Buch: „Fake“ von Peter Köhler

FakePeter Köhler ist Journalist und Buchautor im Bereich Satire, Kulturgeschichte, Literaturkritik und Schach. Im August erschien sein Buch „Fake“ als Taschenbuch, es geht darin laut Untertitel um „die kuriosesten Fälschungen aus Kunst, Wissenschaft, Literatur und Geschichte“. Nach einem knappen, nicht sehr prägnanten Vorwort erzählt Köhler in mehr als 60 Kurzkapiteln die unzusammenhängende Geschichte von Fälschungen jeglicher Coleur und lässt dabei kein noch so wackeliges Beispiel aus. Geschichtsfälschung, Urkundenfälschung, Hitlertagebücher, Erschleichung akademischer Titel, Ideenklau in Musik und Malerei, Betrug im Sport, Heiratsschwindler, Trickbetrüger, sogar die „Würzburger Lügensteine“ haben ihren Platz. Pro Kapitel wird dafür jeweils ein prominentes oder kurioses Beispiel vorangestellt, danach folgen mehr oder weniger chronologisch weitere bekannte, skandalöse oder auch einige besonders dreiste Geschichten ähnlicher Schattierung. Der Autor hat fleißig viel Lug und Trug aus den letzten 2000 Jahren zusammengesammelt und wiedererzählt die Anekdoten kurz und knackig und soweit nachprüfbar auch wahrheitsgemäß. Leider ist die thematische Zusammenstellung bereits seine ganze Eigenleistung, eigene Recherchen fanden anscheinend nicht statt, von eigener Einordnung, Interpretation oder Kommentierung ganz zu schweigen. Auch jede weitere Fragestellung entfällt: Wo ist die Grenze zwischen Wahrheit und Unwahrheit? Wie ist das gesetzlich definiert? Was sind die persönlichen Motive für absichtliche Missinterpretation, Wahrheitsverdrehung, Lüge, Betrug, Meineid, etc.? Wir werden sie gesellschaftlich entlarvt, bewertet und sanktioniert? Was sind weitere Folgen? Wandeln sich die Ansichten dbzgl. über die Jahrhunderte? Gibt es zu diesen Fragen aktuelle Forschungsaussagen? Etc. pp. So wie es ist, ermüdet die seitenweise Aufzählung dieser Kuriositäten auf Dauer dann doch etwas. Das meiste hat man sowieso in Zeitungen oder Sendungen schon mal oder doch so ähnlich gehört oder gelesen und als verlässliches Nachschlagewerk ist es dann wiederum etwas zu unvollständig.

Der Autor schreibt routiniert, zugänglich, insgesamt aber etwas zu reißerisch und mit zuwenig Substanz. Den interessanten Fragen um das Thema „Fake“ geht er geflissentlich aus dem Weg und bietet somit nur eine etwas dröge Fleißarbeit ohne gedankliche Eigenleistung.

Das Taschenbuch erscheint bei C.H. Beck, hat 256 Seiten und kostet 12,95 Euro.

2 Gedanken zu „Buch: „Fake“ von Peter Köhler

  1. Das Thema Fake und Lüge taucht zuletzt immer wieder gerne in populären Veröffentlichungen auf.
    Vergleichbar scheint mir das in Buchläden mit der Rolle der Mathematik in der Erklärung der Welt, sozusagen als letzte Stufe der wissenschaftlichen Erkenntnis.

    Lüge ist ja in der Natur von Anfang an da : Manche Pflanzen locken Insekten mit Falschinformationen an, um Mitnahme von Pollen zu gewährleisten.
    Ein nettes Buch zum Thema ist für mich Hildenbrandt/Roger Willemsen:
    „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort!«: Die Weltgeschichte der Lüge“.
    Das ist Satire, nett zu lesen und von vornherein nicht als wisssenschaftl. Buch über die Lüge gedacht.

    • @Gerhard: Ja, finde auch, dass Täuschung und Lügen an sich jetzt mal nicht so erstaunlich sind, Motiv ist ja auch klar, bringt irgendeinen Vorteil, den man sonst nicht hätte. Köhler bringt 1001 Beispiele, sagt aber so gut wie nichts über den gesellschaftlichen Umgang mit der Unwahrheit.

      Beschäftigt haben mich in den letzten Jahren besonders die erschlichenen Doktorentitel, weil ich ja zeitgleich redlich an meiner eigenen Diss arbeitete als die ersten Betrügereien enttarnt wurden. Skandalös fand ich dabei gar nicht so sehr den Betrug selbst, der war ja ziemlich bald bewiesen und lag somit für jeden nachvollziehbar offen zu Tage. Schlimm fand ich den weiteren Umgang damit. Die Betrüger versuchten das Thema abzustreiten, auszusitzen, wegzuwischen, es kamen Freunde und Weggefährten mit hanebüchenen Erklärungen und Entschuldigungen und versuchten den Betrug zu bagatellisieren. Und selbst wenn sie dann irgendwann ihre Posten verspielt hatten, fielen sie nie ins Leere, es gab sofort eine gut dotierte Anschlussverwendung für die Betrüger, sie wurden und werden weiter in Talkshows eingeladen, wurden nie ernsthaft zur Rechenschaft gezogen. Das ist dann schon bitter für diejenigen, die ehrlich (und deswegen auch mit sehr hohem zeitlichen und persönlichen Aufwand) gearbeitet haben. Deswegen gefällt mir Köhlers satirisch gefärbte Märchenonkelton überhaupt nicht. Die „Fakes“ werden alle nur als lustiges Phänomen dargestellt, der Schaden, den sie anrichten, wird in seinem Narrativ einfach ausgeblendet.

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