Florian Huber hat Geschichte und Volkswirtschaft in München, Freiburg, Köln und Orlando studiert. Er ist Autor und Regisseur von Doku-Dramen, Dokumentarfilmen, Reportagen und Sachbüchern. Seit 2007 produziert er als selbständiger Autor und Regisseur Dokumentarfilme für ARD, ZDF, Arte und zahlreiche internationale Sender. Mit „Kind, versprich mir, dass du dich erschießt “ legt er eine umfangreiche, (populär-) wissenschaftliche Publikation in Buchformat vor, die ein sehr spezielles Thema behandelt. Das Buch trägt den Untertitel „Der Untergang der kleinen Leute 1945“ und handelt von der Selbstmordwelle, die ab den letzten Kriegsmonaten von Osten aus durch Deutschland brandete und tausende Frauen, Männer und Kinder mit sich riss. Es wird die Frage gestellt in welchen Abgrund die Menschen damals geblickt haben, dass sie angesichts der Befreiung vom „Dritten Reich“ nur im Tod einen Ausweg sahen.
Das Buch ist in vier umfangreiche Kapitel aufgeteilt: Der erste Teil beschreibt die dramatischen Massenselbstmorde an vier Tagen in der norddeutschen Kleinstadt Demmin in Mecklenburg-Vorpommern kurz vor und während des Ein- und Durchmarschs der sowjetischen Truppen. Der zweite Teil zeigt, dass vergleichbare Selbstmorde im gesamten damaligen Reichsgebiet stattfanden und nahezu an der Tagesordnung waren. Der dritte Teil beschreibt Aufstieg und Fall des Naziregimes und deren Ideologie unter besonderer Berücksichtigung der fanatischen Todesverachtung und Untergangsfantasien. Der letzte Teil behandelt das darauffolgende, jahrzehntelange Stillschweigen über diese unfasslichen Ereignisse in der offiziellen Berichterstattung und Geschichtsschreibung.
Huber schreibt sorgsam, detailreich und dem Thema angemessen. Viele der gründlich recherchierten und sachlich vorgetragenen Geschehnisse sind so brutal und schockierend, dass man als Leser dankbar ist für den unemotionalen und zurückhaltenden Schreibstil. Huber hat den Text klug und spannend strukturiert: Von der punktuellen Betrachtung der Ereignisse in einer Stadt im ersten Teil kommt er im zweiten Teil zur übergreifenden, allgemeinen Stimmungslage im ganzen Land. Im dritten Teil berichtet er ausführlich darüber wie es zu dieser lebensverachtenden Grundstimmung kommen konnte und schließt im vierten Teil mit den Nachwirkungen und Folgen der Ereignisse für Betroffene und Nachwelt.
Er beruft sich bei seinen Schilderungen auf viele verschiedene Tagebücher, Briefe, Berichte, Erinnerungen und Erzählungen von Menschen, die das Jahr 1945 in Deutschland sowie seine Vor- und Nachgeschichte selbst erlebt haben. Alle Quellen sind am Ende des Buches fein säuberlich für jedes Kapitel vermerkt. Mehrere Einzelschicksale werden im Laufe des Buches immer wieder betrachtet und so entsteht ein Narrativ, das die hochtragischen, persönlichen Erlebnisse individuell nachvollziehbar macht. Definitiv nichts für schwache Gemüter, aber ein wichtiger Beitrag zur deutschen Geschichtsbewältigung. Das Buch enthält neben dem Text neun kleinformatige, s/w-Fotoabdrucke.
Das gebundene Buch erscheint im Berlin Verlag, hat 304 Seiten und kostet 22,99 Euro.