Die Autorin Silke Leopold ist eine profilierte, deutsche Musik- und Theaterwissenschaftlerin. Nach diversen Veröffentlichungen in der Reihe „Bärenreiter Studienbücher Musik“ und zuletzt einer Biografie über Claudio Monteverdi (2017) legt sie mit „Leopold Mozart“ diesmal eine besondere biografische Schrift vor. Die Hauptfigur ist nicht in erster Linie als Musiker bekannt, sondern vor allem als Vater, Erzieher und Förderer seiner beiden hochbegabten Kinder Wolfgang und Nannerl. Im November 2019 jährt sich Leopold Mozarts Geburtsjahr zum 300. Mal. Anlass genug für eine ausführliche, nähere Betrachtung.
Nach einer kurzen fachlichen Einleitung unterteilt die Autorin Leopold Mozarts facettenreichen Charakter, seine Tätigkeitsfelder und Lebensstationen in sieben thematische Bereiche: Sohn des Buchbinders, Musiker, Komponist, Schriftsteller, Wegbereiter, Ratgeber und Großvater. Das mag erstmal wie ein grobes Raster klingen, funktioniert als Kategorien aber erstaunlich gut. Wie zu erwarten sind die ersten Kapitel relativ kurz und knackig geraten. Quellen dafür sind Familienstammbaum, erhaltene Kompositionen und der rege und in weiten Teilen erhaltende Briefwechsel des Familienvaters mit allen möglichen Leuten. Die Ereignisse rund um die Person werden immer wieder aufwändig in Zusammenhang gesetzt mit historischen Ereignissen während seiner Lebenszeit. Die Autorin stützt sich dabei auf zeitgenössische Quellen, zitiert und kommentiert diese ausgiebig, präsentiert in Abbildungen gemalte und gezeichnete Portraits, Titelblätter, Briefe, etc.
Besonders interessant sind die gut ausgewählten Briefzitate von Vater Leopold und Sohn Wolfgang. Die Notizen der großen Europareisen und der schriftliche Austausch während weiterer Reisen zeichnen sehr sorgfältig recherchierte, detailreiche Innenansichtigen. Dagegen wirken die musiktheoretischen Analysen an der ein oder anderen Stelle etwas zu ausführlich und abstrakt, auch weil die Schrift ohne Klangbeispiele oder Notenabdrucke erscheint. Gespannt ist man auf die letzten Kapitel, in denen das außergewöhnliche Verhältnis zwischen Vater und Sohn abgehandelt wird. Obwohl sowohl Vater, als auch Tochter und Sohn lebenslang große Teile ihres Einkommens als Instrumentallehrer verdient haben, erfährt der Leser bzgl. musikpädagogischer Arbeit leider erstaunlich wenig. Auch die aufschlussreichen Londoner Skizzenbücher werden nur nebenbei erwähnt. Etwas mehr Raum wird zwar der Violinenschule des Vaters eingeräumt, aber es geht dabei eher um sein Gespür für finanzielle Angelegenheiten als musikpädagogische Inhalte.
Die Biografie endet abrupt mit dem Tod des Portraitierten und der Versteigerung seines Besitzes. Ein kurzer Abriss über die Einschätzung seiner Position im Laufe der folgenden Jahrhunderte und die weitere Wirkung seines musikpädagogischen und kompositorischen Werkes wäre sicherlich interessant gewesen.
Silke Leopolds Schreibstil ist erfahren, kompetent und routiniert, aber auch etwas trocken, umständlich und humorlos. Zum Glück sind die zahlreichen Zitate klug gewählt und lockern mit ihren eigenen Skurrilitäten den etwas zu wissenschaftlich anmutenden Text etwas auf. Fachlich ist der Autorin nichts vorzuwerfen. Alle Zitate und Darstellungen sind lückenlos belegt.
Fazit: Silke Leopold wird dem facettenreichen und teilweise auch widersprüchlichen Leben Leopold Mozarts gerecht. Es muss viel Mühe gemacht haben die vielen verschiedenen Zitate, Darstellungen und Belege zusammenzusammeln und zu bewerten. Weil Leopold Mozart als einfacher Handwerkssohn aus Augsburg, über die Anstellung als Kammerdiener in Salzburg bis zu Besuchen bei Königs- und Fürstenhäusern in halb Europa einen für damalige Verhältnisse unglaublichen gesellschaftlichen Bogen geschlagen hat, ist sein Lebensweg besonders spannend und diese Biografie in höchstem Maße lesenswert.
Das gebundene Buch erscheint bei Bärenreiter | Metzler, hat 280 Seiten und kostet knapp 30 Euro.