Die Sci-Fi Synth Rock Formation Nordir hat im Z87, Würzburg eine audiovisuelle Zeitreise präsentiert. Das Duo besteht aus Viktor Nordir, Lars Maier und der fiktiven KI-Assistentin Marlene, die als unsichtbarer Sidekick Jahreszahlen aus verschiedenen Jahrhunderten vorgibt und inhaltliche Themen setzt.
Viktor Nordir agiert als Sänger, Songschreiber und Gitarrist, bedient auch Synths und ist für die visuelle Umsetzung der Videos und Animationen zuständig, die das komplette Programm hindurch im Hintergrund auf einer Leinwand durchlaufen und äußerst geschmackvoll ausgewählt und aufbereitet erscheinen. Lars Maier dagegen der Rhythmiker am E-Schlagzeug, das man als Musikliebhaber ja nicht so gerne sieht oder hört, aber hier absolut passend wirkt und in seinem vollen technischen Umfang genutzt wird. Beide Musiker sind gleichzeitig überzeugende Performer, beherrschen Instrumente und Handwerk, sind aber vor allem gründliche Bastler und Kuratoren von Sounds und Samples. Das Gesamtergebnis absolut beeindruckend, die komplexe Vorbereitung und der technische Aufwand geraten beim Hören und Sehen vollkommen in den Hintergrund, man kann sich in vielfachen, interdisziplinären Expressionen als Betrachter und Zuhörer vollends verlieren, taucht ein in die künstliche Schwarz/Weiß-Kunstwelt der beiden schwarz gewandeten Sci-Fi-Synthologen. Die Zeitreise führt in Vergangenheit und Zukunft, unter anderem in die Jahre 2077, 1967, 1957, 3333, 1270, 1943, 2122 und es werden jeweils historische und apokalyptische Themen künstlerisch in Szene gesetzt, darunter: Edward Snowden, DDR, Raumfahrt, Spiritualität, Schwarze Löcher, Kriege, Künstliche Intelligenz. Der große, nicht benannte Rahmen ist dabei das Wesen und Entwicklung des Menschen bzw. der Menschlichkeit, als Marker dienen entscheidende, historische Wendepunkte, individuelle Veränderungen, prophetische Aussichten.
Sucht man nach einem Vergleich finden man musikalische Einflüsse von Kraftwerk über Depeche Mode bis hin zu Rammstein, visuelle Einflüsse von Charlie Chaplin, Orson Wells und Stanley Kubrick. Auf jeden Fall ist es eine unerhörte, inspirierende, zudem originelle und unterhaltsame Tour de Force. Die beiden Ulmer haben vor einem Publikum, das sich gerade eben so im zweistelligen Bereich befand, gut gelaunt gespielt, als ob sie einen weiteren Termin der andauernden Welttournee routiniert in einem ausverkauften Berliner Techno-Bunker vor internationalem Publikum abliefern. Großartig, selbstbewusst und für größeres bestimmt. Danke für diese kosmopolitische, Zeitalter übergreifende Kunstvision, die jede Provinz zur Metropole erhebt.