Dirk Rohrbach ist Reisender, Fotograf und Journalist. Sein Buch „6000 Kilometer westwärts“ über die Durchquerung der USA mit dem Fahrrad innerhalb von drei Monaten ist 2017 in zweiter Auflage als Taschenbuch erschienen. Die erste Auflage wurde noch unter dem Titel „Highway Junkie – Mitten durch Amerika“ im Jahr 2014 bei einem anderen Verlag veröffentlicht. Wann die Tour tatsächlich stattgefunden hat, ist im Buch an keiner Stelle vermerkt und war auch durch eine Recherche nicht herauszufinden.
Die eigentümliche Methode den Zeitpunkt der Tour absichtlich zu verschleiern kennt man als Leser bereits aus dem Buch „Americana“, seiner Amerikaumrundung, die 2004 stattfand und viele Jahre später ohne zeitliche Angaben als Buch wiederveröffentlicht wurde. Man darf inzwischen getrost den Vorsatz unterstellen, alte Schriften durch fehlende Angaben zeitlos machen zu wollen. Immerhin hantiert Rohrbach diesmal nicht mehr mit Analogfilmen in Dosen, sondern ist auf Kameras mit SD-Karten umgestiegen. Das im Buch erwähnte Blog war allerdings im Netz nirgends auffindbar. Stattdessen erschien im Sommer 2017 eine 5-teilige Dokureihe bei ZDF/Arte (Drehbuch & Regie: Viktor Stauder), obwohl im Buch von irgendwelchen Dreharbeiten niemals die Rede ist. Alles ziemlich irritierend, aber nun zum eigentlichen Text.
Auch in diesem Buch übergeht Rohrbach sämtliche Rahmenbedingungen, die so einen gewaltigen Tripp begleiten: Kein Wort über Vorbereitung, Tourplanung, Organisation, Beziehungen, Finanzierung, Ausrüstung, Rückkehr. Immerhin wird im Vergleich zu „Americana“ diesmal die Anreise etwas genauer beschrieben: Von Bremerhaven über ein paar Zwischenstationen geht es mit dem Containerschiff gemächlich nach New York. Die Metropolen spielen auf der weiteren Strecke allerdings keine größere Rolle mehr. Rohrbach plant den Kontinent auf den legendären Highways abseits der regulären Hauptrouten zu durchqueren.
Sympathisch ist, dass er sich gegen GPS, Navi und Tracker entschieden hat. Die Route ist also nicht minutiös ausgeplant und er räumt dem Zufall ordentlich Platz ein sich zu entfalten. Der Reise- und Radlflow kommt dann auch flott in die Gänge. Im Vergleich zu „Americana“ wirkt der Autor diesmal lockerer und entspannter. Er scheint die Tour von Anfang an mehr zu genießen, berichtet von seiner gesundheitlichen und körperlichen Verfassung, schreibt aber eben nicht nur von Rad und Strecke, sondern interessiert sich ebenso für Land und Leute. Einige Begegnungen kommen offensichtlich zufällig zustande, andere scheint er vorab wenigstens in etwa geplant zu haben. Die Mischung ist ausgewogen, die Begegnungen nicht immer aufregend, aber zumindest interessant. Sein Schreibstil hat sich in den letzten Jahren positiv entwickelt, alles wirkt eloquenter, runder, reifer und dadurch lesbarer.
Trotz der verschiedenen Begegnungen und landschaftlichen Wechsel verbringt der Autor aber doch offensichtlich den Großteil seiner Zeit im Sattel und tritt hunderte, ja tausende von monotonen Meilen einsam in die Pedale. Bei diesen Passagen bleibt es leider flach und ideenarm, nie heben die Gedanken mal richtig ab, an keiner Stelle kommt er ins Philosophieren über das eigene Dasein und den Grund seiner Rastlosigkeit. Immer wieder geht es stattdessen um Allgemeinplätze wie Essen, Trinken, die nächste Übernachtung. Selbst der Besuch eines großen Countryfestivals in Nashville führt nicht zu ungewöhnlichen, eigenständigen Ideen, dabei hat man durchaus den Eindruck, dass ihm diese Musik etwas bedeutet. Da ist Rohrbach anscheinend zu sehr vernunftgesteuerter Journalist und zu wenig Märchentante oder Storyteller. Der Text bleibt insgesamt protokollarisch, versucht nie mal literarische Qualität zu entwickeln.
Man folgt ihm also als Leser treu von Ost nach West, von New York nach Philadelphia, durch die Appalachen über die Rockies, vom Wald in die Berge und von da in die Wüste. Sacramento, San Francisco und Golden Gate lässt er links liegen, fährt noch runter den Highway 1, entlang der Pazifikküste, dann rollt Rohrbach auf den Santa Monica Pier und die Tour geht unspektakulär zu Ende. Kein Epilog, kein Nachwort, kein Kommentar, keine tiefgreifende Erkenntnis, einfach vorbei, schade.
Fazit: Dirk Rohrbach ist Sportler, Radler und ein rastloser Reisender, aber kein guter Geschichtenerzähler. Vielleicht sollte er demnächst mal weniger rumtingeln und sich dafür etwas mehr auf Menschen und Beziehungen konzentrieren um von substanzielleren Erlebnissen berichten zu können. Man hat den deutlichen Eindruck seine Reiseberichte sind auserzählt, eine weitere Amerika-Radtour von Nord nach Süd ist nicht mehr erforderlich.
Das Taschenbuch enthält etliche stimmungsvolle Farbfotos, erscheint bei Malik / National Geographic und kostet 15 €.
Da lob ich mir das Buch von Juliana Buhring!
@Gerhard: Wie heißt das Buch und worum geht es?
ich hätt schon noch ne idee, die ihn herausfordern könnte – fangt mit g an und hört mit eveller auf 🙂
@Bernhard: Vielleicht ist genau das, das Problem: Höher, schneller, weiter, immer wieder. Starke Überschriften und präzise Logbücher sind für Leser ermüdend, insbesondere wenn die Trips alle paar Jahre in nur leichten Varianten wiederholt werden.
Viel interessanter ist doch, was die Reise mit einem macht, wie sie einen verändert, welche Erkenntnisse man gewinnt. Auf dieser Ebene tritt Rohrbach (und mit ihm etliche andere reisejournalistische Kollegen) erkennbar auf der Stelle. Einmal bewährte Konzepte werden unermüdlich, fast bis zur Besinnungslosigkeit wiederholt, als seien sie in einer Schleife gefangen. Der Weg sollte progressiv sein, nicht zirkulär!
@Dennis sehe ich genauso, aber es gibt scheinbar ne Menge Leute , die selbst infiziert von Ausdauerevents – darauf stehen Wettkampfberichte und dgl in blogs und Büchern dauernd kreisen zu lassen; die Masse an Ausdauersportlerblogs ist echt unfassbar, da gehts dann nur um Erfolg / Misserfolg und das Warum es svlt so und nicht anders lief – Selbstoptimierungskreiseln auf physiologischer Ebene – ander Baustelle eben, finde ich auch nicht bereichernd, seis drum.