Was meine Kinder dereinst über mich sagen werden

Hin und wieder frage ich mich was meine Kinder dereinst über mich sagen werden. Heute war wieder so ein Tag: Mein Sohn fühlte sich morgens unwohl, blieb im Bett liegen, verzichtete auf’s Frühstück. Er hatte zwar kein Fieber, aber er war ganz blass und man sah ihm an, dass wirklich irgendetwas gesundheitlich nicht in Ordnung war, also riefen wir in der Schule an und er verbrachte den Tag daheim. So wie ich, denn ich verbringe auch tagsüber die Werktage zu hause und arbeite alleine vor mich hin. Hin und wieder fragen mich an solchen Tagen meine eigenen Kinder, was ich eigentlich genau mache. Ich weiß dann selbst nicht was ich darauf antworten soll und sage meistens einfach: „Na, arbeiten, was meinst du denn?“ und fahre fort meine To-Do-Liste abzuarbeiten.

Ja, was mache ich eigentlich? Wenn ich das so genau sagen könnte. Meistens checke ich morgens meine Mails, beantworte einige davon, ab 9.00 kommen hintereinander einige Gitarrenschüler oder Songwriter zum Unterricht, danach schreibe ich einen Text für den Blog, beantworte wieder Emails oder telefoniere bis zum Mittagessen. Das Essen nehme ich, wenn noch Reste vom Vortag da sind, zu Hause ein, manchmal gehe ich auch irgendwohin zum schnellen Mittagstisch. Wenn das getan ist, folgt etwas Lektüre in der SZ und/oder einem Buch, dazu lasse ich evtl. eine Musik-CD laufen, die ich am Folgetag rezensieren will. Danach wieder kurz Mails checken, Text vom Vormittag korrekturlesen, was für ein aktuelles Projekt aufnehmen oder eigene Aufnahmen oder Mixe durchhören und kommentieren. Am späten Nachmittag kommen dann vielleicht wieder Schüler, die Gitarre, E-Gitarre oder Ukulele bei mir erlernen wollen, das geht dann so bis zum frühen Abend. Dann kommen die Kinder und die Frau.

Ich komme dabei auf eine tägliche Arbeitszeit von ca. 6-8h, manchmal mache ich abends und am Wochenende noch was, Konzerte und entsprechende An- und Abfahrten nicht mitgezählt. Eigentlich nichts wofür man sich schämen müsste, trotzdem habe ich oft eine komisches Gefühl dabei. Es fällt mir auch schwer meinen eigenen Eltern von meiner Arbeitsroutine zu erzählen, vermutlich, weil sie glauben würden, ich sitze den ganzen Tag nur rum und mache, was mir Spaß macht (was überwiegend stimmt) und wenn es Spaß macht, ist es ja keine Arbeit und wenn’s keine Arbeit ist, wie soll man damit Geld verdienen?

Muss demnächst mal meine Kinder fragen, was sie denken, was ich den ganzen Tag mache. Oder lieber nicht. Die denken wahrscheinlich auch, ich sitze den ganzen Tag rum und mache, was mir Spaß macht. Letztens drohte eine Lehrerin meiner Tochter, dass, wenn irgendetwas (vollkommen Harmloses) noch einmal passiert, sie sich bei mir melden und beschweren würde. Ich dachte mir noch „Bitte nicht!“ und sagte meiner Tochter, sie solle sich keine Sorgen machen, ich würde ihr total vertrauen (tue ich wirklich) und so eine Drohung könnte ihr egal sein, denn ich würde schon längst nicht mehr an das System Schule und seine Vertreter glauben. Meine Tochter machte große Augen und ich war auch etwas überrascht über das, was ich da gerade gesagt hatte. Meine Tochter vergewisserte sich, ob sie das so auch der Lehrerein sagen dürfte. Ich überlegte kurz und dachte mir, vielleicht heilsam für die Lehrerin, wenn sie erfährt, dass nicht alle Eltern die Schule so bitterernst nehmen und sagte zu meiner Tochter, ja kannst du ihr so sagen. Ich denke, man sollte das alles mal etwas lockerer sehen, vor allem die Lehrer. Die nehmen sich, die Lehrpläne, die Schulaufgaben und die Zensurenvergabe viel zu ernst. Die sollen sich mal entspannen und in der Schule vielleicht öfter mal was machen, das in erster Linie Spaß macht. Da ist man oftmals gut mit beraten, das ist zumindest meine Erfahrung.

Der neue Lieblingssatz meiner Tochter ist inzwischen übrigens: „Es ist nutzlos, aber nicht sinnlos“. Das habe ich von Reinhold Messner gehört und den Satz einige Male ihr gegenüber eingesetzt. Sie hat den Unterschied zwischen Nützlichkeit und Sinnhaftigkeit jetzt verstanden und teilt gerade viele Dinge in diese zwei Kategorien ein. Und sie erkennt, wenn sich diese Eigenschaften überschneiden (was ideal ist). Vermutlich erkennt sie auch, dass meine Tätigkeit nicht immer nützlich, aber so gut wie immer sinnvoll, weil erfüllend ist. Ich freue mich, dass sie das verstanden hat.

Aber nochmal zurück zu mir und der Einschätzung meiner Kinder, was meine tägliches Schaffen angeht. Ich habe den Eindruck, dass auch sie Texte schreiben, Bücher lesen, Musikhören, Lieder singen, Songtexte dichten, Musikmachen und Konzerte geben nicht in erster Linie als Arbeit verstehen. Mach ich ja alles auch gerne, das merken sie mir anscheinend an. Vielleicht sollte ich hin und wieder total gerädert und geschafft vom Unterricht kommen oder schlecht gelaunt von Konzerten zurückkehren. Würde mir aber schwer fallen, so etwas vorzuspielen, das wäre dann wirklich Arbeit und die Sorte Arbeit spare ich mir lieber.

Also was werden sie wohl ihren eigenen Kindern erzählen, was deren Opa gemacht hat:
„Euer Opa hat den halben Tag Bücher und Zeitungen gelesen, Texte und Songs geschrieben, Gitarre und Klavier gespielt und dazu gesungen, hin und wieder wurde diese Routine durch Unterrichtstunden unterbrochen, wenn interessierte Menschen etwas von ihm lernen oder erklärt bekommen wollten. Am Wochenende hat er hin und wieder mit seinen Musikerfreunden für andere Menschen an anderen Orten Lieder gesungen und Musik gespielt, hin und wieder wurde mitgesungen, oft auch getanzt. Da hat er dann Getränke und gutes Essen bekommen und kam in bester Laune und einem ordentlichen Trinkgeld in der Tasche spätnachts nach hause. Ansonsten hat er alle paar Jahre Reisen in fremde Länder unternommen, Geschichten darüber geschrieben, Fotos gemacht und gerne in der Küche gestanden, dabei Radio gehört und gekocht. Ich kann bis heute nicht sagen, welchem Beruf er eigentlich nachgegangen ist.“ (Fiktives Zitat eines meiner Kinder)

Damit könnte ich gut leben, auch wenn ich tot bin.

15 Gedanken zu „Was meine Kinder dereinst über mich sagen werden

  1. Du wirst Dich sehr vermutlich wundern, was sie über Dich sagen werden!
    Vielleicht ist da das Thema Beruf gar keine Option.
    Aber im Ernst: Woher sollten sie wissen, um Vergleiche anstellen zu können, wie ein normaler Brotjob aussieht?

  2. Balsam für die Seele, dieser Text von Dir!
    Wir leben schon in sehr „katholischen“ Zeiten. Nur wer auch richtig leidet darf sich der „Wertschätzung“ Anderer sicher sein, oder so ähnlich jedenfalls. Wo bleibt da der Spaß?

  3. @Sandra halt stopp! das sind doch ganz klar „evangelische“ Charakteristika: Enthaltsamkeit, Selbstbeherrschung… (siehe Monty Python, die haben das ganz plastisch dargestellt, sehen wir mal von den Flagellanten und vielen vielen anderen Beispielen ab chrchrchr.
    Die Katholiken frönen doch der barocken Opulenz und geniessen die Lust – auch wenns verboten ist s- so gesehn urbayrisch 🙂 https://www.youtube.com/watch?v=Rwvj9fu4ckY

    • katholisch = Fast alles verbieten, trotzdem machen und beichten = sich schuldig, aber gut fühlen

      protestantisch = Alles zulassen, aber sich nichts gönnen und trotzdem dafür büßen = sich unschuldig, aber schlecht fühlen

    • @Bernhard: Weißt du, ich bin im katholischen KiGa gewesen und in einer katholischen Mädchenrealschule. In beiden Einrichtungen waren Nonnen sowohl Erzieher als auch Lehrer. Mag schon sein, das die männlichen Vertreter dieses Vereins der barocken Opulenz frönten und auch heute in „anderer Art“ noch tun. Die Schwestern taten es nicht und tun es auch heute nicht. Ich möchte ihnen eine gewisse Lebensfreude nicht absprechen, trotzdem steht das Beten um Vergebung aller möglicher Sünden dort an erster Stelle. Was hat das alles mit Dennis´Text zu tun? Keine Ahnung. Ist mir eben so dazu eingefallen.

      • jaja die Erziehungseinrichtungen sind nicht so leicht mit Ironie zu geniessen; das bezog sich ja auch eher auf eine Metaebene und nicht wie es faktisch aussieht; Dennis hat das ja kurz umrissen wie die gewalttätige Annexion, oder um im Sprachgebrauch der Kirche zu sprechen Missionierung hier in Deutschland verlief, war in anderen Ländern leider ja auch nicht weniger gewalttätig – Amerika, Afrika oder sonst wo; Glaube sollte eben lieber privat bleiben, sobald er zur Doktrin wird, gibts Krieg.

  4. Zum Text: Ich glaube diese Frage stellen sich alle Eltern. Denn auch wenn die Kinder eine 100%ige Vorstellung davon haben was der Vater tut (z.B, LKW fahren), ist es doch noch lange hin bis zu dem Punkt, genau zu wissen wie ein Arbeitsalltag aussieht. Die Bewertung dessen ist wahrscheinlich immer eine kindlich subjektive Wahrnehmung. Man sollte mal Erwachsene fragen, die schon als Kinder Polizisten werden wollten, es geworden sind und wie weit ihre Vorstellung von der Praxis entfernt ist. 🙂

    Zum religiöse-spirituellen Teil: Das eigentlich Kreuz (ja, gewolltes Wortspiel) der Christen (egal ob katholisch oder evangelisch) ist doch, dass sie längst verlernt haben den Glauben im Alltag zu reflektieren. Ihre Unzufriedenheit und das Schuldgefühl kommt i.d.R. nicht aus dem Glauben sondern aus den gewachsenen Gesellschaftsvorstellungen deren Saat irgendwann mal der Glaube war. Meine Befürchtung ist, dass die Menschen oft gar nicht wissen, warum sie sich schuldig fühlen, sondern, dass die Schuld aus einem gesellschaftlichen Gedächtnis kommt auf das der Glaube (bei uns der christliche) vor tausenden Jahren begonnen hat Einfluss zu nehmen. Es ist so unterschwellig, dass es uns nicht gelingt es zu fixieren und den Unsinn dahinter zu erkennen…

    • @Simon: Das was heute Deutschland ist, wurde ca. im 8. und 9. Jahrhundert gewaltsam christianisiert z.B. von Karl dem Großen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts begann bereits die Säkularisierung. Es gibt also definitiv keine christliche Tradition seit „tausenden von Jahren“, zumindest nicht in Mitteleuropa. Man kann davon ausgehen, dass diese brutale Zwangsmassnahme keine überzeugten, bibeltreuen und gläubigen Christen aus der einfachen, analphabetischen Bevölkerung gemacht hat.

      Die Religion der alten Germanen war definitiv polytheistisch und naturverbunden. Wir verdanken ihr Weihnachten, Silvester, Ostern, Fasching, Pfingsten, Erntedank etc.. Sorry, dass ich da als Nicht-Christ vehement Einspruch gegen deine Aussage erhebe. Wird ja leider öfter so getan, als wenn wir ach so christlich geprägt wären, da sehe ich nicht so.

      Anmerkung: Die wohl fieseste Erfindung des Christentums ist die (Erb)-Sünde.

      Müssen wir nicht weiter vertiefen. Im obigen Text ging’s eigentlich um was anderes.

      • Damit hast du Recht. Ich hatte gemeint, dass das was wir heute den christlichen Glauben nennen, vor tausenden von Jahren „begonnen“ hat. Dass wir eigentlich nur eine sehr kurze Zeitspanne erst diese „christliche“ Gesellschaft sind, war damit nicht gemeint.

        • @Simon: Vielleicht meinst du, dass die meisten Menschen auf Grundlage eines moralischen Wertesystems handeln und auch oft fleißig, produktiv, erfolgreich und angesehen sein wollen. Hier könnte man einen wunderbaren Bogen spannen zur Idee des bedingungslosen Grundeinkommens, dass ja genau auf dieser Annahme fusst. Das aber nur am Rande.

          Zu meinem eigenen Text möchte ich hinzufügen: Was für ihn/sie sinnvoll ist, bestimmt jeder für sich selbst.

          • Ich denke, das hat Simon … NICHT gemeint!
            Es gibt sehr ALTE Ideen, die sehr prägend sind bis in unsere Zeit, ohne daß wir konkret etwas davon „wissen“. Fleissig sein gehört nicht in diese Kategorie.
            Dann gibt es ja auch die Ansicht eines kollektiven Schmerzkörpers. Wenn man in einer Region lebt, die schon immer blutige Auseinandersetzungen kannte. Dieses geht nach landläufiger Meinung in den kollektiven Schmerzkörper über, den man dann als Part in sein individuelles Leben mitnimmt..

            @Simon, war es das, was Du meintest??

  5. @ Gerhard: Der kollektive Schmerzkörper Vergleich gefällt mir gut und trifft es. Es gibt einige Konstrukte in der Gesellschaft (vom Glauben jetzt mal unabhängig), die nachweislich vorhanden sind, obwohl sie keiner direkt lehrt.

    @Dennis: Wie du vielleicht weißt, bin ich dem bedingungslosen Grundeinkommen positiv gegenüber eingestellt. Ich würde mir tatsächlich wünschen, dass wir es mal erleben würden, wenn eine gesamte Gesellschaft dem Prinzip folgen würde. Da die Fallhöhe wahrscheinlich zu hoch ist, wird das leider nie passieren….
    Wenn man der maslowschen Bedürfnisspyamide folgt, sind Selbstverwirklichung und Individualbedürfnisse die Spitze der Bedürfnisse des Menschen. So gesehen könntest du Recht haben. Das die meisten Menschen fleißig sein wollen, würde ich dagegen nicht unterschreiben. Gemessen an meinen Erfahrungen wollen die meisten Menschen mit dem geringsten Aufwand ein Ziel erreichen. Im Idealfall sogar das beste Ziel. Will heißen, die meisten Menschen würden 30% Aufwand für 70% Ziel annehmen, anstatt mit 100% Aufwand, 100% Ziel zu bekommen.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert