Buch: „Norwegen der Länge nach“ von Simon Michalowicz

NorwegenIm Frühjahr 2013 kündigt Simon Michalowicz seinen Job in der IT-Branche und bricht auf um sich einen lang gehegten Traum zu erfüllen. Er will Norwegen der Länge nach von südlichsten Punkt am Kap Lindesnes bis zum Nordkap alleine zu Fuß durchwandern und plant dafür vier Monate im nordischen Sommer ein. Die klassische und beschwerliche Tour trägt den Namen und „Norge på langs“ und wird für den Autor zur 140-tägigen Mut- und Bewährungsprobe. In seinem Buch mit dem Untertitel „3000 Kilometer zu Fuß bis zum Nordkap“ beschreibt er die Wanderung vom beschwerlichen Anfang bis zum glorreichen Ende.

Das Buch ist in einen Prolog, 18 Kapitel und einen Epilog unterteilt und chronologisch nach den Tourstationen aufgebaut. Die Reise beginnt Ende Mai am Kap Lindesnes, Michalowicz nimmt Abschied von seinen Eltern und stiefelt los. Die ersten Tage sind anstrengend, doch bald gewöhnt sich der Wanderer an die Strapazen und kommt gut voran. Seine Route kann man an der vorangestellten, etwas kleinformatigen Karte in s/w mitverfolgen. Nachdem erste Schwierigkeiten überwunden sind, schleicht sich bald eine etwas dröge Routine ein, zumindest wirkt das so in der nachträglichen Niederschrift. Der Wanderer leidet unter den körperlichen Strapazen, ihn beschleichen immer wieder Zweifel, ob er diese gewaltige Strecke physisch und physisch bewältigen wird, ihn plagen Einsamkeit, Heimweh, Langeweile, Hunger. Unterbrochen wird die lähmende Laufroutine durch einige wenige nette Begegnungen und die Eindrücke der mächtigen skandinavischen Naturkulisse, die in Buchmitte durch etliche, sehr ansprechende Farbfotos dokumentiert ist. Ansonsten drehen sich die Beobachtungen des Autors wieder und wieder um dieselben profanen Dinge: Fußschmerzen, Witterung und Essen, Essen, Essen. Es ist anfangs interessant von seinem mächtig gestiegenen Kalorienverbrauch und Appetit zu erfahren und wie er dem begegnet. Auf Dauer ist es jedoch extrem redundant ständig von seinem Heißhunger auf Chips, Cola, Ananaskonserven und Snickers-Schokoriegel zu lesen. Ähnlich einfallslos wie diese kulinarischen Gelüste ist leider auch der sprachliche Duktus des Reiseberichts. Unzählige Male spricht der Autor von „tief hängenden Wolken“ und irgendwelche Dinge lassen ihn „nachdenken“. Leider erfährt man fast nie worüber (Chips? Cola?). Über die praktische Ausgangslage und seine persönliche Situation erfährt man nichts Substanzielles außer, dass er BVB-Fan ist. Auch seine Motivation diese ungewöhnliche Unternehmung überhaupt anzutreten, erschöpft sich augenscheinlich darin es „schaffen zu wollen“. Über eventuelle Nachwirkungen der Wanderung erfährt man im Epilog nichts und das ist dann in der Summe doch etwas wenig für ein fast dreihundert Seiten langes Buch. Welche Erkenntnisse gewinnt der Wanderer, wie verändert sich seine Perspektive, welche Schlüsse zieht er aus seinen Erfahrungen, was lernt er über das Land, die Leute und was lernt er über sich selbst und sein Heimatland? Hier bleibt der Autor erschreckend farb- und aussagelos, pflegt einen tranigen Protokollstil, spult Wanderstationen und nachfolgende Niederschrift wie eine lästige Pflicht ab. Als Leser spürt man, dass Michalowicz vielleicht ein ehrgeiziger Wanderer, aber sicher kein leidenschaftlicher Erzähler ist. Zugute halten muss man ihm dabei, dass dies zwar nicht seine erste Reise, aber sein erster Reisebericht in Buchform ist, bisher äußerte er sich nur in kurzen Blogartikeln. Es bleibt zu hoffen, dass er bei eventuell folgenden Büchern etwas mehr zu erzählen haben wird, evtl. auch über Dinge, die über das reine Wandererlebnis hinausreichen.

Simon Michalowicz dokumentiert seine Reisen auch auf dem Blog www.simonpatur.de
Dort sind detaillierte Angaben zu Ausrüstung und weiteren Touren zu finden. Das Buch erscheint in Lizenz von National Geographic bei Malik, hat 270 Seiten und kostet 14,99€.

6 Gedanken zu „Buch: „Norwegen der Länge nach“ von Simon Michalowicz

  1. Hat da jemand „bloß“ seinen „inneren Schweinehund“ bekämpft?
    Fast scheint es so. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, daß durch Schinderei eine Läuterung entsteht. Sonst müsste ja jeder Ultra-Langstrecken-Läufer von inneren Erfahrungen berichten, die ihn (spirituell) weitergebracht haben.

    • nicht zwangsläufig jeder macht sicher solche Erfahrungen,die berichtenswert erscheinen, aber aus eigener Erfahrung im Ausdauersport kann ich nur bestätigen, dass der meditative Anteil nicht klein ist und dass dies evtl schon für viele den Reiz ausmacht und es ihnen reicht das selbst zu erleben Grenzen zu suchen und zu finden.
      Nicht davon zu berichten heisst ja nicht gleich, das nix passiert ist; es sind eben meist sehr persönliche Erfahrungen, die man bei derartigen Überwindungen des inneren Schweinehundes macht, die aber dennoch bei vielen Menschen durchaus ähnlich sein mögen und das Berichten darüber ersetzt sicher nicht das Erfahren und hier ist dann weniger labern respektive schreiben eben mehr.

      • Ich selbst bin auch täglich gejoggt, @Bernhard, und kann von der Ausschüttung bestimmter Stoffe berichten, die im Moment des Laufens und kurz danach recht glücklich machen. Damit ist aber noch keine Verwandlung erreicht. Das ist reine Momentsache.
        Die Frage ist und war doch: Verändert sich etwas substantiell, wenn ich so eine lange Tour mache? Und wenn ja, dann wäre genau das berichtenswert..

  2. wohl wahr, wenn man so lange reisen, zumal noch alleine unternimmt tut sich normalerweise auch was, war zumindest bei mir immer so, von dem ich auch, wenn es Jahrzehnte her ist heute noch zehre; wer weiss zuwas das damals den Anstoß gab….
    und natürlich, gerade wenn man ein buch darüber schreibt, dann sollte da auch was über die reise beschreibendes hinausgehendes stehen… was nen Sinneswandel bewirkt hat; dazu sind asktetische erfahrungen ja geradezu prädestiniert….
    was ist schon substantiell Gerhard? das kann auch sehr klein sein…
    habe das buch ja nicht gelesen, aber es scheint ja auch nicht zu lohnen….

  3. @Bernhard, wenn nichts Substantielles zu gewinnen ist, dann wieso solch eine Reise? Aus rein sportlichen Gründen? Kann ich mir nur schwer denken.
    Viele meditieren jahrzehntelang, weil sie sich erhoffen, daß sie damit irgendwo hinkommen. Sie erhoffen sich vielleicht Erleuchtung oder zumindest einen Blick auf diese ihre Welt, der frei von Schmerzen ist. Eine Gelassenheit, eine vollkommen innere Ruhe sozusagen. Das wäre es wert..

  4. @Gerhard … nun ja andre menschen andere werte, ich denke mal, dass dies (rein sportliche Gründe) für viele schon ausreicht, würd mir auch ned langen….

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