Sonntag war der zehnte und letzte Tag meiner Main-Spessart-Umradelung. Ich erwachte kurz nach sieben in dem kleinen Gartenhäuschen hinter der Kirche in Weyersfeld. Als ich vor die Tür trat hörte ich gedämpftes, rhythmisches Bollern aus dem Jugendtreff in der Holzbude im Garten schräg gegenüber. Da hatten anscheinend welche die Nacht durchgemacht und dämmerten in die frühsonntägliche Chilloutphase. Die Beats hatte ich beim schlafen gar nicht wahrgenommen, war auch nicht davon geweckt worden. Um 8.00 wurde ich abgeholt und es gab ein reichhaltiges Frühstück mit selbst gemachten Marmeladen und Honig bei Familie Fürsch. Danach sortierte ich wie alle Vormittage zuvor Fotos vom Vortag und schrieb den Blogartikel dazu. Gegen Mittag ging’s wieder zum Gartenhaus, ich packte meine Sachen und besichtigte noch kurz die Forellenzucht von Herrn Fürsch. Das Becken wurde in den Dreißigerjahren ausgehoben und diente zuerst einige Jahrzehnte als kleines Freibad. Inzwischen wurde es jedoch unterteilt und zu zwei Fischbecken umfunktioniert. Hier stehen Herr Fürsch und Sohn Florian am Beckenrand.
Kurz vor zwölf erhielt ich einen Anruf von Landrat Schiebel, der sich unverbindlich für die Tagesetappe angekündigt hatte. Ginge aus terminlichen Gründen doch nicht, er könne bei der bevorstehenden, harten Etappe leider nicht dabei sein, sagte er. Na, der sportliche Landrat kennt sich eben aus, wollte mir wahrscheinlich bei der Bergtour keine Blöße geben bzw. mir meine Bergwertung nicht verhageln. Ersatzweise fuhr Frau Fürsch mit Sohn noch ein paar Kilometer mit. Die Mutter bis zur Anhöhe, der Sohn noch weiter bis nach Gräfenau. Hier einige fotografische Impressionen entlang der Strecke.
In Gräfendorf trennten sich unsere Wege, danke für die nette Gesellschaft, war schön, dass auch mal ein Jugendlicher für eine Weile dabei war. Ich nutzte die Gelegenheit und besuchte das Bäckerei-Konditorei-Cafe A. Sorrentino an der Hauptstraße. Das Cafe hat tatsächlich sieben Tage in der Woche geöffnet, Sonntag gibt es von 11.30-18.00 leckere Kuchen- und Torten. Weil ein längere Anstieg bevorstand, begnügte ich mich mit einem schmackhaften Hörnchen.
Von Gräfendorf ging es mehrere Kilometer steil bergauf, ich trat und schob abwechselnd. War anstrengend, aber nicht so schlimm, denn ich bewegte mich im Schatten und war mental auf die Herausforderungen der Strecke vorbereitet worden. Mir wurde im Vorfeld sogar angeboten mich und mein Rad mit dem Auto raufzufahren, aber das habe ich selbstverständlich abgelehnt. Ich wollte die letzte wie alle anderen Etappen mit eigener Muskelkraft bewältigen. Fast ganz oben angekommen, bog ich scharf nach links in einen geschotterten Waldweg, vorbei an der mächtigen Hermannseiche, erst eben, dann steil bergab. Nach der Überquerung der Bahnbrücke erreichte ich das Sinntal etwas unterhalb von Burgsinn. Ab jetzt war der Rest der Strecke eben und ganz einfach zu fahren.
Vorbei am Alten Schloss und entlang der Bahnlinie Richtung Mittelsinn. Dort kam ich am Sportplatz an, wo gerade ein Bogenschützenturnier stattfand. Mit meinem Nachnamen muss man sich so etwas natürlich genauer anschauen. Gemessen an der Anzahl der Teilnehmer ist Mittelsinn für den Verteidigungsfall gut aufgestellt und zielgenau sind die Schützen auch. Ich trank noch ein schnelles Bierchen am Ausschank, versuchte noch mit meinem Nachnamen ein Freibier durch die Vorlage meines Personalausweises abzustauben, half aber nichts, ich musste zahlen wie alle anderen auch. Geschmeckt hat’s trotzdem.
Dann war es nicht mehr weit zu meinem Etappen- und gesamten Tourziel Obersinn. Hier hatte ich vor genau 10 Tagen die Umradelung des Landkreises begonnen. Ich war zehn Tage älter und zehn Tage klüger als bei meiner Abfahrt. Als ich das Ortsschild erreichte hing dort schon ein kleiner, schriftlicher Willkommensgruß, ich genoss den einsamen Augenblick und machte ein Selfie mit Schild.
Im Ort selbst erwartete mich Bürgermeisterin Lioba Zieres, der zweite Bürgermeister und Ortshistoriker Rudolf Dill und die einzige weibliche Gemeinderätin Barbara Madre. Es war ein schöner und freundlicher Empfang. Nach Begrüßung, Glückwunsch zur Umradelung und erstem Kennenlernen flanierten wir über eine Brücke zum Stadl-Fest. Dort wurde ich erstmal mit deftiger Hausmannskost versorgt. Ich entschied mich für einen angemachten Käs‘ mit Brezel, mmh, lecker, dazu ein frisches Weizenbier.
Als ich fertig war, spazierten wir zum neu gestalteten Dorfplatz. Hier steht eine rundum sanierte Mehrzweckhalle, einige historische Gebäude und auch das noch im Umbau befindliche, zukünftige Leo Weismantel Museum. Der Schriftsteller und Reformpädagoge wurde hier geboren und erst kürzlich wurde dem Ort sein Nachlass vermacht. Guter Anlass ein Museum mit Archiv zu errichten, mit diversen Fördergeldern wurde das möglich und mittlerweile steht die Eröffnung noch in diesem Jahr bevor.
Nach dem ortsgeschichtlichen Rundgang ging’s noch zum traditionellen Eislädchen. Hier gibt es eine Auswahl von selbst gemachten Eissorten im Nachkriegsambiente, ganz wunderbar. Geführt wird der Laden von Alice (gesprochen: Alize) Eck und Melanie. Passend zum Interieur standen draußen ein paar Halbstarke mit ihren Zündapps und Kreidlers. Ich entschied mich für eine dicke Kugel Waldmeister, fantastisch.
Dann verabschiedeten wir uns voneinander. Gemeinderätin Madre begleitete mich noch zum Obersinner Bahnhof, dort hatte ich noch genug Zeit um das Startbild vom Beginn der Tour wieder zu inszenieren. Dann ging’s mit dem Zug Richtung Süden zu meiner Heimatstadt Würzburg. Auf Wiedersehen Landkreis Main-Spessart, bist mir in den Tagen ans Herz gewachsen, werde ab jetzt öfter mal wieder vorbeischauen.
Ach ja: Der Lavendel, der mir am ersten Tag in Fellen von Claus Engel auf den Gepäckträger geklebt wurde, hat die Tour mit kleinen Blessuren gut überlebt. Vermutlich der einzige Lavendel der den Landkreis MSP komplett umrundet hat. Er bekommt einen Ehrenplatz mit Aussicht in meinem Balkonblumenkasten.
Und zum Schluss: Einen ganz lieben Dank an alle Main-Spessart-Franken, die mir in den zehn Tagen meiner Tour Unterschlupf gewährt haben und mich großzügig mit Essen, Getränken, guten Geschichten und Liedern versorgt haben. Es war mir eine Freude euch kennenzulernen.
Vielen Dank für den tollen Tourbericht, Herr Schütze! Der sollte mit den Fotos ein kleine Lektüre herausgebracht werden. Ich könnte mir vorstellen, dass der Abnehmer findet! Das wäre doch eine Anregung an die Regionalmanagerinnen.
@Sylvia Schubart-Arand: Herzlichen Dank für ihre(n) Kommentar(e) und willkommen auf diesem Blog. Danke auch für die Anregung bzgl. Lektüre, es ist tatsächlich ein Magazin auf Basis der Blogartikel geplant, mal sehen ob das Wirklichkeit wird, aber es sieht ganz gut aus.
Jetzt sind erst noch ein paar Interviews und Nachbesprechungen dran. Ich habe den heutigen, ersten Tag ohne körperliche Anstrengung genossen, wie Sie sich vielleicht denken können.
Schauen Sie mal wieder vorbei!
Herzlichen Glückwunsch! Du hast es geschafft! Hut ab!!