Hafensommer: OSCA & Sophie Hunger

Am vergangenen Donnerstag war ich bei dem Konzert von Sophie Hunger beim Würzburger Hafensommer, Opener machte die junge Berliner Band OSCA. Ich war als Gast eingeladen, Karten hatte ich freundlicherweise vom meinem Musikerkollegen und alten Freund Matthias Erhard bekommen, den ich noch von meinen Studientagen in Dinkelsbühl und Freiburg her kenne. Er bedient bei der Band OSCA Keyboards, Mac und Sampler.
Noch vor Beginn des Konzerts fiel auf, dass zwischen Konzertbühne und Zuschauertribüne eine ca. 12-15m tiefe, unbesetzte Lücke klaffte. Die dort normalerweise vorhandenen Sitzplätze waren abgebaut worden. Der Moderator machte vor dem Konzert klar, dass dies auf Geheiß des Managements der Madame Hunger geschehen war. Leider startete genau dadurch die Show der Band OSCA mit einem unschönen Handicap, denn bei diesem Setup und noch dazu hellem Tageslicht war die hier nun wirklich buchstäbliche Distanz zum Publikum nur schwer zu überbrücken.
Die Band OSCA stammt aus unserer aller Szenehauptstadt Berlin, bezeichnet sich als „experimentierfreudiges Art-Pop-Projekt“ und wirbt mit internationaler Besetzung („JP, USA, D“) und einer „glamourösen Bühnenperformance“. Die Band besteht aus vier Musiker und der Sängerin/Geigerin Yuka Otsuki, die im Performermodus die klassische Frontfrau mit aufreizendem Kostüm (hautenger Jumpsuit mit tiefem Rückenausschnitt), new-age-igen Stehtanzeinlagen und mehrsprachigem, zum Teil klassischen Gesang gibt. Die uniformierte und stiltreu geschminkte Band hält sich dagegen relativ im Hintergrund. Gleich nach dem ersten Song wurde das Publikum eingeladen auf die andere Seite ins OSCA-Land zu kommen, der Graben war dann aber doch etwas tief, der Weg dorthin etwas zu einsam. Nur zwei Frauen kamen vor und stellten sich an die Absperrung vor den Bühnenrand. Das Würzburger Publikum verfolgte die Performance ansonsten zurückhaltend reserviert und wartete bis zum Schluss auf die versprochene Extravaganz und den Glamour. In Berlin scheint die Show der Band gut zu funktionieren, es gibt tolle Kritiken, bei uns in der Provinz wirkte es dann doch etwas gekünstelt, gewollt und aufgesetzt. Noch etwas Luft nach oben, war aber sicherlich auch ein ungünstiges Setting für das Konzept der jungen Band. Sound war moderat laut, anhörbar, aber vor allem im Bereich Drum & Bass nicht gut gemischt.

IMG_1299

Nach einer kleinen Pause kam dann der Hauptact Sophie Hunger mit Band. Sehr laut, sehr wuchtig und leider auch etwas zu routiniert. Mit den schnellen, gut geprobten Wechseln zwischen erhöhtem stehendem Stutzflügel, E- und Akustikgitarre, den seltenen, mageren und sehr standardisierten Ansagen, den bis ins letzte gecheckten Lichtwechseln, kam bei mir fast ein musicalartige Stimmung auf. Selbst die Solos der hochkarätigen, (diesmal tatsächlich) internationalen Mitmusiker wirkten arg zurechtgelegt und wie vom Notenblatt runtergespielt. Echte Improvisation, freie Formen, Interaktion oder wilde Spontanität: leider nein, stattdessen keimfrei und perfekt einstudiert wie bei Madonna oder Britney Spears. Songs, Band und Arrangements waren zwar tadellos, aber ich hatte etwas Sensibleres, Offeneres mit mehr Ecken und Kanten erwartet. Erwähnenswert ist noch der wirklich pervers laute Anlagensound bei Sophie Hungers Performance. Aus Erfahrung klug, hatte ich meine maßgefertigte Earprotection (-15dB) dabei, es war trotzdem fast nicht auszuhalten und ich saß dabei noch relativ weit von den Boxen entfernt. Entweder werde ich im Alter immer sensibler oder die Mischer bei Veranstaltungen immer tauber. Ist beim Hafensommer aber fast schon ein traditionelles Problem, schade.
IMG_1329

5 Gedanken zu „Hafensommer: OSCA & Sophie Hunger

  1. @Dennis: Danke für die Rezension, die allerdings fast ohne jegliche stilistische Kennzeichnung der dargebotenen Musik auskommt (dies nicht als Kritik, nur als Feststellung), will sagen, ich hab nach der Lektüre deines Textes keine Ahnung, was die eigentlich gespielt haben: R&B, Soul, Country, Indie-Rock, Funk, Salsa, Polka, Rockabilly? Auf der anderen Seite ist es interessant, sich in einer Konzertkritik mal auf die Beschreibung der performativen Aspekte eines Auftritts zu beschränken – unabhängig vom musikalischen Gehalt.

    • @Stefan: Eine stilistische Einordnung wäre schwierig und ist auch nicht nötig. Beide Bands werben mit einer gewissen Stillosigkeit, wären angeblich so neu und eigenständig, da verbietet sich quasi ein Vergleich mit bereits Vorhandenem.

      Aus dem Pressetext von OCSA: „…eine eklektische musikalische Melange, die japanische künstlerische Ästhetik genauso umfasst wie die metropolischen Klänge des heutigen Berlins. Jazz, Chanson, Avantgarde, Rock und japanische Traditionen verschmelzen…“ usw. Schlagwort wäre „Yoko Ono meets David Bowie“, war damals nur irgendwie frischer und gewagter und nicht so statisch. Es war im Verlauf des Konzerts aber auch schwierig zu verstehen, was die Band uns eigentlich erzählen wollte, so gut wie keine Ansagen, schwer verständliche, zum Teil japanische Texte, schlecht abgemischte Drum &Bass, wenig musikalische Interaktion, kopfige Melodien und Beats, die nicht zum Tanzen animieren, da fällt es dem Publikum schwer einzusteigen.

      Im Pressetext von Sophie Hunger wird mehrmals auf „Rock-Ästhetik“ und „rockige Passagen“ hingewiesen. Wenn man die E-Gitarre als zentrales rockiges Element versteht, muss man aber leider sagen, dass man die Anzahl der Akkordanschläge im Verlauf des Konzerts ungefähr ein zwei Händen abzählen konnte, war bei Madame Hunger mehr ein Credibility Accessoire, Solos kamen von Cello, Keyboard und Flügelhorn. „Rockig“ war dann allenfalls die Lautstärke, aber es war kein schöner lauter Sound (wie z.B. bei AC/DC), sondern ein aggressiver, hässlicher lauter Sound (wie z.B. bei Motorhead).

  2. @Dennis:

    „Beide Bands werben mit einer gewissen Stillosigkeit, wären angeblich so neu und eigenständig, da verbietet sich quasi ein Vergleich mit bereits Vorhandenem.“

    Ein merkwürdiges Phänomen, oder? „Stillosigkeit“ ist ja eigentlich ein pejorativer Ausdruck – kann der so einfach als „neu und eigenständig“ umgedeutet werden? „Neu und eigenständig“ kann ja nur etwas sein, das sich von einem *vorhandenen*, klar definierten Stil irgendwie unterscheidet – das „Neue an sich“ gibt es logisch ja gar nicht (denn es braucht das „Herkömmliche“, um sich definieren zu können). Vielleicht wäre dann der Ausdruck „stilistisch indifferent“ besser. Würde das auf OSCA / Hunger zutreffen?

    • @Stefan: Du hast natürlich recht mit deiner Feststellung, aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir uns bei den Selbstdarstellungen der Bands und Künstler im Geltungsbereich der PR/Werbung befinden. Da wird natürlich mit den Pfunden gewuchert, die einem zur Verfügung stehen. Bei den einen ist das der angeblich so große Standortvorteil Berlin, bei den anderen eine stilistische Entwicklung Richtung Rock. Stilistische Einteilungen waren und sind ja auch ursprünglich kommerzielle Kategorien der Vermarkter. Darf man vielleicht alles nicht zu ernst nehmen, deswegen ist mir gerade bei Konzerten der von dir als „performativer Aspekt“ bezeichnete Teil etwas handfester. Da trennt sich dann auch die Spreu vom Weizen bzw. die inszenierte Selbstdarstellung (des Managements) der Band von dem tatsächlichen Erscheinungsbild bzw. dem Eindruck auf den Zuhörer.

  3. @Dennis: Alles, was du sagst, ist richtig und ich weiß natürlich, was die PR-Sprache so macht und wie ernst diese zu nehmen ist. Aber vielleicht hängt das ja alles zusammen: Je indifferenter die Musik, desto wichtiger wird ihre Präsentation. Es wäre ja auch eine komplett unansehnliche Band denkbar, die aber musikalisch derart überzeugt, dass man dieses performative Defizit irgendwann vergisst (außer, man hört Musik nur mit den Augen – das gibt’s ja öfter, als man denkt – KEIN SCHERZ!). Das wär dann eher so mein Ding 😉

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert