Buch: „Warum die Elf hat, was die Zehn nicht hat“ von Alex Bellos

ElfAlex Bellos ist ein britischer Journalist und Autor. Nach dem Studium der Mathematik und Philosophie in Oxford, verbrachte er als Korrespondent für den Guardian fünf Jahre in Südamerika. Er veröffentlichte Bücher über brasilianische Fußballkultur und populärwissenschaftliche Werke über mathematische Phänomene. Das aktuelle Buch trägt den Untertitel „Entdeckungstouren in die faszinierende Welt der Zahlen“ und erschien unter dem Titel „Alex through the looking glass. How life reflects numbers and numbers reflect life“ im Jahr 2014 im englischen Original. Die deutsche Übersetzung erschien es im April 2015. Das Buch ist eine Fortsetzung von „Alex’s Adventures in Numberland“ von 2010 (deutsch: „Im Wunderland der Zahlen“ Piper, 2013). Es beginnt mit einer knappen Einführung und es folgen zehn umfangreiche Kapitel, ein hilfreiches Glossar, ein ausführlicher Anhang und weitere Anmerkungen. Die Kapitel sind thematisch sortiert und behandeln verschiedene mathematische Phänomene: Ziffern- und Zahlensymbolik bzw. –mystik, universelle Zahlengesetze, geometrische Besonderheiten von Dreiecken, Kegeln, Rotationen, proportionales und überproportionales Wachstum, reale und irreale Zahlen, Infinitesimalrechnung, den mathematischen Beweis und zelluläre Automaten.

Man muss als Leser schon ein überdurchschnittliches Interesse an Zahlen und Mathematik mitbringen um Bellos bei seiner Entdeckungstour folgen zu können. Die eigenen Kenntnisse sollten einigermaßen gefestigt sein und ungefähr dem Stand der deutschen gymnasialen Oberstufe entsprechen. Wenn man dann noch ein Faible für interessante Phänomene hat, ist die Lektüre dieses Buches der reine Genuss. Der Autor führt zu Beginn jedes Kapitels verständlich und plausibel ans jeweilige Thema heran, oft ist die Ausgangslage eine praktische Beobachtung oder ein bekanntes Problem, das sich im Alltag oder in anderen Lebenssituationen beobachten lässt. Teilweise sind es auch klassische Problemstellungen, die von berühmten Mathematikern prominent und mit einfachsten technischen Mitteln bereits vor langer Zeit gelöst wurden (Berechnung des Erdumfangs, Landvermessung, Lauf der Planeten, aber auch der Bau von Schienennetzen oder Achterbahnen). Bellos zeichnet so in lebensnahen Fallbeispielen eine selektive Geschichte der Mathematik und ihrer artverwandter Disziplinen, eine evtl. lückenhafte, aber außerordentlich unterhaltsame Kulturgeschichte der Rechenkunst von der griechischen Antike, über die europäische Aufklärung bis zur globalisierten Gegenwart.

Bellos schreibt mit wissenschaftlichem Anspruch, aber dabei sehr zugänglich und routiniert. Immer wieder werden witzige Anekdoten und Querverbindungen zwischen die Ausführungen gestreut. Der Stil ist ernsthaft, solide recherchiert, aber angenehm unakademisch. Externe Quellen sind sauber markiert und werden im Anhang ausführlich dokumentiert. Der Autor leistet keinen eigenen Forschungsbeitrag, gewährt aber einen hochinteressanter und spannender Einblick in historische Problemstellungen, deren Lösungen und kommenden Herausforderungen einer wahrlich universalen Denkdisziplin.

Die Übersetzung aus dem Englischen stammt von Bernhard Kleinschmidt und ist angesichts der Herausforderung (abstrakte Materie, komplexe Terminologie) bemerkenswert gut gelungen. Nur der Titel klingt im Englischen etwas mehr auf den Punkt („How life reflects numbers and numbers reflect life“), aber da hat der Verlag mitreingeredet. Das Buch enthält viele, sehr hilfreiche Darstellungen und in der Mitte einige Fotos in Farbe und s/w.

Das gebundene Buch erscheint im Berlin Verlag, hat 400 Seiten und kostet 22,99 Euro.

Ein Gedanke zu „Buch: „Warum die Elf hat, was die Zehn nicht hat“ von Alex Bellos

  1. Sehr interessant!
    Nach dem, was ich gerade las, könnte das Buch vielleicht mit „Neil Shubin – „Das Universum in Dir“ verglichen werden: Ein populärwissenschaftl. Buch über all das, was in uns wirkt, seit Anbeginn der Zeiten und hervorgebracht durch die kosmologischen Umstände. Shubin brachte auch immer wieder Anekdotisches ein, was als eine Art Rezept solcher Bücher gelten darf.
    Da letztlich Mathematik in allem waltet und vor allem in der Physik unabdingbar ist, um Vorgänge zu beschreiben, ist ein Buch über eine betont praktische Anwendung sicher angesagt.

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