Während meiner diesjährigen USA-Reise Ende Mai bin ich beim Stöbern in einem Buchladen in Chicago auf ein Buch gestoßen von dem ich bis dahin noch nichts gehört hatte, obwohl es 100%ig in mein Beuteschema passt. Es handelte sich dabei um „How Music Works“ (2012) des New Yorker Künstlers David Byrne. Byrne war Kopf der Band Talking Heads (1975-1991) und hat in seiner Karriere als Sänger, Songschreiber, Gitarrist, Autor etc. in verschiedensten Genres gearbeitet (Video, Film, Filmmusik, Tanz, Schriftsteller, Fahrradaktivist uvam.). Das Buch habe ich damals gleich gekauft. Inzwischen habe ich es von vorn bis hinten gelesen und kann sagen: Der Titel hält was er verspricht. In elf Kapiteln und auf mehr als 300 Seiten legt Byrne viele allgemeine und einige sehr spezielle Erfahrungen mit Musik dar und erklärt wie Musik aus seiner Sicht funktioniert. Er ist gut informiert, beschreibt die Geschichte der Tonaufnahme aus Sicht eines Musikers, Technikers und Musikliebhabers, es geht um die Entwicklung des Geschäfts mit Musikaufnahmen, indirekte Einflüsse von Instrumentierung, Raumklang, Studiotechnik, Live-Musik-Situation, das Verhältnis von Kunst- zur Unterhaltungsmusik etc., dabei zitiert er immer wieder aktuelle wissenschaftliche Literatur und persönliche Gespräche und Begegnungen mit renommierten Künstlerkollegen (z.B. Brian Eno), das meiste wirkt sehr glaubwürdig und überzeugend, weil er immer wieder, aber trotzdem in einem gesunden Maß Anekdoten aus seinem eigenen Erfahrungsschatz einfließen lässt. Obwohl ich glaube mit der Thematik einigermaßen vertraut zu sein und auch schon einige eigene Erfahrungen sammeln konnte, gab es für mich bei der Lektüre alle paar Seiten viele schöne Aha-Effekte. Und seine Geschichte endet nicht etwa in den 90er Jahren, wie man vielleicht vermuten könnte, nein, er beschreibt auch die augenblickliche allgemeine und persönliche Situation für kreative Musiker und skizziert mögliche Entwicklungen für die nahe Zukunft. Hier als Teaser die Kapitelüberschriften: Creation in Reverse, My Life in Performance, Technology Shapes Music: Analog, Technology Shapes Music: Digital, In the Recording Studio, Collaborations, Business and Finances, How to Make a Scene, Amateurs!, Harmonia Mundi.
Ein Buch, das Byrne in den Anfangskapiteln mehrfach zitiert, ist „Capturing Sound: How Music Technology Has Changed Music“ (2010) von Mark Katz. Katz war einige Zeit Mitarbeiter der Library of Congress in Washington D.C. und hat sein Buch dort vorgestellt. Hier ein Video seines Vortrags.
Bei „How music works“ stelle ich mir fast zwingend eine Abhandlung über die biologischen Grundlagen von Musik vor.
Es muß ja eine Art neuronales „Netz“ in unserem Hirn geben, das „Musik“ heißt und in uns Menschen, aber auch vielen Tieren Verlangen erzeugt und „liefert“.
Welche Funktion hat also Musik und wieso bekam sie diese „Stelle“ in uns?
@Gerhard: Im letzten Kapitel des Buches („Harmonia Mundi“) schreibt Byrne genau über das von dir erwähnte Thema unter den Überschriften „Biology and the Neurological Basis of Music“, „Music and Emotion“, „Music and Ritual“ und „The Great Disenchantment“. Interessant auch seine Gedanken und Ausführungen über das Grundrecht auf Stille („No Music“) basierend auf einer UNESCO Resolution von 1969. Zum Thema „persönliche musikalische Entwicklung“ habe ich in den USA das Buch „Guitar Zero“ des kognitiven Psychologen Gary Marcus gefunden. Umfassend und auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand, den roten Faden bilden Erfahrungen und Erkenntnisse aus einem musikpädagogischem Selbstversuch, anhand dem er die verschiedenen Aspekte des musikalischen Lernens anschaulich erklärt, dabei ist das Buch unterhaltsam geschrieben. Erkenntnisse lassen sich problemlos auch auf andere Musikinstrumente, vermutlich auch auf andere Bildungsbereiche übertragen. Da werde ich in meinem privaten Instrumentalunterricht demnächst ein paar neue Übetechniken und -ansätze empfehlen können.
Ja, danke für die Antwort!
Gut, daß Byrne das Thema „Neurological Basis of Music“ streift. Ist das Deiner Ansicht nach ausführlich?
Interessant finde ich auch Deine Bemerkung zum “ Grundrecht auf Stille“.
Fürwahr eines der sehr wichtigen Grundrechte. Welcher Level an „Noise“ wird denn in unseren Breiten als normal empfunden?
@Gerhard: Nein, seine Ausführung zur „Beurological Basis“ sind sicher nicht ausführlich oder umfänglich, aber eine nette Anregung wie viele andere Teile des Buches.
Und von dem „Grundrecht auf Stille“ würde ich gerne jeden Tag mehrmals Gebrauch machen. Ist aber wohl auch eher ein Anregung, die wenig Berücksichtigung findet. Eine schöne Einrichtung finde ich was das angeht immer noch die deutsche Regelung zur Mittagsruhe. Ruhe, ahhhhhh.
G O S H— if only i had the time to watch, read and listen to all the stuff you’re presenting here…
… so, the very last chapter… is it „harmonia mundi“?
or is that a typo and it’s really „mundhar monika“?
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