Warren Berger ist amerikanischer Journalist und bezeichnet sich selbst als Innovationsforscher. Er betreibt die Webseite amorebeautifulquestion.com und untersucht wie eine intelligente Fragestellung zu einer innovativen Problemlösung führen kann. Die Ergebnisse seiner langjährigen Recherchen wurden unter dem Titel „A more beautiful question“ in Buchform zusammen-gefasst. Die deutsche Übersetzung erscheint als „Die Kunst des klugen Fragens“ im Berlin Verlag. Nach einer informativen Einleitung zur Entstehung des Textes folgen fünf übergeordnete Kapitel: 1. Die Macht des Fragens, 2. Warum wir aufhören zu fragen, 3. Das Warum, Was-wäre-wenn und Wie des innovativen Fragens, 4. Fragen in der Geschäftswelt, 5. Fragen für das Leben. Alle Unterüberschriften der Kapitel sind als Fragen formuliert.
Im ersten Kapitel geht es ganz prinzipiell darum was Fragen bewirken können und schnell kommt man zu dem Ergebnis, dass prinzipiell eine Frage am Anfang eines kreativen Prozesses steht. Wohin und wie weit der Prozess den Fragenden führen kann, hängt von der Qualität der Frage ab, es ist dabei jederzeit möglich nachzubessern. Der Kern jeder klugen Frage ist „Warum?“.
Das sehr gelungene zweite Kapitel ist eine Bestandsaufnahme des Wertes von Fragen in unserer Gesellschaft an sich, insbesondere in westlichen Bildungssystemen. Dazu liefert Berger einige erstaunliche Fakten: Kinder im Alter von zwei bis vier Jahren stellen in dieser Zeitspanne rund 40.000 Fragen, mit Fragen erforschen sie die Welt. Diese Fragerei bricht in unserer modernen Gesellschaft ab einem gewissen Zeitpunkt schlagartig ein und zwar ziemlich genau mit Einschulung eines Kindes. Spätestens in der Schule werden nicht mehr intelligente Fragen belohnt, sondern auswendig gelernte Antworten, oftmals zudem Antworten auf Fragen, die sich Kinder noch gar nicht gestellt haben. Fragen und Nachfragen werden stattdessen als Beweis von Nichtwissen bewertet und entsprechend benotet. Lehrer stellen Fragen und liefern die vermeintlich richtigen Antworten gleich selbst. Laut Berger gibt es kaum pädagogische Ansätze, die dem Fragen der Kinder und Schüler dezidiert Platz einräumen und zum schulischen Prinzip erheben. Bekannte Ausnahme sind die Montessori –Schulen. Unter den Absolventen dieser besonderen Schulform befinden sich denn auch prompt einige der begabtesten und erfolgreichsten Fragesteller überhaupt, u.a. Jimmy Wales (Gründer von Wikipedia), Jeff Bezos (Amazon) und Sergey Brin und Larry Page (Gründer von Google). Die für den Leser beruhigende Information ist, dass das Stellen von intelligenten Fragen auch als Erwachsener (wieder-) erlernt werden kann.
Grundprinzip einer klugen Frage ist die Abfolge von drei Frageebenen. Alles beginnt mit der Frage „Warum?“, oftmals eine sehr prinzipielle Frage, darauf folgt die Frage „Was wäre wenn..“, hier geht es um originelle Alternativen, letzte Frage ist „Wie?“, hier geht es zuletzt um die praktische Umsetzung einer Idee. All diese Fragen müssen bewusst oder unbewusst gestellt werden. Irrwege sind nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich, werden jedoch nicht als Versagen gewertet, sondern als ein Weg, der nicht zur Lösung des Problems geführt hat. Innovatoren zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass sie jahre- in manchen Fällen jahrzehntelang an der Lösung eines Problems arbeiten und dabei immer wieder neue Fragen stellen. Kluge Fragen zu stellen und Varianten von möglichen Antworten durchzuspielen ist hier ein dynamischer Prozess, immer wieder kommt es zu dem Punkt, dass der Suchende nicht weiter weiß und neue, unbeschrittene Wege gefunden werden müssen. Dabei kann ein gewisser Schuss Naivität, Fachfremdheit oder Querdenkertum durchaus nützlich sein. Von Experten schreibt Berger, sie würden oft keine Fragen mehr stellen, denn von ihnen würde erwartet, dass sie auf alle Fragen die Antworten bereits kennen.
Im vierten Kapitel erklärt Berger welche Rolle der vorgestellte Fragezyklus heute bereits in der Geschäftwelt spielt. Insbesondere in Kalifornien im Silikon Valley bei den großen IT-Playern Google, Apple, Amazon etc. wird sehr offensiv mit den Themen Fragen stellen, alternative Blickwinkel, Ideen sammeln, Innovation, Originalität, Musestunden, Experimenten etc. umgegangen, es haben sich flache Hierarchien herausgebildet, kluge Fragen werden belohnt, Zusammenarbeiten gefördert, es werden keine schnellen, sondern innovative und nachhaltige Lösungen angestrebt. Dabei steht in erster Linie eben gerade nicht die kommerzielle Verwertbarkeit im Zentrum der Erwägung. Es geht darum Kosten/Nutzen auszublenden um keinen möglichen Weg bereits im Entstehungsstadium im Keim zu ersticken.
Das letzte Kapitel versucht die gewonnen Erkenntnisse auf Prozesse und Entscheidungen im eigenen Leben anzuwenden, der Autor macht viele Vorschläge wie man mit schwierigen Situationen umgehen könnte, mit welchen klugen Fragen ihnen begegnen kann.
Alle theoretischen Ideen werden auf anschauliche Art und Weise mit zahlreichen, teilweise kapitelübergreifenden Beispielen aus den Biographien erfolgreicher Innovatoren aus verschiedener Disziplinen und Epochen unterlegt, darunter Wissenschaftler, Techniker, Unternehmer, Künstler etc. Berger hat viele Innovatoren persönlich interviewt und sich intensiv mit diversen Innovationstechniken auseinandergesetzt. Sämtliche Zitate sind gekennzeichnet und im Anhang ausführlich belegt. Die Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch stammt von Helmut Dierlamm und ist angesichts der Herausforderung (anspruchsvolle Terminologie) bemerkenswert gut gelungen.
Fazit: Sehr intelligentes Buch für kluge Frager und die, die es werden wollen. Dieses Buch kann die Sicht auf Dinge verändern. Dicke Empfehlung!
Das gebundene Buch erscheint im Berlin Verlag, hat 270 Seiten und kostet 19,99 Euro.
Warum sagt hier keiner was?
Das Buch behandelt doch offenbar etwas grundsätzliches..die richtigen Fragen an der richtigen Stelle zu formulieren. Etwas das in der Wissenschaft fundamental ist.
Mir fällt dazu immer wieder die Fragetechnik Katie Byrons ein, die eine Methode entwickelt hat, Konflikte auf ihren eig. Ursprung zurückzuführen.
@Gerhard: Schön, dass du die Diskussion eröffnest, wäre komisch, wenn ich das selbst tun müsste.
Bei der Lektüre dieses Buches habe ich instinktiv die formulierten Frageprozesse mit Entwicklungen in der eigenen Biographie abgeglichen und habe gemeint einiges besser zu verstehen. Man kommt doch auch immer mal wieder in Situationen, wo eine eigentlich gute Idee erstmal nicht funktioniert und da muss man sich entscheiden, ob man einen anderen Weg ausprobiert oder ob man einfach aufgibt. Es ist dabei erstaunlich wie viele Irrwege zum Teil höchstrenommierte Innovatoren genommen haben bis sie ihr Ziel endlich erreicht hatten. Wenn man stattdessen selbst aufgibt oder noch schlimmer: andere entmutigt, hat das immer auch eine gewisse Tragik, nur erfahren andere selten davon.
Es ist schön diesen Frage- und Suchprozess so strukturiert erläutert zu sehen. War für mich eine sehr große Bereicherung, mal sehen was sich draus machen lässt.
In Lebensfragen stellt man oft die falschen Fragen, weil die eigentlichen nicht so leicht zu erkennen sind.
Ein erlebtes Beispiel zwischen zwei Frauen: Wieso ärgert mich ein Verhalten einer Freundin so intensiv? Sie kommt immer zu mir und teilt mir ihre Sorgen mit. Bin also ein echte Vertraute für sie. Das dürfte mich doch nicht ärgern. Eigentlich sollte ich stolz darauf sein, konsultiert zu werden. Es ist ja auch nicht zu oft, daß sie mich fragt, also fühle ich mich auch nicht mißbraucht. Was ist es dann? Ich sollte eigentlich nicht unglücklich darüber sein.
Wenn man aber nachforscht, dann stellt sich vielleicht heraus, daß diese Frau beobachtet hat und weiß, daß die konsultierende Frau nur schlechte Nachrichten mit ihr teilt und die lebensfrohen anderen mit einer jüngeren Freundin. Weil aber eine solche Beobachtung innerlich für die konsultierte ältere Frau (in diesem Beispiel) nicht statthaft ist, wird sie nicht wirklich bewusst, bleibt aussen vor.
Wenn man die richtigen Fragen stellt, wird das Unbewusste manchmal bewusst und man versteht plötzlich seine Gefühle.
@Gerhard: Dein Setting geht aus meiner Sicht stark in den psychologisch/therapeutischen Bereich. Im Buch geht es etwas allgemeiner um kluge Fragen als Mittel um Alternativen, Innovation und Veränderung zu bewirken. Kann – wie im letzten Kapitel – auch auf Lebensentscheidungen anwenden, dann aber wohl eher im übergeordneten Bereich wie z.B. Was mache ich? Warum tue ich das? Was will ich eigentlich tun? Warum tue ich es nicht? Wer oder was hält mich davon ab? Was müsste ich verändern damit ich tun kann was ich will? Wie kann ich das bewerkstelligen? usw.
Ich habe den Eindruck diese fundamentalen Fragen werden viel zu selten gestellt, sonst würden sich nicht so viele Menschen in unbefriedigenden Situationen befinden.
Man könnte dabei übrigens ja auch zu dem Schluss kommen, dass alles in Ordnung ist und man nichts verändern will, das wäre sicher auch eine wichtige Erkenntnis und man könnte glücklich durchs Leben gehen.
Ein solcher Katalog ist mir bekannt und auch die mögliche Konsequenz, dass alles so bleiben kann wie es gerade ist.
Konsequente Nutzung eines solchen Katalogs ist natürlich“etwas neues“.
Aber mein geschilderter fall war dennoch wichtig: Etwa „Was hindert mich daran“ kann durchaus auf sehr verborgene Gründe zurückzuführen sein.
@Gerhard: Da kann ich nur zustimmen. Sich solche Fragen zu stellen ist vielleicht schmerzhaft, aber kann im besten Fall auch heilsam sein.
Berger empfiehlt u.a. seine Fragen Vertrauenspersonen mitzuteilen, sie zur Diskussion zu stellen, alternative Ansichten einzuholen. Dadurch kann man das sichtbar machen, was er – als Gegenteil von Deja Vu – das Vuja De nennt. Das sind Dinge, die so naheliegend sind, dass wir sie aus welchen Gründen einfach nicht erkennen. Gegen solche Betriebsblindheit hilft natürlich eine vorbehaltlose, evtl. auch gnadenlose Außenperspektive egal in welcher Form. Den Rest müsst ihr selber lesen, es sind wirklich tolle Ideen dabei.
Quote: „Kinder im Alter von zwei bis vier Jahren stellen in dieser Zeitspanne rund 40.000 Fragen, mit Fragen erforschen sie die Welt. Diese Fragerei bricht in unserer modernen Gesellschaft ab einem gewissen Zeitpunkt schlagartig ein und zwar ziemlich genau mit Einschulung eines Kindes. Spätestens in der Schule werden nicht mehr intelligente Fragen belohnt, sondern auswendig gelernte Antworten, oftmals zudem Antworten auf Fragen, die sich Kinder noch gar nicht gestellt haben.“
Diese Stelle habe ich drei/viermal gelesen. Danach an meine Schulzeit zurück gedacht. Dann noch einmal gelesen.
Es ist geradezu erschreckend, wie sehr es an der Realität ist. Das Schlimmste ist, dass es nach der Realschule u. o. Gymnasium nicht besser sondern schlechter wird. Ich würde sogar sagen, dass ich erst wieder gelernt habe, richtige Fragen zu stellen, als ich mitten im Berufsleben stand. Das Stillstand ein Rückschritt ist, nimmt man dann erst so richtig wahr und fragt sich, wo die Werkzeuge sind um diesen Rückschritt aufzuhalten.
Man sollte mal eine Vorlesung vor BWL Erstsemestern halten und Sie bitten zu einem Thema „kluge“ Fragen zu stellen. Ich denke, dass 90% der Studenten dazu nicht in der Lage sind, weil Sie es schlicht verlernt haben selbst zu denken.
Hat der Autor auch auf die Studien verwiesen von denen er seine Erkenntnisse hat? Diese würde ich gerne mal im Detail lesen – das Buch im übrigen auch!
@Simon: Warren Berger ist sehr präzise und alle Quellen sind im Anhang ausführlich und blitzsauber belegt. Ich kann die lektüre dieses Buches nur ganz dringend empfehlen. Hat bei mir viel frei gesetzt, allerdings tut es im autobiographischen Rückblick schon ein bisschen weh, wenn man erkennt wann und von welchen Personen, insbesondere von Lehrern und Dozenten man in seinem Erkenntnisdrang ausgebremst wurde und sich vielleicht nicht zu rebellieren getraut hat. Schön dann auf der anderen Seite, dass manch penetrante Fragerei zu interessanten Ergebnissen geführt hat.
Herausragend innovative Menschen hatten oft Umstände, die genau das befördert haben, hängt natürlich sehr vom familiären und sozialen Umfeld ab, aber ein cooler großer Bruder, ein netter Onkel, ein toller Lehrer kann in manchen Fällen schon ausreichen. Deswegen: Lasst uns alle mehr kluge Fragen zulassen!
Gut geschrieben
@Dennis: Danke, dass du dieses heikle Thema angeschnitten hast 🙂 Warum eigentlich „heikel“?
Nun, wer nachfragt, macht Arbeit. Wer beharrlich nachfragt, kann nerven. Wer beharrlich und intelligent nachfragt, kann unerträglich sein. Und wer schließlich beharrlich, intelligent und respektlos nachfragt, kann zum Pain-In-The-Ass werden, den die Befragten einfach nur so schnell wie möglich loswerden wollen (unabhängig davon, ob der Frager in ein Wespennest gestochen hat oder nicht).
Das Stellen kluger Fragen ist weit eher ein Maß für die Intelligenz eines Menschen als sein Wissen, da Wissen reproduktiv ist, Fragen setzt aber bereits eine Form von individueller interner Verarbeitung von Gewusstem voraus – was eine ans Banale grenzende Tatsache, die eigentlich unmittelbar einleuchten sollte. Dennoch finden Experten oft leichter Anerkennung als Kritiker. Warum?
@Stefan:Die Steigerung ist witzig und gefällt !
@Stefan: Danke, guter Beitrag. Ich denke, Experten wirken fachlich souverän, weil sie auf die etablierten Fragen ihres eng umrissenen Gebiets eine – auf den ersten Blick – einleuchtende Antwort haben. Wie Berger sagt, sie haben alle Antworten, weil sie aufgehört haben zu fragen (und keine klugen Fragen anderer zulassen). Nur sehr wenige Experten oder Lehrer geben offen zu auf eine Frage keine Antwort parat zu haben. Es wirkt eben befremdlich, wenn eine(r) sagt: „Ich kenne die Antwort nicht, ich muss darüber erst nachdenken und kann auch noch nicht sagen, ob ich die Antwort finden werde.“ Hat jedoch meist eine sehr befreiende Wirkung.
Andererseits beginnt sich da auch gerade etwas zu verschieben. Es ist wirklich interessant zu erfahren wie sehr sich progressive IT-Firmen darum bemühen veraltete Muster zu überwinden. Bergers Meinung nach liegt es auch daran, dass viele der alteingesessenen Konzerne hierarchisch/militärisch strukturiert sind (Sieh dir mal die Gründungsjahre der großen deutschen Firmen an) und dass zu wenige Frauen in Führungspositionen sind. Das hat lange funktioniert, ist aber gerade dabei zu kippen (Siehe VW-Skandal, FIFA-Skandal, Umgang mit den Übergriffen in Köln, etc.).
@Dennis: Ich habe selber jahrelang in derart paramilitärisch organisierten Institutionen (Stahlhandel, Energiewirtschaft) gearbeit (in fast aussschließlich befehls**empfangender** Position).
Der Vorteil dieser Struktur ist, dass man immer genau weiß, wo man hingehört, wofür man zuständig ist und wofür nicht. Und nach Feierabend ist Schluss, es fiel mir selten schwer, mein Angestelltenhirn bis zum kommenden Morgen zur Ruhe zu betten.
Als Nachteil und langfristig toxisch empfand und empfinde ich aber die „Entfremdung“ (im Sinn von Karl Marx) von dem, was man tut, die permanent schleichend zunimmt, bis man selbst venünftige Arbeitsvorgänge nur noch als absurdes Theater wahrzunehmen in der Lage ist. Für mich ist das dann vor allem ein emotionales Problem: Ich werde „sauer“, gelangweilt und schließlich aggressiv (nicht gegen jemand Bestimmten oder gar den Arbeitgeber, aber gegen die **Situation**, aus der man gerne herauswill, aber – man muss ja schließlich von irgendwas leben – nicht kann, zumindest nicht sofort).
Ob Arbeitgeber wie Facebook oder Google da wirklich dazugelernt haben, weiß ich nicht. Zu hoffen wäre es. Aber simpel ist das nicht, auch, weil derartige Anti-Entfremdungsstrategien auch ihre Kehrseite haben.
Angenommen, ein Manager hört auf meine kritischen Fragen, anstatt mich nur klassisch „kleinzuhalten“. Vielleicht setzt er sogar einige meiner Ideen um. Meine „Identifikation“ mit dem Unternehmen mag anschließend steigen. Und dann? Das Unternehmen macht mehr Gewinn, der Manager wird von den Inhabern gelobt, „vergisst“ aber mitzuteilen, von wem die Verbesserungsvorschläge ursprünglich kamen. Würde der Angestellte dies selber tun, stünde er vermutlich als „Wichtigtuer“ da, seine Glaubwürdigkeit würde infrage gestellt, man traut ihm einen derartigen Überblick nicht zu.
Angestellte arbeiten für ein Unternehmen, das sie mögen, freiwillig mehr (ist mir nie passiert, vermutlich aufgrund meiner asozialen Nerd-Komponente 😉 ). Wird das finanziell nicht entlohnt (unbezahlte Überstunden), wäre die Facebook/Google-Strategie des „mitdenkenden / mitverantwortlichen Mitarbeiters“ (die nennen das sicher anders) letzten Endes aber nur „Ausbeutung 2.0“ („Ausbeutung 1.0“ impliziert einen Angestellten, der unter der Situation leidet, im Falle der „Ausbeutung 2.0“ ist der Angestellte glücklich über die Situation, weil ihm erfolgreich suggeriert wurde, dass er „wichtig“ ist).
Mich würde interressieren wie die sache aussähe vorausgesetzt wir hätten ein bedingungsloses grundeinkommen; ich unterstelle das gäbe eine wahre explosion aufgrund gesteigerten freihitsgefühls …
@Bernhard: Hab ich mich auch schon gefragt. Ich bin übrigens ein Verfechter des BGE. Nun ja, **irgendwas** würde da schon explodieren, so viel ist sicher, aber was?
Ich nehme mal an, die Folgen des BGE wären ebenso disparat wie die Individuen, die es erhielten: Die einen würden sich komplett gehen lassen und den ganzen Tag „Party machen“ (im Rahmen ihrer Möglichkeiten), die anderen würde sich wirklich von einer großen Last befreit fühlen und stärker der, äh, Selbstverwirklichung nachgehen (fragt sich, ob das wirklich für viele Menschen abendfüllend sein könnte).
Die Spielautomatenindustrie und verwandte Bereiche würden zweifellos einen historisch beispiellosen Aufschwung nehmen (zumindest vorübergehend).
Am Ende würde sich evtl. gar nicht **so** viel ändern. Karriereorientierte Menschen würden auf die „BGEs“ voller Verachtung herabsehen (wie sie es heute schon mit Hartz IV-Empfängern tun), nur wäre evtl. die soziale Stigmatisierung dieser Gruppe nicht mehr so stark.
Es gibt übrigens einen ganz und gar **nicht** „sozialromantischen“ Grund, das BGE einzuführen: Das ganz allmähliche Verschwinden der Möglichkeit klassischer Erwerbsarbeit als Folge der Digitalisierung.
@stefan bin ich bei dir, bin auch nicht der ansicht dass es sozialromantisch begründet wäre, diesen ausdruck hatte ich mal wieder ironisch verwendet – scheinbar schrammen wir in der beziehung aneinander vorbei seis drum;
es ist nicht nur aufgrund des verschwindens von erwerbsarbeit als vielmehr aus gleichbehandlungssicht anzustreben; ich finde es unfassbar dass menschen entwürdigt werden, indem sie weissgottwas nachweisen müssen, um ihre grundbedürfnisse befriedigen zu können – gerade wenn man die sich ständig vergrössernde vermögensspreizung im kapitalismus vor augen hat, der nebenbei gesagt um ein vielfaches höher ist als in totalitären systemen!!!