Richard Klein ist freier Autor und Musikphilosoph. Er studierte Orgel an der Hochschule für Musik in Freiburg und schloss daran ein Zweitstudium der Philosophie und Musikwissenschaft an. Mitte der 1990er Jahre war er Lehrbeauftragter für Ästhetik in seiner Heimatstadt Freiburg (Uni & PH) und im Jahr 1995 Mitbegründer des Projekts „Musik & Ästhetik“, das sich u.a. in der gleichnamigen Zeitschrift artikuliert. In der Reihe „Zur Einführung“ des Hamburger Verlags Junius erschien von ihm im Oktober 2014 das Büchlein „Musikphilosophie“. Die Reihe besteht bereits seit 1977 und „ist für Leute geschrieben, denen daran gelegen ist, sich über bekannte und manchmal weniger bekannte Autor(inn)en und Themen zu orientieren.“ („Zur Einführung…“, Vorwort des Verlages)
Das Buch ist in neun Kapitel unterteilt. Zuerst erklärt Klein seine Methode, danach geht es um Hanslick, Adam Smith, Schopenhauer, Nietzsches Wagner, Adorno, um Zeit, den Werkbegriff und im letzten Kapitel um Bob Dylan.
Um es gleich vorwegzunehmen, dieses Buch zu lesen ist eine einzige Quälerei. Der methodische Aufbau ist eine heillose Katastrophe und als Einführung in das Fachgebiet der Musikphilosophie ist es eine glatte Themaverfehlung. Richard Klein mäandert in einem unverständlichen, akademischen Duktus durch seine musikphilosophischen Lieblingsthemen, wichtige Eckpunkte überspringt er komplett, er etabliert keine Ordnung, setzt philosophisches und musikhistorisches Spezialwissen voraus, drückt sich vor Antworten, will sich partout nicht festlegen, hält sich alle Hintertüren offen, stiftet Verwirrung, verschleppt und verschleiert, zündet argumentatorische Nebelkerzen und lässt den Leser damit ins Leere laufen. Im ersten Kapitel erwähnt er einmal die Digitalisierung, das „Ende des Materialdenkens“, den Gleichstand von „E“ und „U“, nur um gleich anzukündigen, dass eine belastbare Aussage dazu nicht möglich sei. Zu Folklore oder Jazz äußert er sich abfällig und Pop ist für ihn gleichbedeutend mit der Kunstfigur Bob Dylan, er verbindet mit ihr das Thema Religiosität. Ein typischer, unverbindlicher Satz:
„Dylan ist weder Pop noch große Kunst und doch, bis zu einem gewissen Grad, beides in eins.“ (Zur Methode, S.20)
Eine naheliegende Einteilung der Musikphilosophie in geistesgeschichtliche Epochen, Musikstile oder zentrale Themenbereiche wie „Musikästhetik“, „Musik und Gesellschaft“, „Musik und Geschichte“, „Musik und Politik“, „Musik und Ökonomie“ oder gar „Musik und Digitalisierung“ wird nicht vorgenommen. Stattdessen bekommt der Leser einen monomanischen Egotrip, dem schwer zu folgen ist und der alsbald sehr müde macht und die Gedanken abschweifen lässt. Dabei ist der Schreibstil ebenso selbstgefällig wie unnötig kompliziert. Klein predigt von oben herab aus dem Elfenbeinturm, gefällt sich in der Rolle des allwissenden Gelehrten, der mitleidig zu den naiven Ahnungslosen spricht, die am Ende ja doch nichts kapieren.
Fazit: Von einer brauchbaren und nachvollziehbaren Einführung in das Fachgebiet der Musikphilosophie ist das Büchlein leider meilenweit entfernt und das ist sehr bedauerlich. Klein hatte die Möglichkeit, erstmals eine kompakte und verständliche Orientierung für Einsteiger und Interessierte zu formulieren, das war sein Auftrag und daran ist er offenkundig gescheitert. Ganz nebenbei hätte er einen methodisch/didaktischen Aufbau für ein noch ziemlich unstrukturiertes Fachgebiet etablieren können. Leider war es ihm wichtiger seine eigenen, punktuellen Wissensgebiete zu platzieren. So wird das Büchlein zum Protokoll einer vergebenen Chance. Schade für die Musikphilosophie.
Das Taschenbuch erscheint im Junius Verlag und kostet 14,90 Euro.
@Dennis: Richtig schöner Verriss, danke. Hab den Artikel eben auf Facebook geteilt und Kleins Kollege Lehmann hat ihn prompt geliked und geteilt 🙂
@Stefan: Danke für die Weiterverbreitung. Manchmal kann es auch vergnüglich sein einen Verriss zu schreiben. Gerade beim Thema „Musikphilosophie“ wäre es mir aber deutlich lieber gewesen, wenn das Buch gut strukturiert, informativ und lesbar gewesen wäre.
Man kann manchmal den Eindruck gewinnen, dass viele etablierte Kräfte extra unzugänglich schreiben, nur warum? Warum verschrecken sie den interessierten Nachwuchs? Warum beteiligen sie sich nicht am Diskurs, sondern würgen ihn im Moment seiner Entstehung ab? Sind ihre Thesen so wackelig, dass sie einem Diskurs nicht standhalten? Und warum immer dieser arrogante Sprachduktus, dieses predigen von der Kanzel herab? Ich verstehe das nicht. Was ist da nur los?
@Dennis: Ja, das „theologische“ Element hat mich ja auch bei Kleins Kollegen Gunnar Hindrichs reichlich irritiert:
https://stefanhetzel.wordpress.com/2015/03/18/musiktheologie/
Nun, Kleins Buch habe ich nicht gelesen, aber generell lässt sich natürlich sagen, dass autoritatives Sprechen stets dem Machterhalt des Sprechers dienen und diesen oft zugleich auch noch der Begründungspflicht entheben soll. Dass diese Strategie bei dir auf Widerstand stößt, kann ich nur allzu gut nachvollziehen. Es gibt aber natürlich auch viele, die sich von autoritativer Sprache einschüchtern lassen und – bewusst oder nicht – dann dem Sprecher mehr Kompetenz zusprechen, als dieser evtl. wirklich hat. Ist ja ein sozusagen anthropologischer Mechanismus.
Sehr beeindruckend fand ich als verschreckter Student, wenn Adorno schrieb „Erkenntnis ist, dass“ – statt: Ich behaupte hier jetzt einfach mal… Wenn ich mich richtig erinnere, macht der in seiner Ästhetischen Theorie nichtmal Absätze. Klein hat welche, oder ist sein Büchel auch als „Textplattform“ zu verstehen, bzw. eben nicht?
@Joachim: Danke für den Kommentar und herzlich willkommen auf diesem Blog.
Was Klein mit diesem Büchlein erreichen will, kann ich auch nicht sagen. Eine „Einführung“ – wie der Titel der Reihe postuliert – ist es jedenfalls nicht geworden, das ist schon mal klar. Irgendwie hat da das Lektorat des Verlags gepennt, falls es eines gegeben haben sollte.
Das Büchlein wirkt auf mich wie eine launische Kompilation von Texten zu seinen akademischen Lieblingsthemen (vermutlich auch nicht alle gänzlich neu verfasst). Für eine kompakte Gesamtdarstellung der Musikphilosophie ist der Text einerseits zu lückenhaft, dafür aber an anderen Stellen wieder viel zu detailliert. Noch dazu quillt der Text über von unkonkreten, tendenziösen und substanzlosen Äußerungen. Wirklich eine Quälerei zu lesen. Man fragt sich die ganze Zeit, warum schreibt er das, was will er mir damit sagen?