Eva Gesine Baur ist Kulturhistorikerin und Autorin von Sachbüchern und fiktionaler Literatur. Das Buch „Emanuel Schikander“ erschien bereits im Jahr 2012 als gebundene Ausgabe bei C.H. Beck, seit einigen Monaten ist es nun auch als günstiges Taschenbuch bei dtv erhältlich. Bei dem Buch handelt es sich um eine klassische Biographie über den „Mann für Mozart“, so der Untertitel, denn Schikaneder war Librettist und treibende Kraft bei der Entstehung der „Zauberflöte“, dem bis heute wohl populärsten deutschen Singspiel. Damit ist Schikaneder in die Musikgeschichte eingegangen, aber er war noch viel mehr als das. Zu seinen Lebzeiten war Schikaneder revolutionärer Theatermacher, waghalsiger Unternehmer und unerschrockener Kampfgeist. Er arbeitete sich vom Dienersohn aus Straubing nach oben zum gefeierten Bühnenimpressario in Wien, Budapest und vielen anderen Orten. Er war Schauspieler, Sänger, Autor und Unternehmer, stand im engen Austausch mit Musikern und Autoren seiner Zeit und setzte über Jahre hinweg immer wieder neue Maßstäbe in der europäischen Unterhaltungskultur.
Eva Gesine Baur arbeitet sich chronologisch durch die mannigfaltige und abenteuerliche Lebensgeschichte des bunten Vogels, erzählt gut informiert und sehr detailreich von den vielen Stationen seiner Karriere. Die Recherche zum Buch muss sehr aufwändig und umfangreich gewesen sein, durchwegs beeindruckt die Autorin mit sehr präzisen Beschreibungen, Beobachtungen und Verweisen. Nebenbei erfährt man als Leser dadurch viel über die Lebensumstände der Menschen, die Bedingungen des Kulturbetriebs und die politischen Umstände. Es ist mehr als eine einfache Biographie, es ist das Portrait eines Berufsstandes, der Stadt Wien, der habsburgerischen Monarchie in Zeiten des gesellschaftlichen Umbruchs. Im ersten Teil werden immer wieder auch Parallelen zum Leben von Wolfgang Amadeus Mozart gezogen. Mozart und Schikaneder waren Brüder im Geiste, aus demselben Holz geschnitzt. Ihre erste und einzige Zusammenarbeit „Die Zauberflöte“ wurde zu einem Meisterwerk, damals sein größer kommerzieller Erfolg und bis heute eines der beliebtesten klassisch-romantischen Bühnenwerke. Durch Mozarts frühen Tod, kam es trotz eines immensen Publikumserfolges bedauerlicherweise nicht zu einer Fortsetzung. Jedoch war die Zauberoper keineswegs der einzige Höhepunkt seines umfangreichen Schaffens. Schikaneder war ein Tausendsassa, ein bunter Hund und ein Hans Dampf in allen Gassen. Ein Allroundtalent, der geborene Entertainer, eine schillernde Figur und nicht zuletzt ein Lebemann, was unzählige uneheliche Kinder und ein Tod als Folge überzogenen Alkoholkonsums zweifelsfrei belegen.
Baur schreibt routiniert, zugänglich und unterhaltsam. Immer wieder werden witzige Anekdoten und Querverbindungen zwischen die allgemeinen Ausführungen gestreut. Der Stil ist ernsthaft, solide recherchiert und dabei angenehm unakademisch. Externe Quellen sind sauber markiert und in den Fußnoten im Anhang ausführlich dokumentiert. Der Autorin bündelt erstmals alle zur Verfügung stehenden Quellen, holt die Figur Schikaneder aus der Obskurität und gewährt neben der eigentlichen Biographie auch einen Einblick in die zeitgenössische Unterhaltungskultur und deren Wandel. Damit gelingt ihr ein hochinteressanter und unterhaltsamer Einblick in die musikgeschichtliche Umbruchsphase zwischen klassischer und romantischer Epoche.
Das Buch enthält mehr als 20 kleinformatige, s/w-Abdrucke von zeitgenössischen Zeichnungen und Kupferstichen. Das Taschenbuch erscheint im dtv Verlag, hat 464 Seiten und kostet 14,90 Euro.