Robert Barry ist britischer Journalist und Autor. Sein erstes Buch „The Music of the Future“ erschien 2017 im englischen Original. Im Frühjahr 2018 erschien es unter dem Titel „Die Musik der Zukunft“ in deutscher Übersetzung in der Edition Tiamat. Es geht darin allerdings nicht, wie man als Interessierter vielleicht annehmen könnte, um zukünftige musikalische Entwicklung aus heutiger Sicht. Die Schrift ist ein historischer Rückblick auf musikalische Zukunftsentwürfe und kulturelle Utopien der Vergangenheit. Thematisiert werden herausragende Begebenheiten Westeuropas und Nordamerikas der vergangenen ca. 200 Jahre. Im absoluten Fokus stehen Betrachtungen und Entwicklungen der westlichen Kunstmusik.
Barry schreibt in der Rolle eines Suchenden und Forschenden. Immer wieder erzählt er von persönlichen Besuchen bei fachspezifischen Konferenzen und Tagungen in verschiedenen Städten, er besucht Konzerte, nimmt an Vorträgen und Diskussionen teil, agiert selbst als Vortragender und Autor von Artikeln. Dazwischen schreibt er von imposanten, aber vermutlich den wenigsten Lesern bekannten historischen Persönlichkeiten. Zumeist handelt es sich bei den Figuren um eine Mischung aus Musiker, Erfinder, Techniker, Kulturphilosoph, Idealist und Utopist. Quer- und Vordenker also, die versuchten, zukünftige Entwicklungen herzuleiten, vorherzusagen oder wenigsten durchzudenken. Die allermeisten dieser zum Teil umfangreichen Ideen und Prophezeiungen sind gar nicht oder anders gekommen und so versammelt der Text überwiegend eine bisher unerzählte Geschichte von Fehleinschätzungen und Falschinterpretationen. Nichtsdestotrotz waren und sind Weitsicht und Imagination immer Triebfedern kultureller und künstlerischer Entwicklung. Es gibt auf der anderen Seite nämlich auch etliche Beispiele dafür, dass starke Ideen und Ideale das Potenzial haben eine neue Wirklichkeit zu erschaffen. Das funktioniert dann ähnlich wie eine selbsterfüllende Prophezeiung: Der Musiker, Künstler oder sonstwie Kreative redet so lange von seiner Idee, dass andere auf ihn aufmerksam und hellhörig werden. Idealerweise setzt er seine Ideen irgendwann selbst um, er gibt aber auch Anregungen dafür, dass andere die im Umlauf befindlichen Ideen aufgreifen und seiner statt umsetzen.
Der Buchtext ist interessant und anregend. Und wenn man eine Lehre daraus ziehen kann, dann die, dass der Mensch nicht aufhören soll zu träumen und zu idealisieren, auch wenn er sich dabei verhebt und grob daneben liegen kann. Ist das Ziel einmal formuliert, kann der Weg dorthin geplant und beschritten werden und selbst ein vermeintlicher Irrweg kann sich im nachhinein als Weg zu komplett neuen Welten offenbaren. Das Problem liegt nicht darin mit seiner Idee zu scheitern, das Problem wäre vielmehr, gar nichts zu machen allein um Fehler zu vermeiden. Diese Geschichte von Scheitern, Veränderung und Umsetzung musikalischer Utopien nachzuvollziehen ist allemal lohnend, nicht nur für historisch interessierte Utopisten!
Das Taschenbuch erscheint bei Tiamat in der Reihe Critica Diabolis, hat 240 Seiten und kostet 20 Euro.
Klingt gut! Ich wäre mal gespannt, wie sich Musik im Jahre 5555 anhören würde.