Ich konnte es nicht fassen, er hatte ihr nach seinem Besuch anscheinend ein Foto geschickt, sie hatte es beschriftet (TOMAS) und abgeheftet, jetzt war ich wirklich beeindruckt, die Frau hatte ein Gedaechtnis wie ein Elefant. Ich machte ein Foto vom Foto um es meinem Vater zeigen zu koennen und dann fuhr ich weiter zurueck ueber die Bruecke nach Natchez und von dort aus direkt weiter zum Start des Natchez Trace Parkway, einem sehr ruhigen, langen und uraltem Indianerpfad bzw. spaeter dann Siedlerweg, der von Natchez nach Nordosten bis nach Nashville fuehrt.
Ich bin gefahren bis es Dunkel war und bin untergekommen im Campingplatz Jeff Busby, dort habe ich meinen Schlafsack ausgepackt, habe die Rueckbank umgeklappt und dort die Nacht verbracht. Zum Einschlafen habe ich im Radio Outlaw Country gehoert, wie zuvor schon den ganzen Tag.
Alter du setzt immer noch einen obendrauf, die Story vom Besuch deines Vaters is ja echt unglaublich…wär eben doch ein allzuschöner Roadmovie geworden….mal sehn was du noch so alles für Überraschungen bereithältst…
@Bernhard: Es ist wirklich nicht erfunden, Mann. Ich dachte die ganze Zeit, Frankie Jean bringt da irgendwas durcheinander in dem Chaos in dem sie lebte und ich hatte schon Schiss, dass sie mir ein Foto von irgendeinem Fremden unter die Nase haelt. Auf dieses Szenario hatte ich mich waehrend ihrer fortwaehrenden Sucherei vorbereitet und mir schon Worte zurechtgelegt. Als ich dann meinen eigenen Vater auf dem Foto gesehen habe, bin ich fast rueckwaerst umgefallen.
Es kommt dazu, dass er auf dem Foto, also zum Zeitpunkt seines Besuchs, nahezu genau so alt gewesen sein muss wie ich jetzt gerade (fuer einen kurzen Augenblick dachte ich, ich saehe in einen Spiegel). Das kann doch kein Zufall sein, aber was hat es zu bedeuten?
Hey Dennis,
das ist ja echt verrückt und ich glaube auch, dass es etwas zu bedeuten hat. Bist du vielleicht auf den Spuren deines Vaters unterwegs ohne dass es dir so wirklich bewusst ist? Vielleicht findest du die Bedeutung ja auch noch im weiteren Verlauf deiner Reise heraus?!
Stefan hat natürlich auf jeden Fall recht, aber zu banal.
Komm Stefan, das kann doch nicht deine ganze Erklärung sein.
@Andrea: Stefan sieht es mal wieder viel zu nuechtern. Ich werde jetzt gleich eine kleine Voodoo-Puppe basteln, die ihm aehnlich sieht, und ihm von hier aus seinen intellektuellen Hintern versohlen. Das hat er jetzt davon!
all the things come true: asswhippin` tshatshatsha hey …
alles zufall vs alles vorbestimmung schau mer mal was noch kommt….
@Dennis: Also bis jetzt spüre ich nichts.
@Andrea: Doch, das ist meine ganze Erklärung.
@Dennis: „Das kann doch kein Zufall sein, aber was hat es zu bedeuten?“ – Ganz einfach: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Dennoch eine gute Story, danke 🙂
Bei dem Plastikgeschirr fällt mir wieder Chris Jordan’s Projekt „running the numbers“ ein:
http://www.chrisjordan.com/gallery/rtn/#plastic-cups
Wir haben heute diskutiert, dass es bei dem antiquierten und langweiligen Liedgut, das von den traditionellen Religionen so geboten wird, kein Wunder ist, wenn kaum noch jemand in die Kirche gehen will. Ganz anders hingegen die Gottesdienste der Amerikaner, vor allem in den schwarzen Vierteln. Ich war noch bei keiner solchen Messe, aber ich stelle mir das schon mitreißend vor.
Die Geschichte mit Deinem Vater ist wirklich außergewöhnlich.
@Axel: Sagt der Mann mit den hammerhartesten Geschichten ueber seinen eigenen Vater (bitte verlinken). Geschichten, die das Leben schreibt.
duuude- that bird’s eye view of your breakfast plate looks like fuckin‘ ART 🙂
hey this is all fake, he takes all outta his pocket and arranges everything to make us think this is real….
Ich fand ja schon die sneaker Szene recht Mystery Train mäßig hat mich total an Streaming jan Hawkins erinnert, irgendwie bist du nun auch auf so ner Mystery Road …geschtichtsträchtige Gegenden machen eben mehr als nur Eindruck auf einen…