Buch: „Level 4 – Die Stadt der Kinder“ von Andreas Schlüter

Level4„Level 4 – Die Stadt der Kinder“ ist ungefähr das langweiligste Buch, das ich in meinem Leben kennengelernt habe. Habe es zusammen mit meiner Tochter gelesen, für sie war das Taschenbuch die Schullektüre in der 5. Klasse eines bayerischen Gymnasiums. Weil es Thema der nachfolgenden Schulaufgabe war, mussten wir uns bis zum Ende durchquälen, es war ein hartes Stück Arbeit. Ich hatte schon nach 10 Seiten komplett die Lust verloren. Die Handlung ist hanebüchen, unlogisch, langatmig, der Verlauf vorhersehbar und flach, die Personen sind eindimensional und engstirnig, der Stil nüchtern und vollkommen unpoetisch, ich konnte einfach überhaupt nichts Ansprechendes an dem Buch finden. Es fällt auch auf, dass das Buch von 1998 stammt, sämtliche technischen Details (und immerhin geht es um ein Computerspiel) sind hoffnungslos veraltet und das waren sie vermutlich sogar schon zum Zeitpunkt der Erstausgabe. Hantiert wird hier mit stationärem Computer, CD-Rom, Joystick (!), Festnetztelefonen (!!) und Funkgeräten (!!!), weit und breit kein Internet, W-LAN, Laptop, auch keine Konsolen, DVDs oder Mobiltelefone, ganz zu schweigen von sozialen Netzwerken, Smartphones oder Bildtelefon. Für Erwachsene mag diese Ära gerade mal knapp 20 Jahre zurückliegen, für junge Teenager ist das absolute mediale Steinzeit. Vollkommen irre wird die Geschichte zum Schluss hin, sie wirkt wie ein billig animiertes und zu Recht vergessenes Adventure auf dem Amiga, technische Details sind mysteriöse Hackerzauberei, das Chaos löst sich schlagartig und ohne Sinn in allgemeines Wohlgefallen auf und führt zu einem Happy End, na immerhin war dann Schluss. Dann der Schock: Es gibt noch mehr Bände von diesem Stumpfsinn, oh mein Gott.

Liebe Kinder: Zockt lieber ein Spiel oder textet am Smartphone, da lernt ihr in jedem Fall mehr über Medien und gesellschaftliches Zusammenleben als bei der Lektüre dieses Buches. Falls dann doch noch Zeit übrig ist, lest anständige Literatur und nicht so einen Schrott wie „Level 4“. Holt euch dafür eine Empfehlung von Eltern, älteren Geschwistern, aus dem Buchladen oder der Bücherei, aber hört auf keinen Fall auf eure Deutschlehrer. Die haben leider meist am wenigsten Ahnung, weiss auch nicht warum das so ist, aber es ist leider so. Die verlernen anscheinend in Studium und Referendariat, was gute Literatur ist (falls sie es je wussten).

Dass das Buch erfolgreiche Verkaufszahlen vorweisen kann, kann nichts mit dem platten Inhalt zu tun haben, es muss daran liegen, dass es empfohlene Lektüre einiger von Kultusministerien herausgegebenen Lehrpläne ist. Die Schüler werden gezwungen, diesen Mist zu kaufen und zu lesen, anders ist diese Absurdität nicht zu erklären.

12 Gedanken zu „Buch: „Level 4 – Die Stadt der Kinder“ von Andreas Schlüter

  1. Ich habe das Buch nicht gelesen und meine Kinder mussten das auch noch nicht, aber ich wunder mich auch, wenn im Englischbuch der 6. Klasse Realschule eine Vokabel zu lernen ist, wie „Walkman“. Neulich sollte ich diesen Gegenstand erklären….

    • @Mandy: Gutes Beispiel! Walkmen gibt’s schon seit ca. 25 Jahren nicht mehr. Warum nicht gleich 8Track oder 78er Schellack?

      Der Medienwandel ist aber beileibe nicht das einzige Problem dieses Jugendbuches. Wie kann man als Autor nur so langweiliges, noch dazu hirnverbranntes Zeugs aufschreiben und in den Druck geben? Warum ist da kein Lektor eingeschritten? Und wie kommt so ein Schrott auf die Lektürelisten der Kultusministerien und von da aus auf die Einkaufslisten der Lehrer? Liest das denn keiner? Denkt da keiner mit?

  2. Ich bin auf Amazon die Rezensionen einmal durchgegangen. Das Buch bekommt dort bei 127 Kritiken eine 4,3 von 5 Sterne Wertung, also eine dicke Kaufempfehlung.

    Liest man die Kritiken fällt einem aber auf, dass mehr als 3/4 der Kritiken tatsächlich von Schülern stammen, die erklären, dass sie dieses Buch lesen mussten. Außerdem sind Klassenrezensionen online, die wohl von Lehrern mit den Schülern verfasst wurden. Deine These, dass dies nur in Schulen gelesen wird, wird also gestützt.

    Zum Buch selbst kann ich wenig sagen. Musste es in der Schule nicht lesen. Grundsätzlich wäre ich wahrscheinlich etwas milder mit dem Buch, weil Bücher die technische Entwicklungen erfassen natürlich schlechter „altern“ als Bücher des aktuellen Zeitalters.

    Wenn Sherlock Holmes eine Droschke ruft oder einen Boten, dann ist das nicht mehr up to date, aber es macht den Charme der Serie aus.Genauso verhält es sich mit Science Fiction. Wenn ich heute „Bladerunner“ von Philip K. Dick lese (Original 1982), dass in einer futuristischen Welt spielt, wird mir auch bewusst, dass aus aktuellen Blickwinkel, dieses Buch so nicht verfasst worden wäre. Dennoch ist es ein Klassiker den es zu lesen lohnt, weil es schlicht gute Literatur ist, auch wenn manches etwas albern wirkt.

    Allerdings muss ich dir Recht geben. Offensichtlich gibt es Listen von Büchern, die den Lehrern vorgeschlagen werden und man greift hier vielleicht gerne zum „hippen“ Technik Roman, als zum öden Nachkriegsroman.

    Findest du, dass das Buch unter dem Gesichtspunkt, dass es nun mal den technischen Wandel nicht aufhalten konnte, dennoch eine gewissen Reiz ausmachen kann, wenn man aufzeigen will (als Lehrer meine ich), wie es früher wahrgenommen wurde?

    • @Simon: Ja, das mit den Klassenkritiken bei Amazon war mir auch schon gefallen, gut beobachtet. Wozu so eine Sammelkritik unter Aufsicht des Deutschlehrers da sein soll, darf man sich da natürlich auch mal fragen.

      Dass die technischen Aspekte veraltet und überholt anmuten, wäre noch zu verkraften, sie sind aber einfach nicht authentisch, waren also weder zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch sonst irgendwann stimmig. Alles wirkt total undurchdacht, uninformiert und naiv. Das betrifft leider auch die Figuren und die Geschichte selbst.

      Habe in letzter Zeit auch andere Jugendromane gelesen und gesichtet, man hat als Erwachsener mit etwas Leseerfahrung den Eindruck, dass da überwiegend in Akkordarbeit kommerziell verwertbare Grütze, literarisches Fast Food zusammen geschustert wird. Überhaupt kein Vergleich mit Klassikern wie Otfried Preußler, Erich Kästner, Astrid Lindgren, James Krüss, Janosch, Michael Ende, von mir aus auch Cornelia Funke etc., wo die Geschichten stimmig sind, die Figuren entwickelt werden und eine anspruchsvolle, poetische Sprache gepflegt wird. In sich geschlossene Geschichten sind bei Neuerscheinung allerdings kaum noch dabei, weil von Autoren und Verlagen meist auf eine Fortführung als Serie spekuliert wird.

      Da wäre es natürlich schon eine Hilfe, wenn in den Lehrplänen der Kultusministerien der Länder Jugendbücher mit einem gewissen Mindeststandard empfohlen werden.

  3. oje das kenn ich auch aus eigener erfahrung als schüler, mein trauma war „rolltreppe abwärts“; ich kann das auch nicht verstehen, naja aber nachvollziehen wie viele lehrer – vor allem frustrierte – denken und handeln; das kenn ich, da hab ich arbeitsblätter, kumi freigegeben fertich 🙁 sehr traurig aber wahr;
    kenne das buch zwar nicht, es gibt aber ne menge guter einfacher lektüren z:B. auch tschick in einfacher sprache (bin eben in ner förderschule) es geht also wenn man sucht und will, und gerade im gymnasium, wo die kids noch was checken kann man doch was anspruchsvolleres nehmen mannmannmann und wenns der blade runner isst auch noch ein moderner klassiker – leider sind die weiterführenden schulen aber wohl immer noch 20 jahre hinter der aktuellen pädagogik, wenn sie jetzt erst beginnen das an unterrichtsformen und inhalten zu entwickeln, was in förderschulen (an den d…. kanns mans ja testen – so mein eindruck) schon vor 20 jahren getan wurde….

    • @Bernhard: Danke für die offenen Worte, hat ja fast schon Whistleblowerqualität. Und danke auch für die Erwähnung von „Tschick“ von Wolfgang Herrendorf, ganz große Empfehlung, leider genau die Ausnahme, die die Regel bestätigt. Und: Er hat sich leider die Kugel gegeben (kein Witz), deswegen wird von ihm nun wohl nichts mehr kommen (literarischer Nachlass wurde bereits veröffentlicht).

  4. Das schlimmste an der Geschichte ist ja, dass das genaue Gegenteil erzeugt wird, von dem, was bei Kindern oder Jugendlich erreicht werden will: Dass man Spaß am Lesen entwickelt.
    Jeder von uns musste sich schon durch eine Lektüre quälen, ich erinnere mich nur mit schaudern daran, dass bei mir sogar noch laut vorgelesen wurde – jeder Schüler ein paar Seiten, und dass man dann benotet wurde. Lesefluss gleich Null, Interesse ebenso. Es sollte einfach nur vorbei gehen.

    Lediglich ein einziges Mal – Fachoberschule, 12. Klasse – hat unser Deutschlehrer gesagt, dass er eine Liste aus Büchern hat (umfasste ca. 120 Bücher) und man könne sich daraus eines aussuchen und es zu seiner Lektüre machen. Über das Jahr verteilt wurden daraus dann Buchvorstellungen. Das war faktisch das einzige mal, dass ich tatsächlich eine Wahl hatte. Eine eingeschränkte Wahl, aber immerhin.

    Meine Schullektüren waren: In der Altersstufe deiner Tochter habe ich soweit ich mich erinnere „Duplikat Jonas 7“ gelesen. Auch hier findet man auf Amazon immer noch viele Kritiken von Schülern. Das wäre mal eine Recherche wert, ob es tatsächlich so einen inneren Kreis gibt, der an diesen Verkäufen partizipiert.

    • @Simon: Ich kann mich nicht mehr an alles erinnern. Hängen geblieben ist aber „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ von Judith Kerr, das muss in der 6. oder 7. gewesen sein. Das Buch gibt es immer noch, wurde inzwischen auf insgesamt drei Bände erweitert (sic!), die kritischste Rezension beschreibt ihn als “ oberflächlich, klischeebehaftet, belanglos“.

      Muss allerdings ergänzen, dass ich in der 10. und später in der Kollegstufe auch zwei richtig gute Bücher als Pflichtlektüre kennenlernen durfte. Das war einmal „Draußen vor der Tür“ von Wolfgang Borchert, der heute noch zu meinen Lieblingsautoren gehört (vor allem die Kurzgeschichten) und „Catcher in the Rye“ von J. D. Salinger, outstanding, ist klar. Waren beides Mal auch außergewöhnlich engagierte Lehrer (vielen Dank an dieser Stelle), damit steht und fällt viel.

      Was musstet ihr in Eurer Schullaufbahn alle unfreiwillig lesen? Was waren die krassesten Ausfälle und die tollsten Entdeckungen?

      • Puh schwierig. Leider Gottes waren alle Lektüren für mich eher belanglos. In den späteren Jahrgängen hat man dann irgendwelche Klassiker gelesen. Andorra, Der Besuch der alten Dame, natürlich Kafka (Die Verwandlung), Im Westen nichts Neues usw.
        Grundsätzlich keine Katastrophen, weil meist ja wirklich gute Literatur, für mich zu dieser Zeit aber einfach nicht packend. „Im Westen nichts Neues“ beispielsweise, fand ich sogar sehr bedrückend, was nicht gegen das Buch spricht, sondern viel mehr dafür, dass ich solche Literatur nicht mag.

        In der 12. Klasse (Der Deutschlehrer mit den 120 Büchern zur Auswahl) wollte mich nicht ein Buch aus dem Bereich der Phantastischen Literatur vorstellen lassen (Lediglich die Reihe „Per Anhalter durch die Galaxis“ – 6 Romane, das hab ich dann mal lieber gelassen). Ich habe dann „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ gelesen, weil es so wenig Seiten hatte 🙂
        War dann aber überraschend spannend, wenn auch nicht begeisternd.

        • @Simon: Ach Gott, jetzt, wo ich deine Liste sehe, fällt mir wieder ein, dass wir auch „Der Tod in Venedig“ von Thomas Mann lesen mussten. Ich konnte überhaupt gar nichts mit diesem homo-erotischen Stoff anfangen. Was für ein verklemmter Scheiss. Ich dachte mir nur die ganze Zeit, warum muss ich dieses Zeug lesen?

          Das Absurde ist, dass mich Literatur, Film und Musik bereits damals extrem fasziniert haben, aber dieselben Genres in der Schule total abgeturnt haben und das lag einzig und allein an der uninspirierten Auswahl und Präsentation der Stoffe. Zwischendurch habe ich sogar gezweifelt, ob der kulturelle Bereich für mich beruflich der richtige ist. Hat eine Weile gebraucht bis ich kapiert habe, dass die Sicht der institutionellen Vertreter auf Kultur vollkommen antiquiert ist, es ist wie der Besuch eines Museums, manchmal auch wie der eines Friedhofs.

          Dazu mein Lieblingszitat von Thomas Morus: „Tradition ist nicht das Halten der Asche, sondern das Weitergeben der Flamme“

          • Zuerst mal – tolles Zitat!

            Zu meiner Zeit als freier Journalist bei der Mainpost, spielte ich mit dem Gedanken Germanistik zu studieren. Habe mir dann Lehrpläne angesehen und realisiert, dass das nichts für mich ist.
            Nicht weil mich das nicht interessiert hätte, sondern weil mir schon damals klar war, dass hier nicht um des Lesens und Verstehens Willen studiert wird, sondern um vorgefertigte Fragen zu erwarteten Antworten umzuwandeln. Mal abgesehen davon, dass natürlich auch ein ordentlicher Schwung Theorie der Sprache dabei gewesen wäre, der mich zur Verzweiflung gebracht hätte. 🙂
            Rückblickend wäre ich wohl bei diesem Studium genauso unglücklich gewesen, wie bei BWL. Vielleicht war studieren allgemein nichts für mich…

  5. ja das ist immer personengebunden; die bestimmen durch ihr engagement ob das feuer gelegt wird oder ausgeht – borchert blieb mir auch hängen, hab ihn und böll sehr lieb gewonnen und alles von ihnen gelesen als ich unfreiwilligerweise beim bund war…
    während der schulzeit hab ich die ganzen lateinschmöker nicht zu schätzen nein eher zu hassen gelernt, weil mans mit allen tricks übersetzen musste, obwohl das total gute lyrik und prosa is – die metamorphosen oder die gallischen kriege echt guter stoff; die lehrer haben das schon mit begeisterung rübergebracht – allein mir fehlte das wissen zur übersetzung;

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