Carrie Solomon ist Foodfotografin, Adrian Moore schreibt Artikel über kulinarische Trends, beide leben und arbeiten in Paris. Jeder kennt den Ausspruch „die kochen auch nur mit Wasser“. Stimmt das, ist das wirklich so? Solomon und Moore haben sich gemeinsam gefragt mit welchen Zutaten kochen Europas Spitzenköche in ihren privaten Küchen daheim. Und was wäre da hilfreicher als ein Blick in deren Kühlschranke? Also haben sie sich aufgemacht, sind quer durch Europa gereist, haben insgesamt 40 Sterneköche besucht und den Inhalt ihrer privaten Kühlschränke inspiziert und dokumentiert.
Das schwere, große Buch startet mit einem Vorwort von Nathan Myhrvold (Autor von „Modernist Cuisine“) und einer Einleitung der beiden Autoren. Direkt danach beginnt der eigentliche Inhalt. Jedes der insgesamt 40 Kapitel starten mit einem Foto (meist s/w) des Sternekochs, darauf wird er/sie in einem kurzen Text portraitiert. Es folgt ein schematische Skizze und genaue Modellbezeichnung und schließlich ein farbige Frontalansicht des geöffneten Kühlschranks mit genauer Beschriftung des Inhalts. Manchmal gibt es im Anschluss auch noch einen schnellen Blick ins Gefrierfach, auf jeden Fall stehen am Ende jedes Kapitels noch 1-2 Rezepte des jeweiligen Kochs immer mit Zutatenliste und einem schönen Foto.
Man muss schon einigermaßen mit dem Thema vertraut sein und hochklassige Küche schätzen um die Namen all dieser Koryphäen zu kennen. Aber auch wenn sie einem nicht geläufig sind, so ist dieser direkte Blick in die private Vorratskammer doch recht aufschlussreich. Allen Kühlschrankshots ist gemein, dass es meist doch ziemlich aufgeräumt zugeht, anders als man es vielleicht aus dem eigenen privaten Küchenbetrieb gewohnt ist. Man muss also davon ausgehen, dass die Besitzer auch daheim eine beeindruckende, professionelle Ordnung pflegen oder, dass sie vor dem Termin extra noch aussagefreudige Produkte besorgt und zurecht gelegt haben. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, so ist doch beeindruckend wie unterschiedlich Ausstattung und Inhalt der verschiedenen Kühlschränke sind. Fast immer zu finden sind Käse, Sahne, Milch, Eier, Obst, Gemüse, Wasser, Wein und diverse eingelegte Produkte. Besonders interessant natürlich die regionalspezifischen Besonderheiten, Pasten, Cremes, Dipps, Senf, Aufstriche, Gelees, Marmeladen, Konfitüren, Saucen, Mischungen, Gewürze etc. Man kann auch deutliche Vorlieben für Fisch oder Fleisch gleich erkennen. Und immer wieder zu finden sind alle Sorten kulinarischer Laster wie Bier, Limonaden, Fruchtjoghurt, Waffeln, Schokolade, hält sich aber absolut in Grenzen.
Den beiden US-amerikanischen Autoren, die inzwischen beide in Paris leben, fiel besonders auf, dass europäische Kühlschränke so viel kleiner sind als die amerikanischen Pendants, auch dass sich die Lebensmittelauswahl sehr variantenreich, regional und saisonal gestaltete. Einen schönen Abschluss zu jedem Kapitel bilden die ausgewählten, mit übersichtlichem Aufwand zu erstellenden Rezepte. Fotos und Texte stammen von den beiden Autoren.
Fazit: Sie kochen nicht alle nur mit Wasser, sondern mit den verschiedensten Zutaten! Ein wirklich erhellender und gleichzeitig unterhaltsamer Blick in fremde Kühlschränke europäischer Spitzenköche. Das Buch ist Fotoband, Küchengeschichte und Rezeptbuch in einem und tatsächlich gelingt den Autoren bei dieser Entdeckungstour ein tiefer Einblick nicht nur in Kühlschränke, sondern eben gerade auch in die grundsätzliche Denkweise und Lebenseinstellung der Besitzer. Fotos sind sehr gelungen (durfte man erwarten), Aufmachung ist edel und hochwertig, ergibt zusammengenommen ein wunderschönes Geschenk. Vielleicht erscheint in absehbarer Zeit auch das entsprechendes Buch mit fotografischen Blicken in US-amerikanischen Chefs’ Fridges, das ergäbe dann mal ein interessanter Abgleich, vielleicht müsste dann aber das Buchformat vergrößert werden!
„Inside Chefs’ Fridges“ hat 330 Seiten, erscheint bei Taschen und kostet 39,99 €.