Als ich am Donnerstagmorgen vom Obergeschoss meiner Unterkunft in die Küche runter kam, stand das Frühstück bereits auf dem Tisch. Armin hatte extra Brötchen in Zellingen geholt und Roswitha hatte Eier gekocht und den Tisch gedeckt. Zu dritt saßen wir am Tisch, aßen und unterhielten uns. Das liebenswerte Ehepaar feiert in diesem Jahr seinen 50sten Hochzeitstag, herzlichen Glückwunsch! Zusammen haben sie fünf Töchter großgezogen, was für eine Leistung. Die sind alle in Würzburg zur Schule gegangen, haben studiert und leben jetzt zum Teil weit entfernt. Sie kommen aber immer wieder zu Besuch ins Elternhaus. Wenn sie z.B. zu Weihnachten alle gleichzeitig da sind, ist dann vermutlich ganz schön was los. Aber ich glaube den beiden gefällt das. Ich wurde jedenfalls sehr gut versorgt und habe mich sehr wohl gefühlt. Sogar meine Wäsche hat Roswitha, als ich mal nicht aufgepasst habe, schnell gewaschen, getrocknet und fein säuberlich zusammengelegt. Und meine nassen Turnschuhe hat Armin am Vormittag trocken geföhnt. Danke auch dafür.
Nach dem Schreiben, fiel es mir diesmal sehr schwer mich loszureißen. Ich aß noch Kartoffelsalat und eine kalte Bratwurst im stehen und kostete von der schmackhaften Gemüssesuppe, die Roswitha in der Küche zubereitet hat, während ich am Esstisch meinen Text tippte. Vielen Dank für eure liebe Gastfreundschaft, bleibt so herzlich wie ihr seid!
Ich musste zügig los, war mit Landrat Thomas Schiebel und einem Journalisten der Mainpost (Redaktion Karlstadt) zur gemeinsamen Abfahrt um 12.15 an der Wallfahrtskirche verabredet. Die beiden kamen gemeinsam und pünktlich, kurze Begrüßung, die Sonne schien, es konnte losgehen. Erstmal gemütlich entlang des Retzbachs nach Retzstadt, von dort Richtung Binsfeld, vorbei an ein paar halbabgerissenen Ruinen, die aussahen wie die Reste einer längst vergangenen Zivilisation.
Es ging bergauf und wir kamen auf ein hochgelegenen Plateau, ringsum Getreidefelder, hie und da drehte sich ein Windrad in der leichten Brise. Zeit für ein Dreierselfie mit Landrat Schiebel und dem Journalisten Johannes Schreiner.
Über den Berg, runter ins Tal, kamen wir in Binsfeld an der Wern an. Hier besuchten wir kurz das Mehrgenerationehaus in der Dorfmitte. Es besteht bereits seit etlichen Jahren und ist vom zweiten Bürgermeister Herr Sauer mitentwickelt worden. Hier gibt es werktäglich ein warmes Mittagessen, es ist ein Treffpunkt für Senioren, es gibt Hausaufgabenbetreuung und einiges mehr. Im hinteren Teil des Gebäudes befindet sich ein Kindergarten mit einem wunderschönen Garten. Was für ein tolles und bereicherndes Projekt.
Es ging weiter auf dem Fahrradweg entlang der Wern. Ein schöner Blick auf Halsheim:
Dann schaute ich in die Kirche in Müdesheim und anschließend ging’s durch Reuchelheim, bis hierher alles noch zusammen mit den beiden anderen Radlern.
Jetzt wurden sie aber bereits von zwei Transportfahrern erwartet, unsere Wege trennten sich, wir verabschiedeten uns, vielleicht treffe ich Herrn Schiebel noch mal bei meiner letzten Etappe am Sonntag. Würde mich freuen!
Während ich nun so allein da stand und mich orientierte, bat mich eine ältere Dame am Wegesrand um Hilfe. Ich fuhr heran und sah, dass sie im Gesicht und an den Händen blutete. Anscheinend war sie auf ihrem Rad aus dem Gleichgewicht gekommen, war auf die Straße gestürzt und hatte sich dabei verletzt. Die Verletzungen waren eigentlich nicht schlimm, aber das Blut lief die Nase herab und sie konnnte deswegen nicht gut sehen. Da sie blutverdünnende Medikamente nimmt, dauerte es eine Weile bis die Blutung stoppte. Ich blieb bei ihr und sie erzählte mir, dass sie eigentlich nach hause nach Arnstein wollte, aber jetzt nicht mehr so sicher sei. Ich bot gleich an sie dorthin zu begleiten, sie brauchte zwar nicht meine unmittelbare Hilfe, aber vielleicht etwas Beistand. Außerdem war es sowieso nicht mehr weit und ich könnte den kleinen Umweg nutzen um etwas Proviant zu besorgen.
Der Dame ging es bald wieder besser und wir fuhren gemächlich entlang der Wern Richtung Arnstein. Sie erzählte, dass sie 80 Jahre alt sei und ihr halbes Leben in Würzburg gearbeitet hätte. Weil dorthin kein Zug fuhr, musste sie jahrzehntelang jeden Werktag 45 Min. hin und abends wieder zurück mit dem Bus fahren. In Arnstein verabschiedeten wir uns, ich hatte den Eindruck, sie hatte sich wieder gefangen. Ich kaufte noch etwas Proviant und radelte zurück nach Reuchelheim und von da aus steil bergauf Richtung Ebenhof.
Die Nachmittagssonne stand sengend am weiß-blauen Himmel. Nach dem Regentag gestern genoss ich die Wärme und weil ich mich allein auf weiter Flur bewegte, zog ich mein T-Shirt aus und schob und radelte mit nacktem Oberkörper und kurzen Hosen. Erst am Abend merkte ich, dass ich mir auf diese Weise einen leichten Sonnenbrand eingefangen hatte, aber war nicht arg schlimm. Oben auf der Anhöhe befindet sich das Gut Ebenroth, ein Pferdegestüt, war aber von außen nicht viel zu sehen.
Ich fuhr weiter auf dem Weg zwischen Waldrand und Feldern, endlich etwas Schatten. Wieder auf einem Feldweg kam ich an einen Punkt von dem ich in nördlicher Richtung die Berge der Rhön und in östlicher Richtung die Erhebung des Steigerwaldes sehen konnte.
Von da war es nicht mehr weit bis zu meinem Etappenziel Binsbach. Als Unterkunft eingeplant war die Pilgerherberge im alten Pfarrhaus. Die war schnell gefunden, die Tür aber leider verschlossen. Ich rief die Nummer an, die mir gegeben worden war, leider nur Anrufbeantworter. Also setzte ich mich auf die Terasse in den Schatten und döste vor mich hin. Als ich mich irgendwann umschaute, sah ich auf einmal einen kleinen Klingelknopf neben der Tür. Na, kann nichts schaden, dachte ich mir und drückte drauf. Erstmal passierte lange Zeit nichts, dann hörte ich von innen Geräusche, die Tür tat sich auf und vor mir stand ein dunkelhäutiger Mann. Was für eine Überraschung, damit hatte ich aus diversen Gründen überhaupt nicht gerechnet.
Wir begrüßten uns respektvoll, tranken einen Kaffee zusammen. Es stellte sich heraus, dass Pater Albert Pongo, der ursprünglich aus Ghana stammt, in Wien wohnt und gerade in Binsbach seinen Urlaub verbringt, nebenbei hält er vertretungsweise Gottesdienste in den umliegenden Gemeinden ab und gerade stand unmittelbar einer bevor. Ich fragte ihn, ob ich mitkommen dürfe, und er sagte, gerne. Ich also rein in die Herberge, schnelle Dusche, frische Klamotten und schon ging’s los mit dem Auto zum benachbarten Gähnheim. Wir waren früh dran, weil er sich ja noch vorbereiten musste. Ich holte mir derweil ein Gesangsbuch, setzte mich in eine der Bänke der Kirche und wartete, während sich die Kirche ganz langsam mit Besuchern füllte, es war noch knapp eine halbe Stunde bis zum Beginn. Wie auf ein geheimes Kommando blickten sich kurz darauf ein paar zentral positionierte Damen an und begannen unisono den Rosenkranz runterzubeten, passagenweise auch dialogisch auf zwei Seiten verteilt. „Gebenedeit sei die Frucht deines Leibes…“ Die Verse wiederholten sie so oft, dass ich ab der Mitte fast hätte mitsprechen können. Irgendwann bog die Litanei dann in einen Schlussteil ein, Pater Albert trat in vollem Ornat in den Kirchenraum, schritt zum Altar und begann den Gottesdienst. Er las aus dem in der katholischen Lithurgie fest vorgesehenen Text für den heutigen Tag vor und stellenweise fühlte ich mich direkt angesprochen:
09 Steckt nicht Gold, Silber und Kupfermünzen in euren Gürtel.
10 Nehmt keine Vorratstasche mit auf den Weg, kein zweites Hemd, keine Schuhe, keinen Wanderstab; denn wer arbeitet, hat ein Recht auf seinen Unterhalt.
11 Wenn ihr in eine Stadt oder in ein Dorf kommt, erkundigt euch, wer es wert ist, euch aufzunehmen; bei ihm bleibt, bis ihr den Ort wieder verlasst.
12 Wenn ihr in ein Haus kommt, dann wünscht ihm Frieden.
13 Wenn das Haus es wert ist, soll der Friede, den ihr ihm wünscht, bei ihm einkehren. Ist das Haus es aber nicht wert, dann soll der Friede zu euch zurückkehren.
14 Wenn man euch aber in einem Haus oder in einer Stadt nicht aufnimmt und eure Worte nicht hören will, dann geht weg und schüttelt den Staub von euren Füßen. (Matthäus 10, 9-14)
Direkt nach dem Gottesdienst vor der Kirche wurde ich noch freundlich angesprochen und gefragt wer ich bin. Als Auswärtiger fällt man hier natürlich auf. Ich gab bereitwillig Auskunft und erzählte vom Rundherum-Projekt des Landkreises. Danach fuhren Pater Albert und ich noch kurz zum Sportheim, setzten uns an den Stammtisch und tranken etwas mit den Männern. Von da ging es zurück zur Pilgerherberge nach Binsbach, kleines Abendbrot, ich fiel erschöpft ins Bett.
Morgen geht es weiter über Arnstein, Schwebenried, Alt- und Neubessingen. Wenn alles gut geht, wird es eine weiter musikalische Begegnung geben.
Der Artikel im Main-Echo vom Donnerstag ist nun übrigens doch in digitaler Form zugänglich. Gut so, denn auf meinem Weg gab’s die Zeitung nirgends zu kaufen.
Feines Feld-Furchen-Foto!
Wieder ordentlich was los, du ziehst die Dinge mit einem Magneten an, scheints.
Ich liebe Alliterationen, mehr davon!
Wieder ein sehr besonderer Bericht gespickt mit Anschauungsmaterial. Und da die 7 eine Glückszahl ist, gab es Glück für alle auf der 7. Etappe inkl. Sonnenschein.
Dennis, das war wirklich sehr nett von dir, der alten Dame beizustehen. So etwas sollte zwar selbstverständlich sein, ist es aber leider nicht. Der Auszug des Textes aus der katholischen Lithurgie ist mir, obwohl ehemals katholisch, nicht bekannt. Klingt aber sehr „aktuell“. Hat mich zum Nachdenken angeregt.
Na, einiges erlebt heute, Schütze! Toller Bericht!
…da hatte ich neulich eine Kombierfahrung helfen+missionieren hab ner älteren Dame einen verhedderten Spanngurt aus dem Zahnkranz gewickelt, da sie mit nem Stöckchen rumgestochert hat und nicht wusste wie man ein Hinterrad mit Schnellspannern ausbaut; als DAnk wurde ich heiligengleich verehrt (Gott hat sie geschickt… und möge der Herr sie immer dahin senden wo sie gebraucht werden – was strange war , aber ja noch ging – als sie dann aber Flyer der Pfingstgemeinde ausgepackt hat wars zuviel; ich geb mal ein paar Stichwörter daraus: 666 Endzeit Rettung…
Ok Bernhard, dass ist wirklich strange…….