Carmen Rohrbach ist promovierte Biologin und Reisebuchautorin. Sie verbrachte Kindheit und Jugend in der DDR, bei der Flucht über die Ostsee wurde sie aufgegriffen und musste zwei Jahre ins Gefängnis. 1976 wurde sie von der BRD freigekauft und arbeitete danach am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in München. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sie rund ein Duzend Bücher über Reisen und Expeditionen u.a. in den Jemen, Mongolei, Namibia, Patagonien geschrieben. 2015 erschien ihr Buch „Am blauen Fluss“ über eine Rad- und Wandertour entlang der Donau von der Quelle bis zur Mündung.
Carmen Rohrbach ist ein erfahrener Routinier in Sachen Langstreckenreisen und Reiseschriftstellerei. Diesmal radelte sie den Lauf der Donau vom Schwarzwald bis zum schwarzen Meer hinab von West nach Ost und machte dabei immer wieder auch für ein paar Tage halt um ausgewähltes Umland als Wanderin zu Fuß zu erkunden. Die knapp 3000km lange Strecke teilte sie in zwei Teile, fuhr den ersten Teil bis Wien im Frühsommer eines Jahres und den zweiten Teil im darauffolgenden.
Die Autorin hat einen angenehm unaufgeregten Schreibstil, beschreibt ihre Beobachtungen und Erlebnisse detailreich und reflektiert. Der Fokus liegt dabei auf Flora und Fauna, Zeit- und Kulturgeschichte. Für Naturbetrachtungen und Ausführungen zur Geschichte von Steinzeit bis Moderne nimmt sie sich viel Zeit und Raum. Etwas zu kurz geraten dagegen sind narrative Anteile bei denen man als Leser über subjektive Eindrücke von Rohrbach selbst erfährt. Weite Teile des Textes wirken emotional stark gefiltert und nachträglich objektiviert. Dazu passt, dass die Erzählerin die weite Strecke wochen- und monatelang alleine bewältigt, sich höchstens mal kurz mit einer Bedienung, einer Herbergsmutter oder einem Klostermönch unterhält. Lediglich zwei Tage verbringt sie mit anderen Radlern, denen sie durch einen Zufall begegnet und hier passiert endlich auch mal Unvorhergesehenes. Ansonsten werden Begegnungen mit anderen Menschen und persönliche Auseinandersetzung gemieden, größere Städte (Wien, Bratislava) werden umfahren und bleiben somit ausgeklammert. Musik, Kunst und Kulinarik spielen so gut wie gar keine Rolle, Rohrbach sucht stattdessen Stille und Abgeschiedenheit und verrät wenig über ihr Innenleben. Das mag durchaus eigene Qualitäten vor Ort haben, für den interessierten Leser ist es auf Dauer etwas statisch und unzugänglich.
Erst kurz vor Ende der Reise lässt sie kurz durchblicken, dass die Einsamkeit und die körperlichen Strapazen ihr zu schaffen machen, erwägt an einer Weggabelung den Trip abzukürzen und den nächsten Zug in die Heimat zunehmen. Für einen kurzen Augenblick erscheint die Autorin menschlich und verwundbar, aber gleich danach geht’s doch planmäßig weiter und die Reise wird nüchtern bis zum Ende durchgezogen. Zum Schluss des Textes gibt es keinen Blick zurück, keine Gedanken darüber, was der Weg und die Erfahrungen mit einem gemacht haben, auf welche Weise man verändert wurde, was man mit nach Hause nimmt, was davon übrig bleibt. Stattdessen erschreckend sachliche Tipps zur Reisevorbereitung, geologische Informationen zum Donaulauf, Geschichte im Überblick und eine Liste von Sachbüchern zum weiterlesen. Vielleicht insgesamt das Ergebnis von etwas zu viel Reiseroutine.
Die Reisebeschreibung ist somit weniger eine mitreißende Nacherzählung eines auf- und anregender Roadtrips, sondern vielmehr ein unemotionaler, kulturgeschichtlich befrachteter Tourbericht für beflissene Bildungsbürger im Rentenalter.
Das Buch hat in der Mitte farbige, zum Teil sehr stimmungsvolle Fotos. Im vorderen und hinteren Umschlag ist es mit einer kompakten Karte ausgestattet, die einen die zweiteilige Route auch kartographisch mitverfolgen lassen. Einen Blog oder weiterführende Informationen im Internet gibt es anscheinend nicht.
Das Buch erscheint bei Malik, hat 288 Seiten und kostet 19,99€.
Das was Du da schreibst, macht es fast wieder spannend 🙂
Vielleicht hat auch die Reise nichts mit ihr gemacht!? Das kann ja durchaus sein. Nicht jede Reise muß einen transformieren, die wenigsten tun es.
@Gerhard: Ja, man gewinnt beim lesen den entsprechenden Eindruck. Zu sachlich, zu informationsbeladen, kommt da die (Natur)Wissenschaftlerin durch? Oder waren es einfach zu viel Reisebericht in den letzten Jahre und die Erfahrung gerät zur lästigen Routine? Vielleicht sollte Frau Rohrbach vor dem nächsten Aufbruch mal warten bis das Fernweh und Reisehunger einsetzen.