Reise: Bay Breeze, Burger & Brass Band

Gut geschlafen, aufstehen, frisch machen, Fruehstueck im Hostel, danach Blogbericht am PC. Kann da leider keine Fotos komprimieren, deswegen sind es Riesendateien (Tipp?).

Um ca. 11.00 gings los, einfach mal querfeldein durch die Strassen und Haeuserschluchten Richtung Sueden zum Meer. Es war ganz offensichtlich nicht der etablierte Touriparcours, vorbei an kleinen Designerlaeden, Kaffees, Schulen, Sportplaetzen und eingezaeunten Hundeparks. Dann oeffnet sich der Blick auf die Bucht mit Marina, helles Licht, leichte, salzige Brise, wunderbar, habe mich erstmal auf eine Bank gesetzt und tief durchgeatmet. Ein paar Jogger, Frauen mit Kinderwaegen, Maedchen mit Roller zogen an mir vorbei, in der Luft flogen Moewen und schimpften auf finnischem Moewisch auf uns alle herab, dann zog eine schwarze Drohne ca. 15m ueber mit vorbei, das war unheimlich, hin und her, rauf und runter. Ich brauchte eine Weile bis ich checkte von wo das Teil gesteuert wurde. Ca. 100m entfernt standen zwei Jugendliche mit ihrer Steuereinheit, das Ding war sehr schnell, aber man kann es sehen und horen, wie gesagt ein komisches Gefuehl. Noch gruseliger waere es natuerlich, wenn man es nicht hoeren koennte.
Bin dann weiter und in einem grossen Bogen entlang der Strandpromenade in die Stadt, alles sehr entspannt und das Wetter wurde immer besser. Kurz zum Marktplatz, aber sehr touristisch dort, also weiter. Durch Esplanade einmal quer durch die Innenstadt/Shoppingmeile, nicht so interessant fuer mich, Konsumtempel wie in jeder anderen Metropole eben auch, alles sehr teuer. Wollte nur mal einen Bissen essen, aber kaum was erschwingliches zu finden. Kaffe heisst Kahvi (mein erstes finnisches Wort) und kostet so ab ca. 5 Euro im Pappbecher, ein labbriges Sandwich in Plastikverpackung ab 6-8 Euro. Ich also weiter und fand den, laut Reisefuehrer, fuehrenden finnischen Burgerladen Hesburger, musste ich mal testen. Nicht so doll, auch hier wenig und nicht besonders guten Essen fuer viel Geld. So wie Hesburger schon allein sprachlich eine Verkuerzung des englischen Wortes Cheeseburger ist, genau so schmeckte es auch. Denn auch Burger koennen gut zubereitet werden und lecker schmecken. Diese leider nicht.

Bin dann kurz zureuch ins Hostel, frisch machen, andere Schuhe anziehen, was trinken, Mails checken. Dann wieder los, um 17.00 war eine Vorlesung zum Thema Geschichte der Blechblasmusik in Finnland an der Sibelius Academy, sowas kann ich mir nicht entgehen lassen. Kleiner Umweg Richtung Bahnhof, weil ich noch Zeit hatte, okay dann eben hinter dem Bahnhof entlang und quer rueber, sagte mir mein Orientierungsinn. Ging aber nicht, da waren die Gleise, ich also weiter und verfranste mich immer mehr, irgendwann kam dann doch eine Fussgaengerbruecke, da war das Gebaeude auf der anderen Seite laengst aus meinem Blickfeld entschwunden. Ich also rueber und auf der anderen Seite ein ziemlich grosser See, aussenrum laufen, lauter wie ferngesteuerte Jogger mit Stoeppseln im Ohr, ich konnte gar nicht nach dem Weg fragen. Also noch einmal eine grosse Runde, die Zeit lief mir davon, es war warm geworden, ich schaffte die halbe Seerunde, kam raus hinten bei Finlandia, aussen rum und war beim Sibeliusbau. Die Vorlesung hatte bereits angefangen, aber die Tuer stand offen, drinnen Biosaal Atmo, hoher Maenneranteil, oben signalisierte ein Zuhoerer stumm, dass noch Platz sei, ich setzte mich dazu.

Die Vorlesung war halb auf finnisch, halb auf englisch, die witzigen Passagen waren finnisch (der Grossteil des Auditoriums schmunzelt oder lacht) und fuer mich immer unverstaendlich, die folgende Uebersetzung war dann trocken und ohne jede Pointe, aber egal. Aufgelockert wurde das ganze von einem alten Brass/Prof. aus Minnesota, der gut finnisch verstand und sprach und sich immer wieder mit inhaltlichen Ergaenzungen auf Englisch an das Publikum wandte. So drehte er mal um mal die Ausdrucksform ins Englische. Das war gut fuer mich, der Redner ertrug die staendigen Unterbrechungen mit Fassung, kam aber, wie leicht voraus zu sehen war, in der vorhergesehenen Zeit nicht annaehernd zum Ende seines Vortrags. Seine Geschichte der finnischen Blechblasmusik begann 1815 und endete an diesem Tag ca. 1900, also ziemlich genau da, wo es fuer normale Menschen interessant geworden waere. Die Musikwissenschaft in Finnland operiert also nach dem gewohnten Mustern wie in Deutschland, bloss nicht zu weit vorwagen. Gelernt habe ich, dass die deutsche Blasmusikkultur wohl einen enormen Einfluss ausgeuebt hat, alle wesentlichen Kapellmeister und Arrangeure kamen mehr oder weniger aus dem deutschsprachigen Kulturraum. Von einer wirklich finnischen Blasmusikultur kann man da nur partiell reden.

Interessant wurde es dann nach der Vorlesung, in einem Konzert in dem der amerikanische Prof. weitestgehend als Dirigent und Ansager wirkte, wurde ein klingender, historischer Ueberblick geboten. Aber erstmal eine kleine Pause, denn in der Vorlesung waren auch einige der Mitwirkenden gesessen und die mussten sich erstmal aufs Konzert einrichten. Auch toll, praktische Musiker interessieren sich fuer die historischen Hintergruende ihrer eigenen Musikkultur, in Deutschland eine absolute Seltenheit.

Ca. 30 Min Pause, ich will was essen & trinken, Im Gebaeude gibt es mal wieder labbrige Broetchen fuer 6,80. Keine Ahnung wie die Finnen das finden und sich das auf Dauer leisten koennen. Bei dem Preis hunger ich lieber oder gehe zu einem Kiosk und kauf mir ne Cola (auf finnisch wahrscheinlich Koehlae). Dann zurueck und zur Kasse, Karte kaufen. Die Dame schaut mich traurig an und sagt sold out, ausverkauft, vor 5 Min sei die letzte Karte verkauft worden. So ein Mist, haette ich nur gleich nach dem Vortrag eine gekauft. Ich frage, ob es noch ein kleine Chance gaebe, sie sagt, eher nicht, aber ich koenne ja warten, gleich komme der Manager. Also warte ich. 5 Min spaeter kommt tatsaechlich der Manager und fluestert der Kartenverkaueferin etwas finnisches zu. Ich frage nochmal, und, geht noch was. Die Kartenverkaeuferin so, leider nicht. Ich warte trotzdem, und der Manager kommt wieder und nickt, also doch noch was frei, irgendwelche Ehrengaeste waren nicht gekommen. 3 Min vor Konzertbeginn, jetzt muss es schnell gehen, ich werde gefragt, ob ich studiere, ueberlege kurz und sage ja, dann bekomme ich den reduzierten Studentenpreis und interpretiere das als stille Anerkennung meiner unaufdringlichen Beharrlichkeit. Schnell rein in den Konzertsaal, ich sehe mich um mind. noch 15 Plaetze frei, ich suche mir den besten raus, rechts von mir noch unbesetzt. Lustig ist das schon. Bei Pop&Rockkonzerten verkaufen sie, wenn es irgendwie geht gerne mal 120% der Karten und runden die Zahlen den Sicherheitsbehoerden gegenueber nach unten, bei der Hochkultur ist bei 80% vermeintlich ausverkauft. Egal ich bin drin, es geht los.Auf die Buhne treten 20 finnische Militaermusiker, eine astreine historische Besetzung, Tuba, Tenorhorn, Horn, Kornett, kein Trompeten, soweit ich das erkennen kann. Gespielt wird ein ca. 80 Min Programm ohne Pause, einige Maersche, aber auch Divertissments, das sind unterhaltsame Zusammenstellungen kleiner Stuecke und Suitensaetze. Zentrale Figur ist der einflussreiche deutsche Kapellmeister E.W. Floessel. Im Vergleich zu gestern wird heute freilich alles historisch korrekt gespielt, ohne experimentelle Einlagen und das ist auch gut so. Einige der Werke wurden muehsam aus Manuskripten abgeschrieben und seit mehr als 100 Jahren nicht aufgefuehrt. Fuer Liebhaber ist dieser Abend also wirklich was besonderes. Aber auch fuer mich. Habe noch nie eine so praezise und punktgenaue Blaskapelle gehoert. Das Programm ist abwechslungsreich und unterhaltsam, nie anstrengend, grosse Plaisir. Am Ende dann natuerlich der Radetzky Marsch von J. Strauss. Was Johnny B. Goode fuer den R&R ist, das ist Radetzky fuer die Marschmusik. Habe da nur Querfloeten und Klarinetten vermisst, aber vielleicht trete ich mit dieser Aussage auch komplett in ein blechernes Fettnaepfchen. Ab der Mitte des letzten Marsches forderte der Dirigent zum Mitklatschen auf, der Saal machte sofort mit. Und gelernt habe ich, immer freundlich und geduldig bleiben, dann kann das schon noch was werden. Haette nicht gedacht, dass finnischen Blasmusik eine so grosse Rolle bei diesem Tripp spielen wuerde, heute noch ein Vortrag um 13.00, danach ein Konzert um 15.00, ich glaube ich muss wieder hin.

Nach dem Konzert bin ich uebrigens den umgekehrten Weg um den See zurueck zum Bahnhof, war, diesmal ohne Zeitdruck, eine schoene Strecke. War natuerlich immer noch hell und ich nicht muede, warum nicht noch ins Kino? Die Poster warben fuer die Mumie mit Tom Cruise, naja, warum nicht, also rein, aber drinnen erfuhr ich dann, laeuft erst naechste Woche an, was laeuft sonst so, Song to Song auf Englisch, geht gerade los, ich also rein, mit finnischen und schwedischen Untertiteln, kein Gefahr, dass ich heimlich mitlese. Hatte den Film ja hier vor kurzem empfohlen, aber lief natuerlich nicht in meiner Heimatstadt, eh klar. Ist ein langwieriger, assoziativer Film mit recht freier Erzaehlstruktur, mir hats gefallen, aber ist nichts fuer jeden Abend, man muss in der richtigen Stimmung sein, nicht fuer Pointen- und Storyfetischisten, dafuer schoene Bilder und Andeutungen. Fuer mich inspirierend. Ums Songschreiben oder Musikmachen gehts uebrigens nicht mal nebenbei.

Als ich den Weg aus dem Kino endlich gefunden hatte, um Mitternacht bei Daemmerlicht zurueck zum Hostel, Dusche, Bett. Bin schaetzungsweise 12-15 km gelaufen, die Fuesse und Beine brennen. Habe ueber 8h tief und fest mit Gesichtsmaske geschlafen. Rock on.

5 Gedanken zu „Reise: Bay Breeze, Burger & Brass Band

  1. Wenn der Computer im Hostel das Programm „Paint“ oder „Windows Paint“ drauf hat, kannst du es recht umständlich komprimieren.
    Das Bild im Bearbeitungsprogramm öffnen, dann gibt es den Punkt „Größe ändern“. Dort kannst du die Pixel runterfahren. Dann beim Speichern .jpg auswählen (wichtig – du musst „Speichern unter“ auswählen, nicht bloß speichern).
    Du vergibst einen neuen Dateinamen um nicht das Urfoto zu überschreiben.

    Damit solltest du Browser freundliche Dateigrößen hinbekommen. Leider zeigt das Programm nicht vor dem Speichern an, wie groß die Datei wird. Da muss man dann ein bisschen rumspielen, aber das wirst du schnell raus haben. Nachdem du gespeichert hast, steht im übrigen im Programm unten in der Zeile die jetzige Dateigröße. Wenn es dir dann zu groß ist, einfach noch mal machen.

    Ich hoffe das hilft dir.

    Oh, kleiner Bedientipp noch. Läd man die Bilder rein, ist es meist so, dass man nur einen Bildausschnitt sieht. Wenn du STRG hälst und mit dem Mausrad zu dir drehst verändert sich die skalierung im Programm ohne, dass das Bild tatsächlich verändert wird. Du kannst auch rechts unten bei der Lupe das gleiche machen. Ist deutlich komfortabler, falls du auch mal was schneiden willst.

    • @Simon: Danke für die Anleitung, mal sehen ob das klappt, bin halt den Mac gewohnt, da geht das ganz einfach. Morgen geht’s über die Ostsee nach Tallinn und das bei rauer See, Regen und guten Wind.

  2. Mach doch mal ein „Selfie“ von dir. So ganz entspannt auf der Überfahrt. Da bekäme man evtl einen Eindruck von der rauhen See. Grüße

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