RIP: Roger Cicero

Im Sommer 2007 spielte ich mit der Dennis Schütze Band bei der BR-Radltour in Neustadt an der Aisch. Es gab eine große Centerstage für den Topact des Abends und ein kleine Bühne abseits für uns. Man hatte uns gebeten bereits am frühen Nachmittag da zu sein, obwohl unser kurzer Auftritt erst am Abend stattfinden sollte. Als wir ankamen zogen dunkle Wolken auf und man teilte uns mit, dass wir schon mal unser Equipment auspacken sollten. Als wir das getan und unsere Autos weit weg geparkt hatten, brach ein heftiges Gewitter los, es war kein Mensch mehr weit und breit auf dem großen Gelände zu sehen und wir schafften es gerade noch unser Zeug in den Laderaum eines offenen LKWs zu packen. Dort standen wir dann lange und schauten dem Unwetter zu wie es wütete. Wir waren klatschnass, ziemlich angenervt und mussten auch nach Ende des Gusses noch Stunden warten bis wir endlich aufbauen durften. Als alles auf der Bühne stand und verkabelt war, hieß es sorry, aber der Soundcheck muss wegen der zeitlichen Verzögerung leider ausfallen, jetzt ist der Topact dran, ihr spielt nachher ohne Check, wird während den ersten Liedern geregelt. Ich kann gar nicht sagen, wie wütend ich war, ich stand kurz davor mein Zeug zusammen zu packen und nach hause zu fahren. Wir hatten zu dem Zeitpunkt schon locker 4h an der Bühne gestanden und gewartet. Ich ging also ab von unserer Minibühne und wartete schlecht gelaunt auf den Soundcheck des Topact des Abends. Dann geschah etwas Wunderbares.

Die Radler waren noch unterwegs, es war kein Publikum auf dem Platz vor der Hauptbühne, die Musiker einer Big Band nahmen ihre Plätze ein, stimmten die Instrumente und groovten sich mit einer Instrumentalnummer ein. Dann kam Roger Cicero auf die Bühne. Kurz zuvor hatte er sein deutsches Debutalbum „Männersachen“ veröffentlicht. Er war gut gelaunt, griff sich das Mikrophon und schon die ersten Klänge waren ganz, ganz anders, wunderschön, überirdisch. Er summte und scatete, machte musikalische Anspielungen, scherzte mit der Band, improvisierte, sprang von Bruststimme ins Falsett und wieder zurück, klang auf einmal wie Stevie Wonder, dann wieder wie Sinatra, spielte mit Klangfarben und Stilzitaten, war selbstironisch, charmant, sympathisch, sehr souverän, hatte einen Heidenspaß und verbreitete eine unfassbar gute Laune. Ich habe in meinem ganzen Musikerleben weder vorher, noch nachher jemals einen so vollkommen Sänger und Musiker gehört, das sage ich jetzt ohne Übertreibung und ohne jedes falsche Pathos. Dieser ca. 40-minütige Soundcheck war sensationell, obwohl neben ein paar Technikern kaum jemand anderes auf dem Platz war und eigentlich kaum einer zuhörte außer ich. Es war tatsächlich so als hätte er nur für mich ganz allein gesungen. Irgendwann war sein Soundcheck zu Ende und die Musiker zogen sich in den Backstagebereich zurück (zu dem wir unverständlicherweise keinen Zugang hatten). Unser eigener kleiner Auftritt wurde schließlich von den Verantwortlichen noch auf die Hälfte zusammengekürzt, nach 20 Minuten (unterbrochen von einem Werbeblock) war Schluss, aber es war mir vollkommen egal, ich habe fast keine Erinnerung mehr daran. Das anschließende Konzert von Roger Cicero vor großem Publikum wirkte auf mich dann noch wie eine unendlich lange und ganz herrliche Zugabe. Es war ein mir unvergesslicher Abend.

Wie heute bekannt wurde ist Roger Cicero am 24. März im Alter von nur 45 Jahren im Kreise von Freunden und Familie verstorben.

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