Georg Koeniger ist Schauspieler und Kabarettist und hat in den vergangenen Jahren zwei Bücher über seine Outdooraktivitäten als Kletterer und Radler veröffentlicht. Im September 2012 erkrankte seine Frau – sportlich, kerngesund und Nichtraucherin – unheilbar an Lungenkrebs. Die folgenden Monate sind geprägt vom gemeinsamen Kampf mit allen Mitteln, beide haben die Hoffnung die Krankheit zu besiegen, aber es gibt auch immer mehr Rückschläge und der Krebs schreitet gnadenlos und unaufhaltsam voran. Koeniger begleitet und pflegt seine sterbende Frau bis zum bitteren Ende. Einige Zeit nach ihrem Tod geht er dann um Abschied zu nehmen auf eine Reisetour, die eigentlich sie sich vorgenommen hatte. Er fährt mit dem Fahrrad von Würzburg in knapp fünf Wochen auf dem Jakobsweg zum Wallfahrtsort Santiago de Compostela in Nordspanien.
Im Buch „Trauer ist eine lange Reise“ beschreibt er einerseits diese gewaltige Solotour, in Zwischenblenden wird aber auch der Verlauf der Krankheit und der persönliche Umgang mit Sterben, Tod und Verlust betrachtet. Aus dieser Thematik ergibt sich keineswegs ein gänzlich trauriges oder gar düsteres Machwerk. Koeniger schreibt ebenso von Erinnerungen an glückliche Tage, gemeinsame Reisen, über seinen Alltag als Kabarettist und seinen mannigfaltigen Umgang mit der Trauer in diesen schwierigen Zeiten. Er erzählt von wundervollen Begebenheiten, magischen Zufällen und liefert dabei immer wieder herrlich, detailreiche Beobachtungen von Menschen und Umständen. Koeniger zeigt sich dabei offen, ehrlich, unterhaltsam, nachdenklich, etwas esoterisch, hin und wieder witzig und stets versucht er seine persönliche Situation ohne Eitelkeit oder Angst vor Peinlichkeiten zu erklären. Mit jeder Etappe, mit jedem Erlebnis und jeder persönlichen Begegnung seiner langen Radtour gelingt es ihm den harten Verlust zu akzeptieren und damit umzugehen. „Trauer ist eine lange Reise“ ist ein mutiges und couragiertes Buch. Koeniger dürfte es gerade in seiner Eigenschaft als professioneller Spaßmacher schwer gefallen sein seine Leser so ungefiltert an einem so bedrückenden Teil seines Gefühlslebens teilhaben zu lassen. Man kann aber auch erkennen, dass diese besondere Reise für ihn einen nicht zu überschätzenden, konstruktiven Effekt gehabt haben muss. Daran hat sicher auch der Prozess der Niederschrift einen gewissen Anteil. Es ist ein außergewöhnlicher und berührender Bericht über eine lange und harte Strecke, die er aus eigener Kraft, aber auch mit Hilfe von Freunden, Bekannten und einigen unbekannten und namenlosen Wegbegleitern zurückgelegt hat. Und er ist stark und gereift aus diesem herben Schicksalsschlag hervorgegangen, dazu kann man ihn eigentlich nur beglückwünschen.
Koeniger berichtet im Text darüber, dass er Fotos gemacht hat, leider wurden dem Buch keine Bilder beigefügt, das ist bedauerlich und nicht ganz nachvollziehbar. Eine übersichtliche Westeuropa-Karte mit den einzelnen Touretappen ist doppelt, im Front- und Rückdeckel abgedruckt. „Trauer ist eine lange Reise“ erscheint bei Malik, hat 251 Seiten und kostet gebunden 19,99.
Ich finde es auf der einen Seite bewundernswert, dass es dem Autor gelingt, diese persönliche „Reise“ zusammenzufassen und bewusst andere Menschen/Leser daran teilhaben zu lassen.
Auf der anderen Seite bekomme ich allein bei der Vorstellung ein solches Buch zu lesen Gänsehaut. Jeder, der es mal in nahen Verwandtenkreis erlebt hat, was es bedeutet einen unheilbar Kranken in seinem Umfeld zu haben, kennt dieses zermürbende Gefühl der Machtlosigkeit. Hierüber ein Buch zu lesen stelle ich mir sehr bedrückend, ja deprimierend vor.
Wie ging es dir dabei, Dennis?
Vielleicht bin ich zu empathisch oder sensibel für ein solches Buch, aber bei allem Respekt für den Autor, lesen wollen würde ich es nicht, geschweige denn verschenken.
Du hast recht; Simon. Lesen würde ich es auch nicht wollen.
Es kann natürlich auch erhebende Momente bei so etwas geben etwa, wenn man sich ausspricht oder näher wird als zuvor. Aber das ist eher privat: Ich würde, wenn überhaupt, nur für mich darüber schreiben.
@Simon: Es ist eben nicht nur ein Buch über das „zermürbende Gefühl der Machtlosigkeit“. Besonders tragisch ist natürlich, dass seine Frau relativ jung und unvorhersehbar sterben musste. Da darf man schon mal mit dem Schicksal hadern. Aber letzten Endes werden die meisten von uns irgendwann damit zu tun haben, dass nahe stehende Menschen von uns gehen. Koeniger beschreibt den Weg von der Diagnose über das lange und schmerzhafte Sterben bis zum eigentlichen Tod, aber eben auch die anschließende Trauer so wie er sie empfunden hat und was sie mit ihm gemacht hat. Es sind gar nicht immer nur dunkle Gedanken, man gewinnt den Eindruck, dass die ganze Geschichte ihn sensibler, feinfühliger und empfänglicher macht in Bezug auf sich selbst, aber auch in Bezug auf seine Umwelt. Die lange Fahrradreise und die Ankunft am Pilgerort hat zwar stattgefunden, dient aber gleichzeitig auch als Metapher für den langwierigen Ablösungsprozess von seiner geliebten Partnerin und ermöglicht ihm reinen Gewissens in einen neuen Lebensabschnitt zu starten. Da schwingt durchaus viel Klarheit, Zuversicht und Lebensmut mit. Man muss nicht alle seine Ideen und Gedanken gut heißen, manche seiner Geschichten sind so persönlich, das man sich streiten kann, ob sie in die Öffentlichkeit gehören. Meines Erachtens findet er aber durchgehend einen angemessenen und würdevollen Ton um die Geschehnisse zu beschreiben und zu erklären, auch Situationen, die ihn überforderten oder Dinge, die eben nicht gut liefen. So oder so ähnlich hat er es nun mal erlebt und ich bewundere Koeniger dafür, dass er sich traut mit so offenem Visier davon zu berichten. Weil ich ihn bisher nur als Spaßmacher erlebt habe und nicht persönlich kenne, hätte ich ihm so viel Tiefgang nicht zugetraut. Chapeau, ich ziehe meinen Hut!