Buch: „Truggestalten“ von Rudolph Herzog

Rudolph Herzog ist Autor und Regisseur, drehte Dokumentarfilme und verfasste verschiedene Sachbücher. Im Frühjahr 2017 hat er nun bei Galiani Berlin sein Debut als Romanautor vorgelegt. „Truggestalten“ spielt im zeitgenössischen Berlin und wird als episodenhafte Sammlung von Schauergeschichten beworben.Das Buch besteht aus sieben Kurzgeschichten, die in modernen Berliner Zeiten spielen. Die jeweiligen Hauptakteure treffen auf seltsame Begebenheiten, entdecken gruselige Details der Vergangenheit und/oder haben übersinnliche Erlebnisse. Erzählt wird aus verschiedenen Perspektiven. Von auktorial über ich, du, er, sie, es ist fast alles dabei. Das mag Autor und Verlag als besonders originell empfinden, auf den Leser wirkt es mitunter konstruiert und unstimmig. Auch andere erzählerische Elemente erscheinen wie am Reißbrett entworfen. Die Stadt- und Kulturgeschichte Berlins, Kaiserzeit, Weimarer Republik, Weltkrieg, Nachkriegszeit, Wiederaufbau, Hausbesetzer, Mauerbau, Wendezeit, Neubeginn, Investoren, Gentrifizierung, alles dabei was einem so einfällt, wenn man die klassischen, gesellschaftspolitischen Themen der deutschen Hauptstadt als Ambiente in einen unterhaltenden Text einarbeiten will. Da führt die umfassende Gründlichkeit des Sachbuchautoren und Dokumentarfilmers schon bald zu einer unangenehmen inhaltlichen Überfrachtung. Dagegen fällt die im Umschlagtext angekündigte Verzahnung der Kurzgeschichten sehr dürftig aus. Hin und wieder steht mal eine Figur der einen Geschichte in einer anderen als Statist im Weg herum, das war’s dann aber meistens auch schon. Tiefgreifende inhaltliche Zusammenhänge, die dem Leser eine neue Perspektive auf Zurückliegendes eröffnen, entstehen daraus nicht.

Zugute halten muss man dem Autor, dass er seinem Konzept treu bleibt, er formuliert geschmeidig, kann mit Sprache umgehen und hat dabei einen angenehmen Stil. Alle Sachinformationen sind gründlich recherchiert, aber so ehrenwert das alles zusammen genommen auch sein mag, die Texte gewinnen dadurch keine literarische Tiefe, hat man das Buch ausgelesen, war’s das dann auch schon, es bleibt beim besten Willen nicht viel hängen. Eine unterhaltsame Lektüre mit sprachlichem Anspruch ist es jedoch allemal. In seiner episodenhaften, formellen Anlage vielleicht vergleichbar mit den kriminalistischen Anekdoten von Ferdinand Schirach. Bei beiden Autoren hat man das starke Gefühl, das die filmerische Umsetzung öffentlich-rechtlicher Medienanstalten bereits bei der Entwicklung und Niederschrift ihrer Texte mitbedacht wurden.

Fazit: Unterhaltsame Schauergeschichten mit der deutschen Hauptstadt als Kulisse. Ein nette Lektüre für’s Frühjahr, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

„Truggestalten“ erscheint bei Galiani Berlin, hat 240 Seiten und kostet gebunden 20,00 €.

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